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Rede von Außenminister Guido Westerwelle in der Debatte zum Haushalt des Auswärtigen Amts, Deutscher Bundestag, 24. 11. 2010

24.11.2010 - Rede

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich möchte vorab zwei Bemerkungen machen. Zunächst einmal möchte ich mich sehr herzlich bei den Berichterstattern bedanken. Sehen Sie es mir bitte nach, dass ich mich, ohne die anderen Kollegen zurücksetzen zu wollen, besonders bei dem Hauptberichterstatter, Herrn Frankenhauser, bedanke. Ich bitte Sie, ihm auch meine persönlichen Genesungswünsche zu übermitteln. Ich weiß, dass er gerne an dieser Debatte teilnehmen würde. Herzlichen Dank für diese Arbeit!

Meine zweite Vorbemerkung richte ich an Frau Wieczorek-Zeul. Es hat schon etwas Satirisches, wenn man elf Jahre lang Verantwortung für die Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates gehabt hat

und dann nach wenigen Monaten in der Opposition diejenigen, die jetzt regieren, auf die Anklagebank setzt, obwohl man selber nichts zustande gebracht hat.

Ich muss Ihnen sagen, Frau Wieczorek-Zeul: Elf Jahre lang saßen Sie da. Wenn Sie sagen, diese Regierung schraube die Waffenexporte nach oben und bauen das hier als Kulisse auf, dann darf ich einmal auf Folgendes aufmerksam machen: Jede Waffe, die derzeit ins Ausland exportiert wird, wurde nicht von dieser Regierung projektiert, sondern im Schnitt in den sieben Jahren von Rot-Grün. Das geht nämlich nicht von jetzt auf gleich. Das, was Sie hier heute beklagen, liegt also in Ihrer Verantwortung. Das ist abenteuerlich.

Meine Damen und Herren, Deutschland ist vor wenigen Monaten in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gewählt worden. Das ist ein Erfolg der deutschen Außenpolitik; aber es ist noch viel mehr ein Erfolg Deutschlands in der Welt. Es ist ein Vertrauensbeweis. Es zeigt, welches hohe Ansehen wir haben. Noch niemals musste sich Deutschland einer solchen Abstimmung stellen, in der es mehr Kandidaten als Plätze gab.

Wir haben uns im ersten Wahlgang in einer geheimen Abstimmung mit einer Zweidrittelmehrheit gegen sehr respektable Kandidaten durchgesetzt. Das zeigt, dass das Ansehen Deutschlands in der Welt hoch ist. Daran haben sehr viele Anteil, aber auch die Regierung. Ich denke, bei allem, was eine Opposition immer mäkeln muss, könnten Sie dies auch anerkennen. Wir können stolz sein auf das Ansehen, das Deutschland in der Welt genießt.

Natürlich geht es im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen besonders um die Frage der Konfliktprävention und der Konfliktlösungen. Die Welt ist alles andere als friedlich. Deswegen will ich an dieser Stelle klar zum Ausdruck bringen: Wir sind sehr besorgt über die gestrigen Vorfälle auf der koreanischen Halbinsel. Den nordkoreanischen Artillerieangriff auf die Insel Yeonpyeong verurteilen wir scharf.

Eine solche Aggression ist durch nichts zu rechtfertigen. Die internationale Staatengemeinschaft lässt sich nicht erpressen. Wir fordern Nordkorea auf, das Waffenstillstandsabkommen zu beachten und zu völkerrechtsmäßigem Handeln zurückzukehren. Deshalb hat das Auswärtige Amt heute den nordkoreanischen Botschafter einbestellt. Die besonnene Reaktion des südkoreanischen Präsidenten Lee begrüßen wir ausdrücklich. Ich darf darauf setzen, dass das die Haltung nicht nur der Regierung, sondern des ganzen Hauses ist.

