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„Ich nehme Russland beim Wort, dass es die Einheit der Ukraine nicht zerstören will“

24.11.2014 - Interview

Außenminister Frank-Walter Steinmeier über seine Reise nach Kiew und Moskau (18.11.). Erschienen im Spiegel (48/2014).

Außenminister Frank-Walter Steinmeier über seine Reise nach Kiew und Moskau (18.11.). Erschienen im Spiegel (48/2014).

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Ihre Mahnung zu verbaler Mäßigung im Umgang mit Russland ist als Kritik an Bundeskanzlerin Merkel verstanden worden. Mit welchen Passagen ihrer Rede in Sydney sind Sie nicht einverstanden?

Das ist doch an den Haaren herbeigezogen! Es wird weder der Ernsthaftigkeit der Krise noch den berechtigten Fragen an Gipfelveranstaltungen wie Brisbane gerecht, wenn daraus ein Problem innerhalb der Bundesregierung gemacht werden soll. Was ich unklug finde, ist, wenn Gipfel wie diese, wo letzte Möglichkeiten zum direkten, vielleicht vertraulichen Gespräch bestehen, als öffentliches Forum inszeniert werden.

Aber Sie haben sich in der Tonlage klar von Merkel abgesetzt, und die Kanzlerin ist bereit, die Sanktionen gegen Putin zu verschärfen. Sie auch?

Noch einmal: Unsere Haltung ist klar. Unsere Politik, und damit auch Sanktionsentscheidungen, folgen unserer Bewertung der Lageentwicklung. Dabei bleibt es. Wir haben am Montag im Kreis der EU-Außenminister in Brüssel den Auftrag erteilt, Verantwortliche der Separatisten in der Ostukraine zu identifizieren, die gelistet werden sollen, weil sie die territoriale Integrität der Ukraine mit Füßen treten. Das ist das, was jetzt notwendig war, es ist vor allem die gemeinsame Haltung der Bundesregierung.

In Deutschland und in der EU wird so kontrovers über den Umgang mit Putin diskutiert wie noch nie. Sehen Sie die einheitliche Position des Westens in Gefahr?

Auch der SPIEGEL sollte keine Angst davor haben, dass in Demokratien kontrovers diskutiert wird. Es ist doch gerade ein Fehlurteil autoritärer Regime, darin eine Schwäche zu sehen. In der EU kommen 28 Länder mit ganz unterschiedlichen historischen Erfahrungen, damit verbundenen Perzeptionen und objektiv unterschiedlichen Graden an Betroffenheit zusammen. Trotzdem ist es uns am Ende immer gelungen, eine geschlossene Haltung einzunehmen und das dann auch durchzuhalten. Ich werde dafür streiten, dass das so bleibt.

Ihr SPD-Kollege Matthias Platzeck fordert, die Annexion der Krim „nachträglich völkerrechtlich“ zu regeln. Teilen Sie diese Forderung?

Dazu ist doch alles gesagt. Das russische Vorgehen auf der Krim ist ein grober Verstoß gegen das Völkerrecht und die Grundsätze der europäischen Friedensordnung. Deshalb können und dürfen wir nicht ignorieren oder übergehen, was geschehen ist.

Sie sind in der vergangenen Woche in Moskau mit Präsident Putin zusammengetroffen. Haben Sie hinterher mehr Hoffnung als vorher?

Ich hatte das Gefühl, dass es notwendig war, in einer bedrohlichen Lage in Kiew und in Moskau das Gespräch mit den politisch Verantwortlichen zu führen. Die rhetorische Eskalation zwischen den Hauptstädten war über das Wochenende des G 20-Gipfels und danach gefährlich angeschwollen. Ich bin aus Kiew und Moskau mit dem Eindruck zurückgekehrt, dass die Präsidenten Poroschenko und Putin an den Minsker Vereinbarungen festhalten wollen. Das ist angesichts der schwierigen Konfliktlage vor Ort nicht viel, und auch nicht genug, aber es ist eine Basis, auf der wir weiterarbeiten können.

Gehen Sie davon aus, dass sich die territoriale Integrität der Ukraine in absehbarer Zukunft wiederherstellen lässt, oder sind Krim und Ostukraine für Kiew dauerhaft verloren?

Ich kann keinerlei Bereitschaft Russlands erkennen, die Krim wieder aufzugeben. Wir müssen leider damit rechnen, dass die völkerrechtswidrige Annexion der Krim auf absehbare Zeit als Konflikt zwischen uns und Russland stehen wird. In der Ostukraine sind die Dinge hoffentlich nicht entschieden. Ich nehme Russland beim Wort, dass es die Einheit der Ukraine nicht zerstören will. Die Realität spricht noch eine andere Sprache. Aber gerade, wenn das Ende offen ist, darf man sich doch nicht entmutigen lassen. Untätigkeit oder Selbstaufgabe der Außenpolitik wäre die falsche Antwort.

Interview: Christiane Hoffmann. Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Spiegel. www.spiegel.de

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