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Rede von Staatsminister Gloser vor der zweiten euro-afrikanischen Ministerkonferenz zu Migration und Entwicklung

25.11.2008 - Rede

Am 25. November 2008 fand in Paris die zweite Ministerkonferenz EU-Afrika zu Migration und Entwicklung statt. 80 Delegationen aus Europa und Afrika haben ein mehrjähriges Kooperationsprogramm beschlossen.
Staatsminister Gloser reist zur Zweiten Euro-Afrikanischen Konferenz zu Migration und Entwicklung
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Anrede,

(...) Vor zwei Jahren haben wir uns in diesem Rahmen in Rabat das erste Mal getroffen. Und es ist wichtig, dass wir heute das zweite Mal zusammenkommen, um Bilanz zu ziehen und das Fundament für weitere konkrete Schritte der Kooperation entlang der westafrikanischen Migrationsroute zu legen.

Das Phänomen der Migration ist nicht neu, rückt jedoch immer mehr in den Mittelpunkt der außenpolitischen Beziehungen zwischen Afrika und Europa. Die Europäische Union ist heute mit mehr als 1,4 Mio. regulären Migranten pro Jahr die attraktivste Zielregion für Arbeitnehmer, Studenten, Forscher, etc. Gleichzeitig ist Europa mit mehr als 330.000 Asylanträgen die Hauptzielregion für Schutzsuchende aus aller Welt.

Migration ist dabei zunächst eine Chance, eine Quelle der kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Bereicherung für unsere beiden Kontinente. Sie ist aber auch eine Quelle tief greifender Ungleichgewichte und menschlicher Tragödien. Migration hat vielfach ambivalente Auswirkungen: Legale Migration – gerade auch von Hochqualifizierten – kann den Ländern der EU helfen, den demographischen Wandel und daraus reduzierenden Arbeitskräftemangel abzufedern. Gleichzeitig ist sich die EU ihrer Verantwortung bewusst: Kehrseite dieser Entwicklung kann „Brain Drain“ in den Entwicklungsländern sein, v.a. in sensiblen Bereichen. Verpflichtung zu ethischer Rekrutierung soll dem entgegenwirken.

Wir sind uns alle darüber bewusst, dass wir diesen Herausforderungen nur wirksam begegnen können, wenn wir sie gemeinschaftlich annehmen und gemeinschaftlich handeln. Denn die klaren Unterscheidungen verschwimmen zunehmend: Traditionelle Herkunftsländer werden selbst zu Zielländern. Nur in Partnerschaft zwischen unseren Ländern können wir auf Dauer erfolgreich sein bei unserem gemeinsamen Streben, eine effiziente Migrationssteuerung zu erreichen.

Die Notwendigkeit eines aktiven Managements der Migration -statt eines passiven Erduldens- ist mittlerweile Konsens. Der Rabat-Prozess und die heutige Konferenz leisten dazu einen wichtigen Beitrag. Nachhaltigen Erfolg kann nur ein Ansatz haben, der alle Bereiche der Migrationsagenda ausgewogen in den Blick nimmt. Dazu gehört auch die gemeinsame Verpflichtung, den Schutz der Flüchtlinge und Migranten im Einklang mit den universell gültigen Menschenrechten und einschlägigen internationalen Normen sicherzustellen.

Die EU hat sich mit ihrem Gesamtansatz Migration einer solchen ausgewogenen Strategie seit drei Jahren verschrieben – durchaus mit Erfolg. Gerade auch der Rabat-Prozess ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass wir auf dem Weg einer Partnerschaft zwischen Herkunfts-, Transit und Zielländern gemeinsam bereits ein gutes Stück vorangekommen sind. Durch vertieften Dialog ist es gelungen, einen politischen Grundkonsens in Migrationsfragen zwischen der EU und westafrikanischen Staaten herauszubilden.