Es gibt viele regionale Konflikte, und wir werden in den nächsten beiden Jahren im Weltsicherheitsrat eine Menge Arbeit haben. Wir werden uns in Kürze mit dem Sudan befassen. Wir haben im Auswärtigen Ausschuss ausführlich darüber gesprochen. Heute Abend werden wir uns mit den Mandaten auseinandersetzen. Wir wissen, dass das auch in einem Zusammenhang mit regionaler Instabilität steht. Somalia, die Probleme im Jemen, das ist uns allen hier bekannt. Wir können auf die Debatte am heutigen Abend verweisen.

Zwei Bereiche möchte ich aber besonders herausgreifen. Das ist zum einen der Nahe Osten. Wir befinden uns in einer sehr wichtigen und sehr schwierigen Entscheidungsphase, was die wiederaufgenommenen direkten Friedensgespräche angeht. Die Bundesregierung appelliert an alle Beteiligten, alles zu unterlassen, was diese ohnehin schwierigen Friedensgespräche gefährden könnte. Wir setzen darauf, dass eine Zweistaatenlösung von allen Beteiligten forciert wird und dass in diese Richtung verhandelt wird.

Israels Sicherheit ist für uns nicht verhandelbar. Aber auch die Palästinenser haben ein Recht darauf, in einem eigenen Staat selbstbewusst leben zu können. Ich habe den Gazastreifen besucht; denn Gaza ist Teil einer Zweistaatenlösung. Wir appellieren an alle, die es angeht, erstens auf Gewalt zu verzichten, aber zweitens auch zuzulassen, dass die Bürgerinnen und Bürger in Gaza in vollem Umfange wieder in den Handelsaustausch mit ihrer Umgebung eintreten können. Import und Export müssen wieder zugelassen werden.

Der zweite Bereich, den ich in diesem Zusammenhang ansprechen möchte, ist Iran. Wenn man hier vor einem Jahr über Iran gesprochen hat, dann ist die Frage gestellt worden: Schafft es die internationale Politik, eine gemeinsame Haltung der Völkergemeinschaft zustande zu bringen? Genau das ist uns gelungen. Das ist nicht allein der Erfolg der deutschen Bundesregierung und deutscher Außenpolitik. Es ist auch dem umsichtigen und vor allen Dingen auch klugen und abgewogenen Verhalten vieler Beteiligter in der Welt geschuldet.

Wir haben auf vielen Konferenzen Russland und China überzeugen können, im Sicherheitsrat mit uns gemeinsam zu stimmen. Wir haben in Europa im Kreis der 27 Mitgliedstaaten dafür gesorgt, dass die Sanktionen gemeinsam getragen werden. Das hat vor wenigen Monaten niemand für möglich gehalten. Das zeigt: Die Welt ist in Bewegung, und die Welt will nicht zusehen, dass sich der Iran atomar bewaffnet. Eine atomare Bewaffnung des Irans ist für die internationale Völkergemeinschaft nicht akzeptabel; das können wir nicht akzeptieren. Deswegen brauchen wir eine geschlossene Haltung der internationalen Völkergemeinschaft in diesem Zusammenhang. Ich begrüße, dass es zu dieser geschlossenen Haltung gekommen ist.

Wir wollen nicht, dass sich immer mehr Staaten atomar bewaffnen. Dabei geht es nicht um irgendwelche fernen Regionen, sondern um unsere Sicherheit hier in Deutschland. Je mehr Staaten sich atomar bewaffnen, desto instabiler wird die Welt und desto größer ist die Gefahr, dass Terroristen Zugriff auf Nuklearwaffen bekommen. Man mag sich gar nicht ausmalen, welch eine Gefährdung das für die Menschheit darstellte. Deswegen setzt die Bundesregierung auf nukleare Nichtverbreitung und auf Abrüstungspolitik. Es sind zwei Seiten derselben Medaille.

(...)

Was den Iran angeht: Aus unserer Sicht ist es von großer Bedeutung, an den Iran zu appellieren, dass die beiden deutschen Staatsbürger, die dort derzeit in Haft sitzen, möglichst umfassend ‑ auch konsularisch ‑ betreut werden und dass Anwälte Zugang haben. Ich möchte Ihnen versichern, dass wir alles daransetzen, dass diese beiden deutschen Staatsbürger so schnell wie möglich wieder in unser Land zurückkehren. Dies ist die klare Erwartungshaltung der Bundesregierung und ‑ darin bin ich sicher ‑ nicht nur der Fraktionen, die sie tragen.

