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„Außenpolitik in stürmischen Zeiten“. Rede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier an der Ernst-Moritz-Arndt Universität, Greifswald

13.07.2016 - Rede

Sehr geehrte Rektorin, Frau Professor Weber,
sehr geehrter Minister Pegel, lieber Christian,
liebe Sonja Steffen,
meine Damen und Herren,

ich freue mich sehr, hier bei Ihnen in Greifswald zu sein. In einer so jungen Stadt! Greifswald ist die jüngste Stadt in Mecklenburg-Vorpommern, habe ich mir sagen lassen. Mehr als jeder Dritte Einwohner ist unter 30. Und wenn ich Sie mir hier im Saal so angucke, dann sind die anderen zwei Drittel wahrscheinlich gerade am Strand! Durch meine Anwesenheit wird der Schnitt allerdings ruckartig nach oben gerissen. Sehen Sie es mir nach. Ich versuche, dass wettzumachen, indem ich mich kurz halte. Die Semesterferien beginnen am Samstag. Rund 60 Stunden also haben wir bis dahin. Das sollte reichen, für eine kurze außenpolitische Übersicht. Ich denke, wir fangen bei den Römern an ... Ich hoffe, Sie haben sich was zu essen mitgebracht!

Jung und dynamisch ist Ihre Stadt. Aber für mich steht Ihre Universität und steht Greifswald noch für etwas anderes. Die Kinder dieser Stadt haben es stets gewusst, ihren Blick zu weiten. Sich Neuem zu öffnen. Dafür stehen die Greifswalder Autoren Hans Fallada und Wolfgang Koeppen. Dafür steht aber in ganz besonderem Sinne das wohl berühmteste Kind Ihrer Stadt: Caspar David Friedrich. Friedrichs Werke lenken den Blick nach draußen, auf die raue See, auf die Welt hinterm Horizont. Von den „Kreidefelsen auf Rügen“, über „das Eismeer“ - hin zum Unbekannten, Ungewissen. Dieses Unbekannte zu ergründen - für diese Einladung steht für mich Caspar David Friedrichs Werk. Und genau dafür steht auch diese, Ihre Universität, liebe Studierende. Zu Friedrichs Zeiten gab es hier gerade mal 60 Studenten. Heute sind Sie mehr als 10.000! Sie kommen aus aller Herren Länder. Denn die Ernst-Moritz-Arndt Universität hat sich einen hervorragenden Ruf aufgebaut – modern, breit aufgestellt, international vernetzt– in ganz besonderem Maße mit einer Kompetenz für den Ostseeraum und die Perspektiven Nord – und Osteuropas.

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Ich bin überzeugt: Gerade mit Blick auf die Krisen in unserer Nachbarschaft brauchen wir genau diese Regionalkompetenz mehr denn je. Auch wenn es nicht das größte Fach ist, ist es auch speziell die Lehre der Ukrainistik, die Ihre Universität auszeichnet, liebe Frau Professor Weber. Denn hier bei Ihnen werden ukrainische Sprache, Literatur und Kultur in einer für Deutschland einzigartigen Weise vermittelt. Das ist richtig und wichtig und das muss so bleiben! Deswegen bin ich sehr froh, lieber Minister Pegel, dass wir im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern die Zukunft dieses einzigartigen Profils der Ukrainistik hier in Greifswald sicherstellen konnten! Ich danke allen, die daran beteiligt waren!

Zur Sommerakademie „Greifswalder Ukrainicum“ kommen seit über 20 Jahren Ukraine-Spezialisten aus der ganzen Welt nach Greifswald. Selbst aus Korea gibt es Bewerber, habe ich gehört! Und der Anspruch ist nicht unbescheiden, lieber Herr Professor Brehmer! So lautet die Aufforderung an die Experten in diesem Sommer nicht weniger als: „Das Schließen der Pandora-Büchse: Der Weg der Ukraine zum Frieden“. Das Schließen dieser Pandora-Büchse – es fällt wohl kaum in den Bereich der Ingenieurswissenschaften, das ist uns allen klar. Dafür braucht es effektiveres Werkzeug als Mörtel, Hammer oder Schraubenschlüssel. Aber ich glaube, die Arbeit, die Sie hier als Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaftler leisten, meine Damen und Herren, kann durchaus helfen, Wege dahin aufzuzeigen! Ich bin froh, dass ich eben das Institut für Slawistik besuchen konnte und dass ich mit Ihnen, Prof. Brehmer, und den dortigen Forschern über die Ukraine und diesen für die Menschen aber auch für die Sicherheit unseres ganzen Kontinents so erschütternden Konflikt diskutieren konnte.