Die heute zu verabschiedende Erklärung gibt hiervon Zeugnis: Wir verpflichten uns darin, reguläre Migration zu organisieren, bei der Eindämmung irregulärer Migration zu kooperieren, und die Synergien zwischen Migration und Entwicklung besser zu nutzen. Wir verpflichten uns, dabei die menschliche Würde und die grundlegenden Rechte der Migranten und Flüchtlinge im Einklang mit internationalen Normen strikt zu achten. Wir verabreden uns, effektiv und vertrauensvoll zusammenarbeiten, um die Chancen, die in der Migration liegen, zu nutzen und die Risiken, die damit verbunden sind, zu minimieren. Idealerweise kann die vom ehemaligen UN-Generalsekretär Annan beschriebene „triple-win-situation“ für die Herkunfts- und Zielstaaten und für die Migranten selbst entstehen.

Politischer Konsens reicht jedoch nicht aus. Deshalb gehen wir heute noch einen Schritt weiter: Durch die Annahme eines mehrjährigen Kooperationsprogramms setzen wir uns konkrete Ziele, um sichtbaren Mehrwert zu erreichen. Dabei gilt es, den Bedürfnissen aller Partner Rechnung zu tragen und zu versuchen, zu einem für alle akzeptablen Ausgleich zu kommen. Es ist daher sinnvoll, dass das Kooperationsprogramm den Partnern die Wahl lässt, sich primär auf den Gebieten zu engagieren, die ihnen besonders vordringlich erscheinen und auf denen sie besondere Expertise aufweisen.

Dem Rabat-Prozess kommt damit Modellcharakter zu, weil sich der Ansatz, sich im regionalen Kontext anhand konkreter Migrationsrouten dem Thema Migration zu widmen, bewährt hat. Er hat uns ermöglicht, über das Stadium abstrakter Diskussionen hinaus ganz konkret gemeinsam nach Lösungsansätzen zu suchen. Wir sollten daher diesen Ansatz auch auf andere Migrationsrouten in Afrika und den östlichen und südöstlichen Nachbarregionen der EU anwenden.

Gleichzeitig müssen wir aber dafür Sorge tragen – wie die heutige Schlusserklärung zu Recht betont – angesichts der zahlreichen Prozesse des EU-Afrika Migrationsdialogs kohärent vorzugehen und Synergien zu nutzen. Wir stehen bei der Umsetzung der Erklärungen von Paris, Tripolis und Albufeira vor ähnlichen Herausforderungen. Es bietet sich daher an, den Prozess zur Implementierung der auf dem EU-Afrika Gipfel im Dezember 2007 verabschiedeten „Partnerschaft für Migration, Mobilität und Beschäftigung“ verstärkt als Rahmen zu nutzen.

Die Herausforderungen, die die weltweite Migration an uns stellt, werden auch in Zukunft nicht nachlassen. Im Gegenteil: Es ist damit zu rechnen, dass die Weltfinanzkrise Auswirkungen haben wird, die in ihrer Tragweite bisher nicht eingeschätzt werden können. Auch umweltbedingte Migration wird uns vermehrt beschäftigen: Der Klimawandel wird voraussichtlich zu erhöhtem Auswanderungsdruck in einigen Weltregionen führen.

All dies unterstreicht die Gültigkeit und Notwendigkeit des von uns gemeinsam beschrittenen Weges: Nationales Handeln reicht in unserer zunehmend globalisierten, grenzenlosen Welt nicht mehr aus. Wir brauchen internationale Kooperation und umfassende, multidimensionale Lösungen.

Ich bin überzeugt, dass das von uns in den vergangenen Jahren gemeinsam entwickelte Instrumentarium gute Voraussetzungen bietet, auch diesen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen. Der Europäische Pakt für Migration und Asyl ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die EU den Willen und die Fähigkeit hat, dies zu tun.

Ich wünsche uns allen ein gutes Gelingen der Konferenz.

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