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Rohstoffknappheit als sicherheitspolitische Herausforderung - Rede von Staatsminister Gloser anlässlich des 4. Regionalen Sicherheitsforums „Manama-Dialog“

08.12.2007 - Rede

Das Spektrum der außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen hat sich in den letzten Jahren erheblich vergrößert: Mit der zunehmenden Knappheit an Rohstoffen und dem einsetzenden Klimawandel sehen wir uns mit neuen Problemen konfrontiert, die ein massives Konfliktpotential bergen. Diese Herausforderungen gehen uns alle an. Wir alle sind aufgerufen, zu ihrer Lösung beizutragen.

Das wird nicht einfach sein. Die Nachfrage nach Energieträgern in der industrialisierten Welt ist hoch und wird weiter steigen. Heute verbrauchen die Industrieländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) mit 15 Prozent der Weltbevölkerung rund 56 Prozent des Erdöls, 60 Prozent des Erdgases und 50 Prozent anderer mineralischer Rohstoffe.

Der Verbrauch steigt: Das Wachstum der großen Schwellenländer wie China und Indien, aber auch Russland führt zu enormen Zuwächsen. Für ihre Industrialisierung und Modernisierung benötigen diese Staaten Energiemengen, die den Bedarf in den alten Industrieländern in den Schatten stellen werden. Ebenso stimulieren sie die Wirtschaften der klassischen Industriestaaten und damit deren Energieverbrauch.

Die dadurch hervorgerufene Sorge um Rohstoffvorräte trägt dazu bei, weltweit die Gewichte und Bedeutung von Staaten und Regionen zu verändern. Andere Kontinente und Regionen rücken in den Vordergrund, denken wir nur an Afrika und Zentralasien. Wir sind Zeugen eines zunehmenden globalen Wettbewerbs um Ressourcen, unter anderem in Zentralasien, Afrika und Lateinamerika. Im Rohstoffsektor sehen wir eine Konzentration von wenigen Unternehmen einerseits und staatlichen Monopolen andererseits; beides schränkt einen fairen globalen Wettbewerb ein. Diese Entwicklungen bergen sicherheitspolitische Risiken, denen wir uns stellen müssen.

Wie also mit Ihnen umgehen?

Ich möchte mich hier auf einige Bemerkungen zu den drei – untrennbar miteinander zusammenhängenden – Komplexen Energie, Wasserversorgung und Klimawandel konzentrieren.

I.

Im Hinblick auf das Problem der Energiesicherheit muss es darum gehen, einen globalen Interessenausgleich zu erreichen. Ein globales Forum kann dabei hilfreich sein. Mit dem Internationalen Energieforum in Riad haben wir bereits ein Gremium geschaffen, das einen Dialog zwischen Förder- und Verbraucherländern ermöglicht. Dieser sollte ausgeweitet und von Öl auch auf Gas erweitert werden.

Auch haben uns die Ereignisse der beiden letzten Jahre bei Öl und Gas gezeigt, dass wir für den Konfliktfall verlässliche Schlichtungsmechanismen benötigen. Die Überwindung möglicher Konfrontationen zwischen Produzenten- und Transitstaaten ist von entscheidender Bedeutung.

Wir alle kennen die Problematik um die Ratifikation der Energiecharta. Noch immer hat keiner der großen Energieexporteure die Charta ratifiziert. Dennoch enthält die Energiecharta ein wertvolles Instrumentarium zur Streitschlichtung, das sich in vielen Fällen als hilfreich erweisen könnte, und zwar für alle Seiten.

Gibt es Möglichkeiten, zumindest diesem Instrumentarium zum Durchbruch zu verhelfen?

Ein weiterer wichtiger Baustein ist Energieeffizienz. Sie ist ein ganz entscheidender Betrag zu mehr nationaler aber auch zu mehr globaler Energiesicherheit. Nicht nur in Deutschland und Europa gibt es viel zu optimieren. In Deutschland haben wir mit unserem nationalem integriertem Energie- und Klimapaket und den Beschlüssen des Frühjahrsrates der EU während unserer Ratspräsidentschaft sicher schon eine beachtliche Wegstrecke zurückgelegt.

Weltweit sind bei Energieeffizienz ernorme noch immer vernachlässigte Einsparpotentiale vorhanden. Energieimportierende Staaten können dabei hohe Summen einsparen und dies häufig ohne high-tech und mit geringen Investitionen. Damit ist Energieeffizienz gerade für ärmere Länder ein Schlüssel zum wirtschaftlichen und sozialen Erfolg.

Für die Energieexporteure lassen sich die Verluste bei der Energieförderung bzw. beim Energietransport enorm reduzieren, mit der Folge länger ausreichender Vorräte und höherer Exporteinnahmen. International gesehen, gibt es daher durch mehr Energieeffizienz nur Gewinner! Dazu gehört –gerade vor dem zeitlichen Hintergrund von Bali- insbesondere auch unser Klima.

Ein weiterer Schlüssel zu Energiesicherheit sind die erneuerbaren Energien. Sie haben gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern ein noch unausgeschöpftes Potenzial. Gerade hier werden solche Energieträger aber auch schon lange traditionell eingesetzt: Wasserkraft und Biomasse in Form von Holz zählten schon immer zu den am weitesten verbreiteten Energieträgern. Diese einer effizienten Nutzung zuzuführen, ist nicht nur wirtschaftlich vernünftig, sondern sicherheitspolitisch ein Beitrag zu mehr Stabilität. Wir müssen zudem weltweit über wirksame Mechanismen nachdenken, die es ermöglichen und sicherstellen, dass auch die modernen erneuerbaren Energien wie Wind- und Solarenergie weltweit zugänglich werden.

