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Rede von Staatsministerin Pieper in Nanjing (18. November 2009)

18.11.2009 - Rede

Sehr geehrte Frau Prof. Wu Qidi,

sehr geehrter Herr Zhang Tiabao,

sehr geehrter Herr Staatssekretär Mertens,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

Der chinesische Philosoph Xun Zi hat uns einen klugen Gedanken geschenkt: „Etwas nicht hören, ist nicht so gut, wie etwas hören. Etwas hören, ist nicht so gut, wie etwas sehen. Etwas sehen ist nicht so gut, wie etwas verstehen. Etwas verstehen ist nicht so gut, wie etwas vollbringen. Das Lernen gipfelt im Vollbringen.“

Dieses Wort lässt mich denken an Goethes Faust, der schreibt: „Im Anfang war die Tat.“

Und ich denke an das Motto, das die Menschen im August 2007 hier in Nanjing begeistert hat. Im August 2007 startete hier eine große deutsch-chinesische Veranstaltungsreihe unter dem Motto: „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“.

Meine Damen und Herren,

Xun Zi sagt es im 3. Jahrhundert vor Christi Geburt, Goethe sagt es im 19. Jahrhundert, im 21. Jahrhundert sagt es uns das Motto der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit: Es kommt darauf an, die Menschen zum Handeln zu bewegen, um die Dinge zu bewegen. Das Lernen gipfelt im Vollbringen.

Meine Damen und Herren,

ich freue mich sehr, Sie heute hier in Nanjing begrüßen zu dürfen. Die vierte „Qualification China“-Messe will Impulse für die deutsch-chinesische Bildungskooperation geben. Ich bin sicher: In den nächsten Tagen wird sich dank des Q Verbandes und Unternehmen wie Phoenix Contact viel bewegen.

Kaum eine Stadt könnte einen besseren Rahmen dafür bilden als Nanjing, eine Stadt voller Lebendigkeit und Dynamik, deren Bürger sich den Herausforderungen der Zeit stellen. Es kam nicht von ungefähr, dass Deutschland und China sich vor zwei Jahren entschieden haben, hier in Nanjing im August 2007 die dreijährige Veranstaltungsreihe „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“ zu starten. Ich möchte noch einmal daran erinnern: Nanjing war vor gut zwei Jahren Gastgeber für ein historisches Ereignis: Der Auftakt von „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“ war der Start dergrößten Veranstaltung dieser Art, die Deutschland jemals gemeinsam mit einem seiner Partner auf die Beine gestellt hat.

Es ging uns bei „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“ von Anfang an darum, gemeinsam nach Lösungen zu suchen für eine der größten Herausforderungen der Menschheit. Ich meine damit: die fortschreitende Urbanisierung. Denn Metropolen wie Nanjing sind Impuls. Sie sind aber gleichzeitig drängende Herausforderung. Wenn der Pulsschlag der Metropole - und nicht mehr der Wechsel der Jahreszeiten - den Lebensrhythmus der Mehrzahl der Menschen bestimmt, dann müssen wir uns gemeinsam fragen: „Wie gelingt nachhaltige Stadtentwicklung“?

Über 800.000 Menschen haben seit August 2007 die „Deutsch-Chinesischen Promenaden“, besucht, durch die unsere Vision der nachhaltigen Stadtentwicklung erfahrbar wird. 200.000 Besucher waren es allein hier in Nanjing. Wir hoffen, dass wir viele Menschen bewegt haben, wenn im Jahr 2010 das Projekt „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“ mit der EXPO in Shanghai seinen Höhepunkt erreicht. Und wir sind zuversichtlich.

Das Lernen wird im Vollbringen gipfeln.


Meine Damen und Herren,

„Deutschland und China – gemeinsam in Bewegung“ zeigt Ihnen: Deutschland ist ein Partner, der Lösungen liefert für globale Herausforderungen.

