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Laudatio von Staatssekretär Stephan Steinlein anlässlich der Verleihung des Internationalen Demokratiepreises 2014 an die Organisation Reporter ohne Grenzen am 18. November 2014 in Bonn

19.11.2014 - Rede

--es gilt das gesprochene Wort--

Lieber Jürgen Nimptsch,
Lieber Erik Bettermann,
Sehr geehrter Herr Rediske,
Sehr geehrter, lieber Herr Deloire,

verehrte Gäste,

zunächst möchte ich Ihnen die Grüße des Bundesaußenministers Dr. Frank-Walter Steinmeier übermitteln, der es sehr bedauert, bei dieser wichtigen Auszeichnung nicht persönlich anwesend sein zu können. Er hat sich aber die Zeit für eine persönliche Gratulation genommen:

[Einspielung einer Video-Botschaft]

Ich kann mich den Worten von Außenminister Steinmeier nur anschließen: Es ist gut, dass Journalistinnen und Journalisten dort sind, wo mancher Mächtige lieber unbeobachtet sein möchte. Und es ist gut, dass sie dort sind, wo nicht mehr Worte, sondern Waffen sprechen. Denn Freiheit und Demokratie brauchen ganz fundamental das offene Wort – auch das offene Wort aus Konfliktgebieten.

Und hierzu trägt Reporter ohne Grenzen bei - Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr.

Ein Beispiel: Haben Sie, verehrte Gäste schon einmal von „Radio Erena“ gehört?

Radio Erena ist ein unabhängiger Exil-Radiosender für Eritrea, einem Land, in dem bisher alle Medienberichterstattung staatlicher Kontrolle unterlag, in dem unabhängige Medien nicht geduldet werden. Dank Radio Erena, das mit Hilfe von „Reporter ohne Grenzen“ aufgebaut wurde, haben nun zehntausende Eritreer regelmäßig Zugang zu einer unabhängigen Nachrichtenquelle. Ein Beispiel von Hunderten für die unverzichtbare Arbeit und das unermüdliche Engagement von „Reporter ohne Grenzen“ für die Freiheit der Medien.

Der großartige Einsatz Ihrer Organisation, Herr Deloire, für Pressefreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung ist ein wichtiger Beitrag zur weltweiten Förderung der Demokratie. Starke und unabhängige Medien tragen entscheidend dazu bei, demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien zu vermitteln und sich für Menschenrechte einzusetzen. Dafür gilt Ihnen unser Dank.

Damit Medien ihre unverzichtbare Wächterrolle versehen können, brauchen sie aber auch eine solide wirtschaftliche Grundlage und eine gesellschaftliche Akzeptanz. Auch daran soll heute erinnert sein! Wir merken heutzutage in Deutschland und auch in vielen anderen westlichen Ländern, dass das keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Gestatten Sie mir deshalb ein paar Anmerkungen zur Lage der Presse in Deutschland – einem Land, dessen Zeitungen bisher viele Journalisten in die Welt hinaus geschickt haben.

Die deutsche Presselandschaft befindet sich in einer schweren Krise. In den vergangenen zehn Jahren ist das solide wirtschaftliche Fundament ins Rutschen geraten. Die Hälfte der Einnahmen aus Anzeigen gingen verloren, gleichzeitig schrumpfte die Auflage der Zeitungen und Zeitschriften um ein Drittel.

Bisher haben die Printmedien darauf vor allem mit Kürzungen reagiert – sehr viele davon betrafen auch die Auslandskorrespondenten. Wochenmagazine wie der Stern oder der SPIEGEL halbierten ihre Korrespondentennetze binnen 15 Jahren, auch die Nachrichtenagenturen dünnen ihr Personal aus.

Ich glaube, dass dies auf Dauer nicht der richtige Kurs ist, um Leser zu binden, die Geld für gute Geschichten zahlen wollen. Aber es geht mir hier nicht nur um betriebswirtschaftliche Fragen. Ich glaube, dass die Zeitungen sich darauf besinnen sollten, wie wichtig sie für Aufklärung, für Demokratie und Menschenrechte in der ganzen Welt sind. Dass ihre Reporter und Korrespondenten mehr tun, als bloß Reisespesen zu verursachen. Sie informieren ihre Leser, sie tragen auch dazu bei, eine Weltöffentlichkeit zu schaffen, in der Unrecht, Unterdrückung und Gewalt aufgedeckt, bloßgestellt und nicht geduldet werden.

Aber die deutschen Medien stecken nicht nur in einer ökonomischen, sondern auch in einer Glaubwürdigkeitskrise. In den sozialen Medien im Internet, aber auch in so manchen Bestsellern ist das Medienbashing zu einer Art Trend geworden. Das Deutungsmonopol der Zeitungen ist unter Druck geraten.

Ich will hier nicht im Detail der Frage nachgehen, woran das liegt. Mir ist etwas anderes wichtig, gerade mit Blick auf die Arbeit von „Reporter ohne Grenzen“: Medien stehen unter dem ständigen Druck der Erwartungen ihrer Leser. Ein guter Reporter muss wissen, für wen er schreibt. Er muss sich seiner Rolle und seiner Verantwortung gegenüber seinen Lesern bewusst sein. Nur eine fundierte, vielfältige und freie Berichterstattung wird auf Dauer die Rolle der Medien als Hüterin von Freiheit und Demokratie sichern. Und nur mit solcher Berichterstattung werden Medien auf Dauer auch wirtschaftlich erfolgreich sein!