II.

Das bringt mich zu meinem zweiten Thema, dem Klimawandel. Es ist notwendig mit dem Thema Energiesicherheit verknüpft: Der Klimaschutz ist sozusagen die andere Seite der Medaille von Energiesicherheit.

Lassen Sie mich deutlich sagen: Die Tiefe und Tempo des Klimawandels sind dramatisch, und die Zeitfenster zum Handeln sind noch knapper als befürchtet.

Wer sieht, welche Dimension heute Wassermangel, Wüstenbildung und Gletscherschmelze als Folge des Klimawandels haben, der begreift, warum der Klimawandel schon heute in vielen Regionen der Welt Ursache von Krisen ist, gefährliche Konfliktpotentiale schafft und bestehende Konflikte verschärft.

Der Klimawandel wird unser aller Leben verändern. Extreme Wetterereignisse werden zunehmen, Städte und ganze Regionen könnten unbewohnbar werden, verheerende Migrationsbewegungen würden die Folge sein. Einen Vorgeschmack auf die drohenden Katastrophen gab uns Mitte November der Wirbelsturm Sidr, durch den in Bangladesh in kürzester Zeit zehntausende Häuser, der größte Teil der Reisfelder, Lebensmittel und Trinkwasserquellen zerstört wurden, und im Juni dieses Jahres der Zyklon Gonu mit verheerenden Folgen für den Oman.

Und es besteht kein Zweifel: der Klimawandel stellt uns vor tiefgreifende sicherheitspolitische Probleme. Man schaue nur nach Afrika oder in den Nahen und Mittleren Osten, wo fast jeder Konflikt auch mit dem Zugang und der Verteilung von Ressourcen zu tun hat. Oder nach Zentralasien oder zum Nordpol: Überall zieht der Klimawandel Auseinandersetzungen um die Verteilung der natürlichen Ressourcen nach sich.

Daher gilt: eine vorausschauende Klimapolitik ist Friedenspolitik! Ein wirksamer Klimaschutz von heute verhindert die Ressourcen- und Klimakonflikte von morgen!

Deutschland und die Europäische Union setzen sich daher dafür ein, dass wir ein umfassendes Klimaschutzabkommen unter dem Dach der Vereinten Nationen aushandeln und beschließen. Wichtige Vorarbeiten dafür haben wir bereits geleistet. In den Verhandlungen auf Bali kämpfen wir dafür, dass ein ehrgeiziger internationaler Vertrag möglich wird, der nach 2012 die Grundlage für globale Emissionsminderung darstellt.

III.

Vorausschauende Außenpolitik des 21. Jahrhunderts muss verhindern, dass aus der Frage des Zugangs zu natürlichen Ressourcen politische Konflikte werden. Das ist die große Herausforderung, vor der wir Außenpolitiker stehen.

In Regionen wie dem Mittleren und Nahen Osten, dem subsaharischen Afrika und Zentralasien sehe ich diese Herausforderung in einem besonderen Maße auch beim Wassermanagement. Lassen Sie mich auch zu diesem Aspekt abschließend einige Worte sagen.

Die Sprengkraft des Problems ist gewaltig. Allein auf unserem Nachbarkontinent Afrika könnten durch die Klimaerwärmung im Jahr 2020 bis zu 250 Millionen Menschen unter Wassermangel leiden. Mit gravierenden Folgen für Ernährung, Landwirtschaft und Entwicklung dieser Länder.

Der veränderte Wasserhaushalt der Welt kann zu Überschwemmungen in Küstenstädten Indiens oder Chinas führen und für einige Inseln der Ozeane sogar existenzbedrohend sein.

Wasser und Sicherheit, das sind synonyme Begriffe.

Deutschland gehört daher seit vielen Jahren mit über 350 Millionen Euro pro Jahr zu den größten Gebern im Wassersektor. Im Zentrum stehen hierbei Projekte der Trinkwasserversorgung und der Wasserforschung. Das Jahr 2008 haben die Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Sanitären Grundversorgung ausgerufen.

Deutschland wird daher 2008 hier einen besonderen Schwerpunkt seiner Förderung im Wasserbereich setzen. Wir leisten damit einen aktiven Beitrag zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen im Bereich Wasser, nämlich: Die Halbierung des Anteil der Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung bis zum Jahr 2015.

Im Rahmen der deutschen G8 Präsidentschaft hat Deutschland am letzten Montag zu einer erweiterten G8-Konferenz „Impulse der Außenpolitik für eine sichere Energieversorgung und den Klimaschutz“ nach Berlin eingeladen. Dort haben wir uns gemeinsam über den Beitrag der Außenpolitik zu mehr Stabilität bei der Energieversorgung und zur Klimasicherheit ausgetauscht. Deutschland wird sich auch weiterhin mit Nachdruck für die Erarbeitung nachhaltiger Lösungskonzepte einsetzen, die die spezifischen Anforderungen von Umwelt-, Entwicklungs- sowie Außen- und Sicherheitspolitik verbinden.

Die Lektion, die wir in den letzten Jahrzehnten gelernt haben, lautet: globale Herausforderungen erfordern globales Handeln. Deshalb wollen wir in Deutschland die Klima- und Energiepolitik zu einem Motor der internationalen Zusammenarbeit und der internationalen Stabilität machen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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