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Besuch in Kutupalong: Mit dem Außenminister in Bangladesch

Unter den Flüchtlingen in Kutupalong sind besonders viele Kinder, © Ute Grabowsky / Photothek.net
Hinter den Kulissen: Eindrücke von einer besonderen Reise.
Cox’s Bazar, Bangladesch: Auf der Straße vor dem Flüchtlingslager Kutupalong ist kein Durchkommen. Der Strom der Menschen, die auf das Lager zulaufen, reißt nicht ab. Männer und Frauen tragen schwere Säcke auf dem Rücken, Kinder ihre kleinen Geschwister. Lastwagen um Lastwagen mit Hilfslieferungen schiebt sich über die enge, sandige Straße. An kleinen Ständen verkaufen Menschen Obst und getrockneten Fisch. Es ist laut, es ist heiß. Mitten im Getümmel kommt die Kolonne von Außenminister Gabriel zum Stehen.

Kutupalong ist die erste Station auf einer eindrucksvollen Reise des Außenministers. Gut 400 Kilometer von Bangladeschs Hauptstadt Dhaka entfernt, am Golf von Bengalen, spielt sich eine der dramatischsten Flüchtlingskrisen unserer Zeit ab. Seit Ende August sind hunderttausende muslimische Rohingya aus dem benachbarten Myanmar geflohen. Bereits seit Jahrzehnten werden sie dort diskriminiert und verfolgt, seit einigen Monaten haben wegen neuer Polizeiaktionen mehr als 600.000 Menschen die Grenze ins Nachbarland Bangladesch überquert. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen spricht von der am schnellsten wachsenden Flüchtlingskrise der Welt.
Kutupalong: mehr als 800.000 Flüchtlinge
Mit einem Hubschrauber der bangladeschischen Luftwaffe reist Gabriel aus Dhaka in die Region Cox’s Bazar im Südosten von Bangladesch. Aus der Luft offenbart sich die ungeheure Größe des Flüchtlingslagers: Siedlungen aus Wellblechhütten, Baracken und Behelfsbauten säumen die hügelige Landschaft in Cox’s Bazar, Flüchtlingslager soweit das Auge reicht. 830.000 Menschen haben in Kutupalong Zuflucht gefunden, mehr Menschen, als in Frankfurt am Main oder Seattle leben. Es dauert gut fünf Minuten, bis der Hubschrauber das Gebiet umflogen hat.
Der Hubschrauber landet am Golf von Bengalen, näher am Flüchtlingslager geht es nicht. Nahe der Kleinstadt Inani verläuft einer der längsten Sandstrände der Welt, Einheimische verbringen hier gerne ihren Urlaub. Kutupalong ist nur eine halbe Stunde entfernt: Gegensätze treffen aufeinander. Auf der Fahrt passiert die Kolonne Fahrradrikschas, Fußgänger, streunende Kühe, es geht vorbei an windschiefen Straßenständen, Holzbauten, Reisfeldern. Es ist nicht leicht zu sagen, wo das bangladeschische Dorf aufhört und das Flüchtlingslager anfängt - auch in den umliegenden Dörfern herrscht bittere Armut.

Bangladesch tut viel, um den Rohingya zu helfen. Gleichzeitig gehört Bangladesch selbst zu den ärmsten Ländern der Welt. Ein Viertel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, regelmäßig zerstören Flutkatastrophen die Lebensgrundlage vieler Menschen. Bangladesch ist auch das Land, das am dichtesten besiedelt ist. In der Hauptstadt Dhaka leben etwa 45.000 Menschen auf einem Quadratkilometer.
Internationale Unterstützung in der Krise
Zu Fuß geht es durch das Flüchtlingslager. Dicht gedrängt stehen Hütten aus Holz, Wellblech und Plastik, die Straßen sind voller Menschen, viele von ihnen verwundet, verängstigt, traumatisiert. Die Hitze ist drückend. Auch am Straßenrand sitzen Menschen, sie warten auf die Essensausgabe und beobachten das Spektakel des Besuchs. Hilfsorganisationen arbeiten in Kutupalong rund um die Uhr. Sie kümmern sich um die grundlegende medizinische Versorgung, verteilen Lebensmittel an die Flüchtlinge. In einer kleinen Hütte tanzen und spielen Helfer mit Kindern – der Versuch, eine Art Alltag herzustellen. Doch die Probleme bleiben groß. Wenn die Regenzeit einsetzt, werden sich die staubigen Straßen in rutschige Sturzbäche verwandeln, das Infektionsrisiko steigt.
Bisher gibt es noch keine Spannungen zwischen Flüchtlingen und der lokalen Bevölkerung. „Doch die Konflikte werden kommen“, so Gabriel. Die Grundwasservorräte werden knapp, Einheimische und Neuankömmlinge konkurrieren um Tagelöhnerjobs. Bangladesch kann die Situation alleine nicht bewältigen.

Deutschland erhöht deswegen die Unterstützung für das Land um 20 Millionen Euro. Auch international ist die Hilfsbereitschaft groß. Die europäische Außenbeauftragte Federica Mogherini, der japanische Außenminister Taro Kono und die schwedische Außenministerin Margot Wallström begleiten Gabriel bei seinem Besuch. Alle vier reisen danach weiter zum asiatisch-europäischen Außenministertreffen in Naypyitaw, Myanmar. Auch hier wird die Lage der Rohingya diskutiert: gemeinsam mit Myanmar müssen Bedingungen festgelegt werden, unter denen die Rohingya zurückkehren und in Myanmar leben können.
Der Besuch in Kutupalong stellt auch eine logistische Herausforderung dar. „Kolonne existiert nicht mehr“, meldet das Protokoll auf der Rückfahrt per SMS. Durch das hektische Treiben auf den Straßen werden die Autos schnell getrennt - schließlich erreichen aber doch alle den Hubschrauberlandeplatz.
Vor allem aber hinterlässt der Besuch bleibende Eindrücke von der Not der Menschen, die Gabriel und seine Delegation wohl noch lange begleiten werden.