Sozialwissenschaft und ganz konkrete Außenpolitik? Hat das wirklich was miteinander zu tun? Ich muss an den alten Witz denken: Treffen sich zwei Sozialwissenschaftler. Der eine hat eine politische These entwickelt und trägt sie vor. Der andere hört zu, denkt kurz nach und sagt: „Hm, das klingt, als funktioniert es in der Praxis – aber funktioniert es auch in der Theorie?“

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Im Ernst. Ich bin überzeugt: Die Offenheit für andere Sichtweisen, die Bereitschaft zum Verstehen und zur Verständigung – das ist nicht nur die Grundlage für wissenschaftliche Arbeit. Das ist auch Voraussetzung von Außenpolitik. Und ich glaube - in aller Bescheidenheit: Die Tatsache, dass Deutschland derzeit weltweit einen ganz guten Ruf als Vermittler in vielen Konflikten hat, das liegt nicht zuletzt an genau dieser Bereitschaft zu Verstehen und Verständigung! Manchmal werden wir dafür kritisiert – wahlweise als „Russland-Versteher“ oder als „Iran-Versteher“. Ich frage mich dann immer: Wo kommt Außenpolitik eigentlich hin, wenn Verstehen-Wollen zum Schimpfwort wird? Verstehen heißt ja nicht automatisch Einverstanden-Sein. Aber ohne Verstehen kann es keine Verständigung geben!

Und Verständigung brauchen wir gerade heute, in diesen stürmischen Zeiten, in denen wir leben! Sehen Sie es mir nach, dass ich schon wieder auf mein gehobenes Alter zurückkomme, aber selbst für jemanden aus meiner Generation ist es präzedenzlos, was wir gerade erleben: Syrien, Libyen, Irak, Jemen, Ukraine- Die Krisen und Konflikte scheinen mit einer nie dagewesenen Wucht und Dichte auf uns hereinzustürmen.

Gleichzeitig zerren hier bei uns zu Hause unheimliche Fliehkräfte an unserer europäischen Gemeinschaft. Mit der Brexit-Debatte sehen wir den Aufwind unsäglicher Stereotype und alter Nationalismen, die unseren Zusammenhalt testen. Es ist bitter für Großbritannien. Dort erlebt man jetzt ein böses Erwachen, nachdem verantwortungslose Politiker das Land erst in den Brexit gelockt haben, um sich dann, als die Entscheidung feststand, aus dem Staub zu machen, die Verantwortung nicht zu übernehmen und stattdessen Cricket zu spielen. Ich finde das, ehrlich gesagt, ungeheuerlich. Das ist bitter für Großbritannien, aber es ist natürlich auch bitter für die Europäische Union, wenn wir die Tradition, die Weltgewandtheit und Erfahrung der Briten verlieren.

Nur darf uns diese Verbitterung jetzt nicht lahmlegen, sondern die Priorität muss jetzt sein, die Europäische Union zusammenzuhalten! Zusammenhalten: gerade jetzt, wo die Fliehkräfte am stärksten sind, und wo andere in der EU, nicht zuletzt die Regierung der Nachbarn, die Ihnen hier in Greifswald am nächsten sind: nämlich Polen ganz andere Vorstellungen für die Zukunft Europas hat und die Integration am liebsten zurückdrehen würden.

Mein französischer Kollege und ich haben deshalb ein Papier vorgelegt, das beides im Blick hat: Die EU muss einerseits wieder handlungsfähig sein, und zwar in den Bereichen, in denen europäisches Handeln am wichtigsten ist: bei Sicherheit und Außenpolitik, bei Migration und bei der Wirtschafts- und Währungsunion, aber sie muss eben andererseits auch die unterschiedlichen Erwartungen ihrer Bürger erfüllen: sie muss die mitnehmen, die mehr Integration wollen, aber auch die einbinden, die nicht bei allem genauso schnell mitgehen wollen. Wir müssen mehr Flexibilitätselemente in eine erneuerte Europäische Union einflechten, deshalb sprechen Jean-Marc Ayrault von einer „flexiblen“ Europäischen Union.