Die Essenz der Pressefreiheit ist, verehrte Damen und Herren, dass Menschen frei und ohne Angst vor Vergeltung und Strafe ihre Meinung äußern können. Daran hat die Globalisierung nichts geändert, im Gegenteil. Demokratien und offene Gesellschaften sind auf den Zugang zu unabhängigen und vielfältigen Informationsquellen angewiesen.

Nur so kann verhindert werden, dass Politik schaltet und waltet wie sie will, dass Unrecht unter dem Schleier der Zensur verborgen bleibt.

Aber selbst wenn es mit Ihrer oder auch mit unserer Hilfe gelingt, freien und unabhängigen Medien hier und da mehr Spielräume zu verschaffen, sind damit nicht alle Fragen gelöst: Denn nur wenn die freie und unabhängige Presse in der Breite wirken kann, wenn sie von breiten Bevölkerungsschichten wahrgenommen wird, kann sie ihre ganze Kraft entfalten. Zugang zu unabhängigen Medien ist deshalb mindestens genauso wichtig, wie die unabhängigen Medien selbst.

Natürlich ist es gut, wenn sich in einem Land die gedruckte Presse frei entfalten kann. Wenn jedoch Radio und Fernsehen staatlich kontrolliert werden, ist damit oft noch nicht allzu viel gewonnen. Deshalb ist es keine gute Nachricht, dass trotz rapider technologischer Entwicklungen im Medienbereich immer noch etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung keinen Zugang zu freien Medien haben, zumeist in weniger entwickelten Regionen und Schwellenländern.

„Reporter ohne Grenzen“ arbeitet seit ihrer Gründung im Jahr 1985 daran, dass sich dieser Zustand ändert. Hierfür gebührt Ihnen Dank und Respekt! Es gibt in meinen Augen wenige Aufgaben, die schwieriger sind. Und es gibt wenige Aufgaben, die wichtiger sind.

Die Arbeit von „Reporter ohne Grenzen“ findet deshalb zu Recht große internationale Anerkennung. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass Ihre Organisation, Herr Deloire, Beraterstatus bei den Vereinten Nationen und der UNESCO genießt.

Besonders hervorheben möchte ich das Engagement all jener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von „Reporter ohne Grenzen“, die sich an vielen Orten der Welt mutig einsetzen und persönliche Risiken in Kauf nehmen, um Menschen- und Grundrechte zu verteidigen.

„Reporter ohne Grenzen“ leistet darüber hinaus wichtige Beiträge zur Sensibilisierung und Aufklärung durch Informationskampagnen, Berichte und die jährliche Veröffentlichung des „Press Freedom Index“, der nicht nur im Auswärtigen Amt aufmerksam gelesen wird.

Die von „Reporter ohne Grenzen“ in der jüngsten Jahresbilanz veröffentlichten Zahlen deuten darauf hin, dass die Bedrohung von Journalisten und neuerdings auch Bloggern neue, traurige Höchststände erreicht hat. 2012 wurden danach 88 Journalisten sowie 47 Blogger und Bürger-Journalisten bei ihrer Arbeit getötet. Dies war die höchste Zahl, seit „Reporter ohne Grenzen“ solche Jahresbilanzen 1995 zum ersten Mal veröffentlicht hat. 2013 wurden weltweit mehr als doppelt so viele Journalisten entführt wie 2012, ihre Zahl stieg auf 87 im Vergleich zu 38 im Vorjahr. Wegen ihrer Berufsausübung saßen Ende 2013 weltweit 178 Journalisten in Haft.

Dies sind alles bedrückende Zahlen hinter denen in jedem Einzelfall konkrete Schicksale mutiger Menschen stehen.

Dabei wollen wir auch nicht übersehen, dass die meisten Opfer dieser Gewalt eben gerade keine bekannten internationalen Journalisten sind. Häufig handelt es sich um einheimische Berichterstatter, die hier bei uns kaum jemand kennt und die den lokalen Machthabern oftmals nahezu schutzlos ausgeliefert sind.

Gerade deshalb ist es von großer Bedeutung, dass „Reporter ohne Grenzen“ Journalistinnen und Journalisten weltweit auf vielfache Weise unterstützt, unter anderem durch Trainingsmaßnahmen und dem Bereitstellen von Schutzausrüstung für gefährdete Reporter. Daneben fördert „Reporter ohne Grenze“ unabhängige Medien, die in einem schwierigen Umfeld angesiedelt sind, wie es bei „Radio Erena“ der Fall ist.

Ergänzt wird dieses Engagement durch weltweite Kampagnen, die sich direkt an Staatsoberhäupter, Minister und internationale Organisationen richten. Nicht ohne Grund hat „Reporter ohne Grenzen“ deshalb eine wesentliche Rolle gespielt bei der einstimmigen Annahme der UN-Sicherheitsratsresolution 1738 zum „Schutz von Journalisten in Krisengebieten“ am 14. Dezember 2006.

Ich wünsche mir von Herzen, dass wir uns alle durch den Anstieg der Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten nicht entmutigen lassen.

Deshalb: Machen Sie weiter mit ihrem beeindruckenden Einsatz für Demokratie und den Schutz der Grundfreiheiten! Bleiben Sie unbequem in ihrem Einsatz für die Pressefreiheit in der Welt! Und wenn es sein muss: Auch uns gegenüber!

Dazu wünsche ich allen Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern und Förderern von „Reporter ohne Grenzen“ weiterhin viel Energie, Mut und Ausdauer -und dort wo es brenzlig wird, das Glück und die Unterstützung, die es braucht, um diese Situationen heil und unbeschadet zu überstehen!

Ich danke Ihnen.

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