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Nicht abseitsstehen. Von Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel.

01.09.2014 - Interview

Gemeinsamer Beitrag von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier zur Debatte um Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga-Kämpfer in Nordirak. Erschienen im Handelsblatt (01.09.2014).

Gemeinsamer Beitrag von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier zur Debatte um Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga-Kämpfer in Nordirak. Erschienen im Handelsblatt (01.09.2014).

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Die Welt ist aus den Fugen geraten. Ganz besonders erschüttern uns die Nachrichten aus dem Irak. Mit unvorstellbarer Brutalität ist die Terrorgruppe ISIS auf dem Vormarsch, ermordet Frauen, Männer und Kinder. Zu Tausenden sind Menschen auf der Flucht.

Aber Erschütterung reicht nicht aus. Deshalb helfen wir dabei, die akute Not zu lindern – durch Notunterkünfte, Lebensmittel, Medikamente und andere Hilfsgüter, die die Bundeswehr seit letzter Woche nach Erbil fliegt. 25 Millionen Euro stehen dafür bereit.

Aber letztlich setzt die Wirksamkeit unserer humanitären Hilfe ein sicheres Umfeld voraus. Dazu muss der brutale Vormarsch der ISIS gestoppt werden. Die kurdischen Peschmerga stehen im Kampf gegen ISIS vor einem Gegner, der ihnen an Brutalität, aber auch an technologischer Ausrüstung überlegen ist. Um sich diesem Feind entgegenzustellen, fordern die kurdischen Kämpfer von uns nicht nur humanitäre, sondern auch militärische Unterstützung.

Für Konflikte wie diesen gibt es keine Schwarz-Weiß-Lösungen. Mehr Waffen bergen immer Gefahren. Sie können auf längere Sicht in falsche Hände gelangen. Andererseits gilt aber auch der Grundsatz, Menschenleben zu schützen, und die Sicherheit der Region zu festigen.

Deutsche Außenpolitik darf sich diesen Herausforderungen nicht entziehen, sondern muss die Widersprüche aushalten und abwägen. Leichtmachen dürfen wir es uns niemals – weder durch ein kategorisches Nein, noch durch ein vorschnelles Ja. Verantwortung tragen wir am Ende für unser Nichthandeln genau wie für unser Handeln.

Wir werden uns in dieser schwierigen Situation von unseren strengen Rüstungsexportrichtlinien nicht entfernen. Doch die Richtlinien fordern die Politik im Krisenfall zur Abwägung und zur Entscheidung auf. Sie sagen: Eine Genehmigung kann ausnahmsweise erteilt werden, wenn „besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen“ dafür sprechen.

In Krisengebiete wie Ukraine, Syrien, Libyen liefern wir keine Waffen – und das aus guten Gründen.

Vieles spricht aber dafür, dass die Krise im Nord-Irak anders gelagert ist. Einerseits ist ISIS eine neuartige Form der Bedrohung, eine rücksichtslose Terrororganisation, die ein wachsendes Territorium kontrolliert. Andererseits steht ihr mit der kurdischen Regionalbehörde eine relativ stabile Struktur gegenüber. Die Kurden in der Region sind das wichtigste Bollwerk gegen die Mörderbanden von ISIS. Werden die Kurden überrannt, sind nicht nur Tausende Menschenleben, sondern ist die Stabilität der gesamten Region in akuter Gefahr – verbunden mit erheblichen Sicherheitsrisiken auch für uns in Europa.

Militärische Ausrüstung allein ist jedoch keine Strategie. Auf längere Sicht kommt es darauf an, den Mörderbanden von ISIS den Nährboden zu entziehen. Das erfordert mindestens dreierlei: Erstens eine Zentralregierung in Bagdad, die alle Gruppen des Landes repräsentiert. Zweitens die politische Stabilisierung von Syrien und drittens, den Zufluss von Geld und Kämpfern an ISIS aus dem Ausland zu stoppen. An allen drei Zielen arbeitet die deutsche Diplomatie tagtäglich.

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