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Wir Deutschen haben Vertrauen in Frankreich

20.03.2015 - Interview

Beitrag von Außenminister Frank-Walter Steinmeier für die französische Tageszeitung Les Echos. Erschienen am 20.03.2015

Beitrag von Außenminister Frank-Walter Steinmeier für die französische Tageszeitung Les Echos. Erschienen am 20.03.2015

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Als ich neulich in meinem Kalender blätterte, habe ich festgestellt, dass praktisch keine Woche - manchmal kein Tag - ohne ein Gespräch mit Laurent Fabius vergangen ist, kein Monat ohne ein Treffen oder eine gemeinsame Reise. Das zeigt zum einen, wie intensiv unsere gemeinsamen diplomatischen Bemühungen um Konflikt- und Krisenbewältigung sind. Es zeigt aber auch, dass die enge Partnerschaft mit Frankreich Teil der DNA deutscher Politik ist. Die schrecklichen Attentate in Paris habe ich erlebt als wäre ich Franzose, der Protestruf „nous sommes tous Charlie“ hat dieses Gefühl gut ausgedrückt.

Die Anschläge galten unseren fundamentalen Werten: Freiheit, Selbstbestimmung, Toleranz, friedliches Zusammenleben der Völker und Religionen. Der aktive Einsatz für diese Werte eint Deutschland und Frankreich, er ist Lehre und Aufgabe aus unserer Geschichte. Ich sehe es auch als eine historische Verpflichtung an, dass wir uns jeder Form von Diskriminierung, Antisemitismus und Rassismus entschieden entgegen stellen. Laurent Fabius und ich wollen unser Engagement hierfür fortsetzen.

In der Ukrainekrise engagieren sich Frankreich und Deutschland seit dem ersten Tag für einen friedlichen Ausweg. Bei zahlreichen gemeinsamen Reisen nach Kiew und Moskau und in enger Kooperation mit unseren EU-Partnern suchen wir nach Möglichkeiten, für das Land einen dauerhaften Waffenstillstand zu erreichen und die Voraussetzungen für eine friedliche Zukunft zu schaffen.

Seit‘ an Seite stellen wir uns dem Terror im Nahen und Mittleren Osten entgegen. In Afrika werben wir für einen vernetzten Ansatz bei Stabilisierung und Entwicklung. Deutschland und Frankreich engagieren sich für eine bessere Zusammenarbeit mit den Nachbarn der EU, im Süden wie im Osten. Auch deshalb waren Laurent Fabius und ich gemeinsam in Tunesien, in Georgien und Moldau.

Die Europäische Union bleibt das Fundament der deutsch-französischen Zusammenarbeit, sie ist die Quelle unserer Stärke. Deshalb ist es wichtig, die Manipulationsversuche der Populisten zu entlarven, die Europa schwächen wollen und behaupten, Staaten seien im Alleingang stärker als im europäischen Verbund.

Unsere außenpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten sind eng verbunden mit der wirtschaftlichen Entwicklung. In Deutschland stehen wir mittel- und langfristig vor grundlegenden Herausforderungen wie Energiewende, digitale Revolution, demographischer Wandel. Die niedrige Geburtenrate in unserem Land senkt die Chancen auf zukünftiges Wachstum und Wohlstand. Wir haben außerdem Nachholbedarf bei den Investitionen in den Erhalt unserer Infrastruktur. Von Frankreich können wir in diesen Bereichen lernen: bei der Unterstützung von Familien, bei Kinderbetreuung und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch mit Blick auf eine effiziente Verkehrsinfrastruktur.

Frankreich hat einen schwierigen Reformprozess begonnen, mit dem das Land zukunftsfest gemacht werden soll. Ich weiß aus eigener Erfahrung in Deutschland, wie schwierig wirkliche Strukturreformen durchzusetzen sind. Alle mussten beitragen: Politik, Unternehmen und Arbeitnehmer. Wir haben auch erkennen müssen, dass die Anstrengungen erst mit Verzögerung Früchte tragen. Es braucht Mut, Entschlossenheit und einen langen Atem, um Reformen zu Ende zu führen.

Aber es lohnt sich. Die Reformen, die derzeit in Frankreich auf den Weg gebracht werden, und die übrigen Projekte der Regierung, schaffen Wachstum. Wachstum schafft Arbeitsplätze und höhere Löhne. Ich bin überzeugt, dass Frankreich mit seinem Reformprozess auf dem richtigen Weg ist und das Vertrauen seiner europäischen Partner verdient hat.

Der deutsch-französische Ministerrat wird in wenigen Tagen in Berlin stattfinden. Wir wollen unseren Austausch und unsere Abstimmung fortsetzen und sehen, wo und wie wir unsere gemeinsame Position stärken können - im Interesse der Menschen sowie für ein starkes Frankreich, ein starkes Deutschland und ein starkes deutsch-französisches Tandem.

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