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Es sind stürmische Zeiten, die Welt verändert sich rasant. Erinnern wir uns, gehen wir 25 Jahre zurück. Ein glückliche Zeit, das Ende des Kalten Krieges, der Fall der Mauer, die deutsche Einheit: Viele von Ihnen sind vielleicht in diesen glücklichen Jahren zur Welt gekommen. Damals schien das Zusammenwachsen der Welt – von Ost und West – ein Selbstläufer geworden zu sein. Viele sahen Russland schon als zukünftiges NATO-Mitglied. Vom „Ende der Geschichte“ wurde geschrieben. Von einem neuen Zeitalter des Friedens!

Und jetzt? Heute treten Risse und Gegenbewegungen unübersehbar zutage. Mit der Annexion der Krim und der Destabilisierung der Ostukraine hat sich, erstmals seit Ende des Kalten Krieges, ein Unterzeichnerstaat der Schlussakte von Helsinki offen gegen die Souveränität eines anderen Staates gestellt. Mit dem Konflikt in der Ukraine ist die Frage von Krieg und Frieden wieder auf unseren Kontinent zurückgekehrt. Das Verhältnis zu unserem großen Nachbarn Russland – es hat den NATO-Gipfel am letzten Wochenende bestimmt. Und ich weiß, dass dieses Thema nicht nur mich umtreibt, sondern auch viele von Ihnen hier im Saal. Deshalb will ich mich heute Abend darauf konzentrieren.

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Der Vision eines gemeinsamen Raumes vom Atlantik zum Pazifik, für die wir so lange und intensiv gearbeitet haben – und die ja die richtige Perspektive bleibt! -, stehen heute in Russland nationalistische Stimmen aber auch Abgrenzungsstreben in Europa gegenüber. Die vermeintlichen Gewissheiten, die Hoffnungen, die wir mit dem Ende des Kalten Krieges verbanden – sie scheinen auf einmal nicht mehr zu greifen. Was aber tritt an ihre Stelle? Was ist unsere Antwort? Wie gehen wir mit Russland um, in diesen Zeiten der Krise?

Ich erinnere mich an ein NATO-Außenministertreffen- nicht das Treffen in Warschau jetzt am Wochenende, sondern eines, das weiter zurückliegt, am Anfang der Ukraine-Krise. Da sagte der kanadische Außenminister: ‚ Wir müssen uns jetzt entscheiden, ob Russland Freund oder Feind, Partner oder Gegner ist.‘ Ich sagte ihm: 'In Kanada kann man diese Frage vielleicht so stellen. In Europa wird Russland immer eines bleiben: ein großer Nachbar!’

Für mich ist klar: Es gibt kein schwarz-weißes Verhältnis zu Russland. Viel erhellender als Schwarz-Weiß-Malerei, ist für mich ein Blick auf das Erbe der Ost – und Entspannungspolitik von Willy Brandt und Egon Bahr. Denen, die diesen Rückgriff abtun mit dem Blick auf Russlands Verhalten, sage ich: die Entspannungspolitik der 60er und 70er wurde geboren in den kältesten Tagen des Kalten Krieges -- deshalb haben wir keine Rechtfertigung, heute nicht ebenso Schritte aufeinander zumindest zu versuchen. „Amerika ist unverzichtbar. Russland ist unverrückbar“ so hat Egon Bahr es einst formuliert. Und das bedeutet: Nachhaltige Sicherheit für Europa gibt es nicht ohne und schon gar nicht gegen Russland. Wir brauchen beides: Sowohl die feste Verankerung im Westlichen Bündnis, als auch die Offenheit für Gesprächskanäle mit Russland.