Das verlangt von unserer Generation vor allem eins: Lernen. Wir müssen bereit sein zu lernen - ein Leben lang, in verschiedenen Bereichen und vor allem gemeinsam. Denn nur, wenn wir in einer Welt, die uns gemeinsam vor Herausforderungen stellt, auch gemeinsam nach Lösungen suchen, können wir die drängenden Fragen unserer Zeit gemeinsam beantworten.

Lernen, Bildung und Ausbildung der Bürger sind die wahre Herausforderung für unsere Gesellschaften. Die Aufgabe des Staates ist es, die Infrastruktur dafür bereitzustellen, Schulen und Universitäten zu modernisieren, hoch motivierte und kenntnisreiche Lehrer und Ausbilder heranzubilden.

Ich möchte mit aller Kraft dazu beitragen – auch gerade in meinem neuen Amt - dass wir durch zukunftsweisende Projekte in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kultur unsere bilateralen Beziehungen unter der neuen Bundesregierung noch enger knüpfen.

Meine Damen und Herren,

zum zweiten Mal bin ich Schirmherrin der Q-China. Die Ausbildungsmesse schafft Raum und Angebot für das Modell der dualen Berufsausbildung made in Germany. Mit dem dualen System setzen wir erfolgreich auf die Verzahnung von theoretischer Ausbildung in der Berufsschule und praktischem Training in einem Betrieb. Wirtschaft und staatliche Bildung wirken hier Hand in Hand, um junge Menschen für Ihre Aufgaben in der Praxis auszubilden.

Das duale System hat etwas von der Philosophie Xun Zi's: „Das Lernen gipfelt im Vollbringen“.

Nicht wir allein sind vom Erfolg des Modells überzeugt, das die Q-China anbietet: Weltweit haben Partner sich für dieses Modell entschieden.

Die Bauakademie Nanjing hat schon 1982 das duale Ausbildungssystem eingeführt und sich damit einen ausgezeichneten Ruf erworben. Seit kurzem bildet auch die Deutsche Schule Shanghai im dualen System aus. In Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft in Shanghai, der Außenhandelskammer Shanghai und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag wurde im Schuljahr 2008/09 ein Berufskolleg gegründet, das nach Möglichkeit auch chinesischen Schülern geöffnet werden soll.

Die Q-China, die Bauakademie hier in Nanjing und das Berufskolleg Shanghai sind Beispiele für das, was ich eine globale Bildungspartnerschaft nenne. Bildungspartnerschaft bedeutet, das Deutschland Bildungsangebote der Zukunft gemeinsam mit seinen Partnern entwickeln will.

Denn Bildung schafft das, das Kohle und Stahl im 19. Jahrhundert waren: Wissen ist der Rohstoff der Zukunft. Mit Kohle und Stahl gestalteten Unternehmer im 19. Jahrhundert den Epochenwandel von der agrarischen zur Industrie-Gesellschaft. Im neuen Zeitalter der Globalisierung ist das Wissen der Rohstoff, der die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft sichert. Wachstum und Wohlstand einer Gesellschaft hängen heute maßgeblich davon ab, ob es gelingt, Menschen das Fachwissen und die Fähigkeit zur Kreativität zu geben. Das gelingt nur mit fundiertem Fachwissen und geistiger Flexibilität. Die OECD-Studie „The Sources of Economic Growth in OECD-Countries“ zeigt: die Unterschiede im Bruttoinlandsprodukt beruhen fast ausschließlich auf der Qualität des Humankapitals, der Unterschied liegt bei in der Qualität der Bildung.

Lassen Sie es mich so sagen: Die Zukunft einer Gesellschaft beginnt in den Klassenzimmern, nicht den Büros oder Fabrikhallen. Bereits im letzten Jahr habe ich auf der Q China mit Vizeminister Zhang die Initiative für die Errichtung einer „Sino-German Vocational School“ ins Leben gerufen. Dies ist auf fruchtbaren Boden gefallen, denn heute wird in Nanjing dazu der Grundstein gelegt.