Wir haben aber auch in Europa verschiedene Fragen zu besprechen. Ich werde an dieser Stelle das Thema Afghanistan nicht weiter ausführen. Es ist oft angesprochen worden. Nur ein kleiner Hinweis sei mir erlaubt. Wir haben oft grundsätzlich über Wahlen gesprochen. Heute sind die Wahlergebnisse bekannt geworden.

Wenn man in Rechnung stellt, dass zum ersten Mal Wahlen in afghanischer Verantwortung stattfinden, dann ist es bemerkenswert, dass die afghanischen Stellen selbst den Vorwürfen des Wahlbetrugs konkret nachgehen. Das hat auch Konsequenzen, und es wird nichts vertuscht. Vielmehr decken afghanische Stellen selbst Wahlbetrug auf. So wurden zum Beispiel 27 Abgeordneten die Mandate aberkannt, weil sie nicht rechtmäßig zustande gekommen sind. All das muss man, wenn man die Lage differenziert bewertet, anerkennend feststellen.

Das sind Fortschritte, die gesehen werden müssen, neben all den Rückschlägen, die es natürlich auch gibt.

Es gibt aber auch Konflikte in Europa. Ich nenne Transnistrien und Georgien. Die Rede des Präsidenten vor dem Europäischen Parlament ist angesprochen worden. Es war eine wichtige, bemerkenswerte Rede. Im westlichen Balkan ‑ Herr Kollege Polenz war so freundlich, darauf hinzuweisen ‑ haben wir große Fortschritte machen können. Es ist uns gelungen, Serbien zu einem Politikwechsel in Sachen Kosovo zu bewegen. Das ist ein gemeinsamer Erfolg Europas.

Entscheidend ist natürlich auch ‑ damit will ich schließen ‑, was aus Europa wird. Ich will dazu ganz klar eine Erklärung für die Bundesregierung, aber auch für mich ganz persönlich abgeben. Man hat es im Augenblick nicht leicht, wenn man nach Europa schaut. Trotzdem kann ich uns nur raten, Europa zu keiner Stunde in der Substanz infrage zu stellen.

Wenn wir hier über regionale Konflikte sprechen, über die des westlichen Balkans beispielsweise, dann kann ich nur dazu aufrufen, nicht nur zu fragen, welche Schwierigkeiten wir mit Europa haben, sondern auch daran zu denken, welches Glück wir mit Europa haben. Dass wir hier friedlich leben können, von Freunden umgeben sind, hat vor allen Dingen etwas mit Europa zu tun.

Auch dass wir wieder als Mitglied der europäischen Gemeinschaft und der Völkergemeinschaft anerkannt sind, hat etwas mit Europa zu tun. Wenn die deutsche Bundesregierung dafür sorgen will, dass auch private Gläubiger an den Kosten der Krise beteiligt werden, also nicht jedes Investitionsrisiko auf den Steuerzahler abgewälzt werden kann, dann ist das die beste Wahrnehmung europäischer Interessen.

Nicht nur die Interessen deutscher Steuerzahler werden wahrgenommen, sondern es werden die Interessen aller europäischen Steuerzahler wahrgenommen. Deswegen weise ich die Kritik von Präsident Barroso in aller Form hier im Deutschen Bundestag zurück.

Abrüstungspolitik ist eine wichtige Frage. Ob es Ihnen gefällt oder nicht, wir müssen feststellen, dass wir in der Abrüstungspolitik Fortschritte gemacht haben. Es mag Ihnen nicht genug sein, was jetzt bei dem NATO-Gipfel herausgekommen ist. Sie finden für jede Position immer einen Kronzeugen. Aber eines stelle ich fest: Die letzte strategische Schrift der NATO wurde 1999 verabschiedet. Damals, als Sie Verantwortung trugen, hat die Abrüstung keine Rolle gespielt. Dieses Mal ist sie ein zentrales Anliegen der NATO. So viel Abrüstung gab es in der NATO noch nie.

Wir werden diesen Weg fortsetzen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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