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Ansprache von Außenminister Frank-Walter Steinmeier beim Konzert zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust „Violins of Hope

27.01.2015 - Rede

Verehrter Sir Simon,
Sehr geehrter Botschafter Hadas-Handelsman,
Lieber Martin Hoffmann,
Liebe Zeruya Shalev,
Lieber Amnon Weinstein,
Liebe Gäste!

Vollkommenes Unglück lässt sich ebenso wenig erlangen wie vollkommenes Glück, so hat es Primo Levi einmal ausgedrückt.

Er, der die Hölle von Auschwitz selbst durchlitten hatte, wusste, wovon er sprach. Auschwitz ist zum Inbegriff der Unmenschlichkeit geworden. Dieser Ort steht wie kein anderer für das Menschheitsverbrechen der Shoa, für den millionenfachen Mord an Europas Juden, den Deutsche begangen haben.

Die Instrumente, die heute Abend erklingen, sind Zeugen der Shoa.

„Wenn meine Geigen auf der Bühne sind, dann stehen dahinter sechs Millionen Menschen.“

Das haben Sie, lieber Amnon Weinstein, einmal gesagt. Es sind Instrumente jüdischer Musiker, die von den Nazis vertrieben oder ermordet wurden. Sie, Amnon Weinstein, haben die Instrumente über Jahrzehnte gesammelt und liebevoll restauriert. Jede einzelne dieser Geigen erzählt eine Geschichte. Eine Geschichte von Verfolgung, Vertreibung und Tod.

Da ist die sogenannte Drancy-Violine, benannt nach dem berüchtigten Sammellager bei Paris, von dem Zehntausende französische Juden per Eisenbahn in Vernichtungslager gebracht wurden. Ein Deportierter warf seine Geige noch vom Zug auf den Bahnsteig, und rief den Wartenden zu: „Nehmen Sie meine Geige! Wo ich hingehe, wird sie nicht lange bestehen.“

Die Violinen singen schmerzvolle Geschichten von unvorstellbarem Unglück.

Doch wenn israelische und deutsche Künstler die Geigen der Shoa heute erklingen lassen, dann ertönt mit ihnen eben auch eine Botschaft der Hoffnung und der Zuversicht, an die auch Primo Levi gedacht haben mag.

***

Heute vor 70 Jahren befreite die Rote Armee das Vernichtungslager Auschwitz. Die Hölle von Auschwitz kam an ihr Ende. Und die Welt wurde Zeuge des unvorstellbaren Grauens.

Lieber Yehuda Bacon,
liebe Margot Friedlander,
liebe Brigitte Ryba,
lieber Oljean Ingster,
liebe Eva Fahidi,

Sie gehören zu den wenigen, die das Grauen der Shoa überlebt haben. Dass Sie diesen Tag der Hoffnung hier in unserer Mitte verbringen, bewegt uns zutiefst. Und es ermutigt uns. Seien Sie uns herzlich willkommen.

Lieber Herr Botschafter Hadas-Handelsman, noch etwas macht mich heute Abend hoffnungsvoll. In diesem Jahr feiern wir das 50. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel.

Dass uns Israel die Hand reichte, nach der Hölle von Auschwitz, kam für uns Deutsche einem Wunder gleich. Dieses Wunder ist Wirklichkeit geworden. Wie, darüber ist an anderer Stelle zu reden. Wer sich heute bei den Kreativen in Berlin oder in den Musikclubs von Tel Aviv umschaut, der sieht, wie eng gerade junge Deutsche und Israelis verbunden sind. Diese besondere, diese wahrhaft „wunder“-bare Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern wollen wir in diesem Jahr gemeinsam feiern.

Meine Damen und Herren,

wenn gleich die „Violins of Hope“ erklingen, dann hören Sie Melodien von Trauer, Hoffnung und dem unstillbaren Willen zu leben. Aber hören Sie bitte auch, dass sie uns mahnen: „Nie wieder!“

Das ist unsere Verantwortung, eine Verantwortung, die wir in den Generationen der Kinder und Kindeskinder weitergeben müssen: Nie wieder dürfen wir zulassen, dass jüdische Mitbürger sich in unserem Land bedroht fühlen müssen. Und nie wieder dürfen wir zulassen, dass andere den Boden bereiten für neuen Antisemitismus und Ausländerhass.

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