Wer Fortschritt in der Breite will, muss Exzellenz in der Spitze fordern. Diese brauchen wir nicht nur an Unis, sondern auch in der beruflichen Bildung als Basis für das mittlere Management einer prosperierenden Wirtschaft in China. Deshalb gehört es zu einer guten Auswärtigen deutschen Bildungspolitik, Exzellenzzentren der beruflichen Bildung in Partnerschaft mit entsprechenden Kompetenzzentren der dualen Ausbildung in Deutschland zu initiieren. Dieser Aufgabe werde ich mich als Staatsministerin annehmen.

Lassen Sie uns für diese Zukunft die deutsch-chinesische Bildungspartnerschaft entwickeln. Die deutsch-chinesische Zusammenarbeit liefert großartige Beispiele für diese Partnerschaft:

Mein erstes Beispiel sind die 57 PASCH-Schulen in China:

Mit den Mitteln der weltweiten Initiative „Schulen – Partner der Zukunft“ hat das Auswärtige Amt gemeinsam mit seinen Partnern seit Februar 2008 den Deutschunterricht an 42 Schulen in China ausgebaut. An einigen Schulen sind für junge Chinesinnen und Chinesen sogar neue Deutschkurse eingerichtet worden. Allein in diesem Jahr haben über 2.000 Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit gehabt, an einem deutsch-chinesischen Schulaustausch teilzunehmen.

Ich freue mich besonders, dass ich der „Bauakademie Nanjing“ die Partnerschul-Plakette persönlich überreichen kann. Damit setzen wir ein Zeichen für unsere Bildungspartnerschaft.

Mein zweites Beispiel ist der akademische Austausch zwischen China und Deutschland:

Deutschland ist ein starker Bildungs- und Forschungsstandort, der Innovationsimpulse setzt. Die Förderung der akademischen Beziehungen mit unseren Partnern sind fester Bestandteil unserer Außenpolitik. Unsere Kultur- und Bildungspolitik ist eine tragende Säule der deutschen Außenpolitik – neben der klassischen Diplomatie und der Außenwirtschaftspolitik.

Während wir im Bereich der Außenwirtschaftsförderung den Handel mit „hardware“ ausbauen, setzt die Außenwissenschaftspolitik auf den Austausch der „software“, die in einer modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft immer wichtiger wird. Die Volksrepublik China ist dabei seit 30 Jahren einer der wichtigsten Partner Deutschlands:

Jährlich unterstützen das Auswärtige Amt und seine Partner, insbesondere der Deutsche Akademische Austauschdienst und die Alexander von Humboldt-Stiftung, Nachwuchs- und Spitzenwissenschaftler aus aller Welt mit Stipendien. Seit Gründung der Bundesrepublik konnten so über 700.000 ausländische Studierende und Wissenschaftler an deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen gefördert werden.

Deutsche und chinesische Studenten profitieren schon jetzt von einem beeindruckenden Netzwerk von über 400 Hochschulkooperationen. Das größte Projekt der Hochschulzusammenarbeit ist das Chinesisch-Deutsche Hochschulkolleg an der Tongji-Universität Shanghai.

Was 1973 mit dem Austausch einzelner Studierender begann, ist heute ein herausragendes Beispiel der Bildungspartnerschaft unserer Länder. Das Kolleg selbst wurde 1998 auf Initiative des Auswärtigen Amts und des chinesischen Bildungsministeriums gegründet. Zentral bei der Konzeption ist die Vernetzung mit der deutschen und zunehmend auch der chinesischen Wirtschaft. Durch die Einrichtung von nahezu 30 Stiftungslehrstühlen ist sie vorbildlich gelungen.

Ein weiteres Aushängeschild für unsere Zusammenarbeit ist das deutsch-chinesische rechtswissenschaftliche Institut hier an der Universität Nanjing. Viele deutsche Juristen kommen extra hierher, um Arbeiten über das chinesische Recht zu schreiben.

Vizepräsident Xi Jinping hat bei seinem Besuch in Deutschland Anfang Oktober 2009 darüber hinaus angekündigt, dass schon bald 600 deutsche Schüler an einem Einladungsprogramm der chinesischen Regierung teilnehmen können. Das ist eine zukunftsweisende Initiative der chinesischen Regierung für die deutsch-chinesische Bildungspartnerschaft.

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