Die Rückversicherungsmaßnahmen der NATO, die wir am letzten Wochenende in Warschau beschlossen haben, und unsere Bereitschaft zum Dialog – das sind zwei Seiten derselben Medaille! Das eine geht nicht ohne das andere, das eine macht ohne das andere auch keinen Sinn. Das ist unsere Erfahrung aus vielen Jahrzehnten, auch aus den schwierigen Zeiten des Kalten Krieges. In Warschau haben wir gezeigt, dass wir die Sorgen unserer östlichen Bündnispartner ernst nehmen. Wir stärken unsere Verteidigungsbereitschaft. Aber: Unsere Maßnahmen bedrohen niemanden. Wir wollen keinen Kalten Krieg! Deswegen haben wir durchgesetzt, dass das Bündnis sich klar zu Wort und Geist der NATO-Russland-Grundakte bekennt. Wir haben erreicht, dass der Raketenabwehrschirm nicht gegen Russland gerichtet ist – nicht jetzt und auch nicht in Zukunft. Und am wichtigsten: Dialog und Gesprächsbereitschaft sind als starker, tragender Pfeiler unserer Strategie festgeschrieben. Das setzten wir jetzt unmittelbar nach dem Gipfel um: Denn bereits heute, vier Tage nach dem Warschauer Gipfel, tagt der NATO-Russland-Rat! Ich bin überzeugt: Wir können ein Mehr an Sicherheit wie nach dem Fall der Mauer wieder schaffen, wenn wir beide Säulen unserer Strategie – Rückversicherung und Dialog – ernstnehmen. Allerdings nur dann – auch das ist klar: wenn Russland bereit ist, darauf konstruktiv einzugehen.

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Dialog heißt dabei nicht, dass wir Unterschiede überschminken, sondern im Gegenteil: Dass wir sie klar benennen und versuchen, Lösungen – wo immer es geht - auf den Weg zu bringen. Vielleicht hilft der Begriff „Doppelter Dialog“, um zu erklären, was ich meine. Wir brauchen mit Russland den Dialog über Gemeinsamkeiten und mögliche Felder der Zusammenarbeit – zum einen. Aber eben auch den ehrlichen Dialog über unsere Unterschiede!

Ich will, dass wir, wo es russische Bereitschaft zu gemeinsamer Konfliktlösung gibt, diese auch nutzen. Wir wissen alle: Europas Sicherheit ist längst nicht mehr allein von Konflikten in Europa bedroht. Irak, Libyen, Syrien – die Liste ist lang. Und wir haben lernen müssen: Es gibt keine wirklich entfernten Konflikte mehr. Die Kriege sind mit den Abertausenden, die bei uns Schutz suchen längst bei uns angekommen – in unseren Gemeinden und Betrieben, in unseren Schulen. Und auch hier bei Ihnen, an der Universität, können Flüchtlinge seit dem Wintersemester kostenlos Vorlesungen besuchen!

Und noch etwas Zweites haben wir lernen müssen: Den einzelnen Akteur, die Weltmacht, die solche Konflikte für uns zu Ende bringt, gibt es nicht. Wir brauchen neue Konstellationen, Bündnisse von regionalen Akteuren und globalen Playern, die gemeinsam Verantwortung übernehmen, ohne jeweils deshalb schon gleiche Interessen zu haben. Und schaut man sich die Struktur und die Konfliktparteien genauer an, weiß man, es geht nicht ohne Russland. Aber manchmal geht es mit Russland!

Ein Beispiel dafür ist das Iran-Abkommen. Nach Verhandlungen, die ich über 10 Jahre lang begleitet habe und die mehr als nur einmal kurz vor dem Scheitern standen, weiß ich, wie wertvoll die Kooperation mit Russland zur Beendigung dieses Konflikts war.

Es war diese Erfahrung, die uns am Ende im vergangenen November nach Wien gebracht hat, um endlich – nach 5 Jahren und 300.000 Toten - nach Wegen zu Beendigung des blutigen Krieges in Syrien zu suchen. Wohl wissend, dass die USA und Russland nicht ausreichen, um den Konflikt zu beenden, haben wir uns dennoch bemüht, die beiden zu einer Zusammenarbeit in Syrien zu bewegen.

Weil eben auch stimmt: solange die USA und Russland in Syrien gegeneinander stehen, ist jedes Bemühen chancenlos. Erst nachdem das gelungen war, haben wir –Sie haben unsere Pendeldiplomatie zwischen Teheran und Riad vielleicht mitverfolgt- auch die entscheidenden regionalen Mächte, Saudi-Arabien und den Iran, die auf syrischem Boden geradezu einen Stellvertreterkrieg ausüben, an den Tisch geholt, und ebenfalls die anderen relevanten Akteure der Region, die Türkei, Katar und andere. Das alles ist keine Garantie für Erfolg, oder auch nur Fortschritt in den Verhandlungen. Aber ohne diese Konstellation hätte es auch nicht die Münchener Vereinbarungen über eine Waffenruhe und humanitären Zugang gegeben, durch die seit Februar dieses Jahres immerhin 800.000 Menschen in umkämpften Gebieten versorgt werden.

