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Berliner Appell: „Gemeinsam gegen Hungersnot“

12.04.2017 - Interview

Beitrag von Außenminister Sigmar Gabriel, erschienen u.a. in der Berliner Morgenpost (12.04.2017).

Beitrag von Außenminister Sigmar Gabriel, erschienen u.a. in der Berliner Morgenpost (12.04.2017).

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Uns allen sind die schrecklichen Bilder der Hungerkrise vor einigen Jahren in Ostafrika noch in lebhafter Erinnerung: Unterernährte Säuglinge und kleine Kinder, Familien, die ihre Herden als Lebensgrundlage verloren haben, verdorrte Feldern, ältere Menschen, die zu schwach sind, um sich auf die Suche nach Wasser und Nahrung zu begeben. 2017 könnte sich das wiederholen: Weltweit sind nämlich auch jetzt Menschen von akuter Unterernährung bedroht. Mehr als 100 Millionen Menschen leiden Not und Hunger: In Nordost-Nigeria, am Horn von Afrika und im Jemen ist die Situation besonders bedrohlich – dort drohen regelrechte Hungersnöte. Für einige Regionen Südsudans haben die Vereinten Nationen sie bereits ausgerufen. Mehr als 20 Millionen Menschen sind alleine in diesen vier Krisenzonen betroffen. Um eine Katastrophe zu verhindern, sind laut Vereinter Nationen rund 5,6 Milliarden USD für humanitäre Hilfsmaßnahmen in Nigeria, Südsudan, Jemen und Somalia notwendig - davon werden 4,4 Milliarden bereits dringend bis Mitte des Jahres gebraucht. Zum Vergleich: das sind gut ein viertel Prozent der globalen Rüstungsausgaben in 2015!

Die Warnungen der Vereinten Nationen sind alarmierend und müssen die internationale Gemeinschaft wachrütteln.

Die Situation hat sich bereits im vergangenen Jahr zugespitzt: ausbleibende Regenfälle und die Auswirkungen des Klimaphänomens El Nino haben zu weitreichenden Ernteausfällen und steigenden Preisen geführt. Zur extremen Nahrungsmitteknappheit trägt aber auch bei, dass sich die politischen Krisen im Südsudan und im Jemen weiter verschärft haben und in Teilen Nigerias die Terrororganisation Boko Haram und in Somalia Al-Shabaab nach wie vor aktiv sind. Das erhöht den Druck auf ohnehin fragile Regionen und Menschen, die keine Reserven mehr vorhalten können. Sie sind nun auf schnelle Hilfe angewiesen, um die einfachsten Grundbedürfnisse wie Trinkwasser, Nahrungsmittel oder Hygiene zu decken. Auch können Bauern ihre Felder nicht bestellen, weil der Boden zu trocken ist, Geräte verkauft wurden und kein Saatgut vorhanden ist. Bereits jetzt zeigt sich, dass Kinder nicht mehr in die Schule gehen, und stattdessen Tagesmärsche zum Wasserholen auf sich nehmen müssen. Schutzlos sind sie der sie umgebenden Gewalt ausgesetzt.

Die Krisen haben die Bundesregierung nicht unerwartet getroffen: schon im letzten Jahr haben wir die humanitäre Hilfe in Afrika, insbesondere für Nigeria, Südsudan und die Somalia-Krise, auf 270 Mio. Euro im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Aufgrund der dramatischen Lage im Jemen haben wir hier unsere Unterstützung in 2016 auf 33 Mio. Euro erhöht. Damit konnten Hilfsorganisationen Nahrungsmittel und Trinkwasser bereitstellen und Unterernährung von Kleinkindern bekämpfen, sich um die gesundheitliche Erstversorgung der Betroffenen kümmern, Flüchtlinge in Camps auch in dieser extremen Dürre weiter versorgen, und auch Kindern weiterhin einen Schulbesuch ermöglichen, das Verenden von Tieren verhindern, sowie die Fortsetzung landwirtschaftlicher Aktivitäten möglich machen.

Unabdingbar für Hilfsmaßnahmen in dieser Größenordnung ist es, dass die Vereinten Nationen handlungsfähig sind. Die Bundesregierung unterstützt daher den Zentralen Nothilfefonds der Vereinten Nationen (CERF), der in solchen Krisen schnell und gezielt Hilfsmaßnahmen unterstützt. Allein 2016 haben wir 50 Millionen Euro für den CERF bereitgestellt.

Deutschland ist einer der größten humanitären Geber weltweit und leistet seinen Beitrag, damit Menschen, die von Krisen, Gewalt und Katastrophen betroffen sind, ein Überleben in Würde möglich ist.

Die international gestiegene Verantwortung Deutschlands spiegelt sich auch in der humanitären Hilfe der Bundesregierung wider. Das werden wir auch in diesem Jahr beherzigen.

Ich muss aber auch sagen: Deutschland kann diese Katastrophen nicht alleine abwenden; hier ist eine starke internationale Gemeinschaft und enge Zusammenarbeit gefordert. Deshalb führen wir viele Gespräche mit anderen Gebern und mit Hilfsorganisationen. Auch andere Geber müssen zu ihrer Verantwortung stehen und nun mehr Mittel und Engagement für humanitäre Hilfe bereitstellen.

Ich habe deshalb heute gemeinsam mit den großen Hilfsorganisationen nach Berlin eingeladen: Unser Berliner Appell soll auch ein Weckruf für die internationale Gemeinschaft sein.

Hungerkrisen sind keine plötzliche Naturkatastrophe. Wir müssen die Widerstandsfähigkeit der Menschen stärken, um zu verhindern, dass sich solche Krisen wiederholen. Auch müssen wir gemeinsam mit unseren Partnern unser politisches Engagement zur Beilegung der Krisen ohne Nachlass vorantreiben und die Stabilisierung der fragilen Regionen fortsetzen. Es ist ein Bündel von kurz- mittel- und langfristigen Maßnahmen notwendig, um die Krisen solchen Ausmaßes zukünftig zu verhindern.

Jetzt aber gilt: Wir müssen uns der wachsenden Herausforderung durch mehr Verantwortung stellen. Denn Hunger wartet nicht auf eine politische Lösung. Nur mit schneller humanitärer Hilfe lässt sich eine Katastrophe noch größeren Ausmaßes verhindern.

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