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Zum Konzept des „Doppelten Dialoges“ mit Russland gehört aber, dass wir -neben Feldern der Kooperation- genauso ernsthaft und ehrlich über unsere Unterschiede sprechen sollten. Es stimmt: Ein gemeinsames Verständnis über die Natur und das Ausmaß unserer Differenzen beseitigt diese Differenzen noch nicht. Aber sie werden potenziell weniger gefährlich und weniger anfällig für Fehlinterpretationen, die zu unbeabsichtigten Folgewirkungen führen könnten - auf militärischer, diplomatischer und politischer Ebene.

Oft ist das Problem doch: Wir „lesen“ uns gegenseitig schlecht. Entweder lesen wir uns gar nicht – sondern tauschen lediglich Stereotype aus. Oder: Wir setzen darauf, dass unsere bewusst gesetzten Signale auf der anderen Seite richtig verstanden werden. Das Problem ist nur, dass es in der Außenpolitik meistens mehr als nur ein Signal gibt. Deshalb ist es oft nicht einfach, aus einer Vielzahl von gleichzeitigen Signalen die jeweils ‚richtigen‘ herauszufiltern.

Ein „Dialog über Trennendes“ erreicht übrigens noch etwas: Er macht der russischen Seite deutlich, dass unsere Bereitschaft zur Zusammenarbeit in einigen Bereichen nicht eine stillschweigende Hinnahme von anderen Dingen bedeutet, die wir nicht akzeptieren können – wie die Einflussnahme auf russischsprachige Minderheiten oder die Finanzierung nationalistischer Parteien im Ausland. Sondern über diese „anderen Dinge“, über das Trennende, müssen wir sprechen!

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Ich bin überzeugt: Wir müssen alle Foren, die uns zur Verfügung stehen, für diesen schwierigen, aber wichtigen „doppelten“ Dialog nutzen! Das tun wir auf bilateraler, auf multilateraler Ebene, im NATO-Russland-Rat, in den Gesprächsformaten zu Syrien. Und: Das tun wir auch und vor allem im Rahmen der OSZE! Denn wir haben wir uns entschlossen, gerade in diesem schwierigen Umfeld den Vorsitz dieser Institution zu übernehmen. Denn die OSZE ist es, in der der Geist von Helsinki noch verkörpert ist. Und: Sie ist zurzeit – neben dem Ostseerat – die einzige europäische Institution, in der EU-Länder, östliche Nachbarn der EU und Russland noch gemeinsam vertreten sind! Und mit diesen bescheidenen Mitteln steuern wir über die OSZE gerade die Beobachtermission in der Ostukraine, entwerfen Vorschläge für die Vorbereitung von Lokalwahlen dort und arbeiten am Entwurf eines Amnestiegesetzes sowie an Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheitslage in der Donbassregion.

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Das ist die Art von schwierigem, aber essenziellem Dialog, den ich meine!

Dafür setzen wir uns ein. Das ist unsere politische Verantwortung. Aber: In Zeiten, in denen die Risse auf politischer Ebene unübersehbar und tief sind, kommt es umso mehr auf den Draht zwischen den Menschen an. Wir müssen der drohenden Entfremdung unserer Gesellschaften entgegenwirken. Und dafür brauchen wir Sie alle, meine Damen und Herren. Wir brauchen die Zivilgesellschaft, wir brauchen die vielen Stiftungen und Vereine, die sich im deutsch-russischen Verhältnis engagieren. Und wir brauchen die Wissenschaft, wir brauchen Institutionen wie Ihre Universität, die auf hervorragende Weise den Kontakt nach Russland und Osteuropa fördern. Und die dadurch Verstehen und Verständigung fördern!

Meine Damen und Herren,

es stimmt: Die Gräben sind real in Europa. Aber, um es mit Willy Brandt zu sagen: Russland ist und bleibt auch über die Gräben hinweg unser größter Nachbar! Das wird so bleiben! Diese Geographie können wir nicht ändern. Was wir aber tun können, ist gemeinsam daran zu arbeiten, dass die Gräben zwischen uns Nachbarn nicht tiefer und gefährlicher werden! Vielen Dank.

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