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Laudatio von Staatsminister Link zu „Zehn Jahre Zentrum für Internationale Friedenseinsätze“ am 24.05.2012 in Berlin

24.05.2012 - Rede

-- Es gilt das gesprochene Wort --

Liebe Frau Wieland-Karimi,
lieber Herr Kühne,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Exzellenzen,
sehr geehrte Damen und Herren,
und vor allem:
Liebe Expertinnen und Experten, die in den vergangenen Jahren im Ausland aktiv waren!

Ich freue mich, heute hier mit Ihnen feiern zu können!

Das Auswärtige Amt ist ja kein kleines Haus.

Wer einmal versucht hat, seinen Weg über die Flure unseres Ministeriums am Werderschen Markt zu finden, der weiß, wovon ich spreche.

Hinzu kommen weit über 200 Auslandsvertretungen in aller Welt.

Was das Auswärtige Amt aber nicht hat – im Gegensatz zu manch anderem Ressort – ist eine Vielzahl von Institutionen, die im Sinne und Auftrag des Ministeriums handeln. Mit der Gründung des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze vor 10 Jahren haben wir als Auswärtiges auch in dieser Hinsicht einen Riesenschritt getan!

Ich sage das zum einen, um zu unterstreichen, was für ein „Solitär“ Sie, liebe Frau Wieland-Karimi, und Ihr Team für uns im AA sind. (Und ich weiß auch, dass das die Sache für Sie nicht immer nur leicht macht.)

Ich erwähne das aber auch, weil es lohnt, sich ins Gedächtnis zu rufen, warum es das ZIF gibt.

Als wir in den 90er Jahren zivile Experten für OSZE-Missionen auf dem Balkan brauchten, da wurde aus dem zuständigen Referat, damals noch an der Bonner Adenauerallee, in alle Richtungen herumtelefoniert, um einen deutschen personellen Beitrag zusammenzutrommeln.

Als wir im Sommer 1999 auf der Grundlage der Sicherheitsratsresolution 1244 die Zivilverwaltung UNMIK im Kosovo aufbauen mussten, da gab es immerhin schon einen recht gut sortierten Zettelkasten, der half, die Mission auch mit deutschen Experten auszustatten.

Aber spätestens in jenem Sommer wurde allen Beteiligten deutlich, dass die sicherheits- und friedenspolitischen Herausforderungen der Zukunft nicht mit Hilfe eines Zettelkastens zu bewältigen waren, und sei er noch so gut gefüllt.

Über die vielen praktischen Schritte, die noch notwendig waren, um von dieser Erkenntnis bis zur Gründung des ZIF im Jahr 2002 zu gelangen, kann wohl niemand besser Auskunft geben als der Gründungsdirektor Winrich Kühne.

Lieber Herr Kühne, Sie können stolz sein auf das, was Sie damals auf den Weg gebracht haben!

Meine Damen und Herren,

in den schwierigen Jahren der Kriege, Bürgerkriege und internationalen Missionen auf dem Balkan in den 90er Jahren haben wir gelernt, dass die eigentliche Arbeit erst beginnt, wenn die Waffen schweigen.

Dann geht es um den Aufbau funktionierender Institutionen, um die Verankerung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtsschutz. Dann geht es um die Versorgung mit dem Nötigsten zum Leben, um sauberes Wasser, um ein Dach über dem Kopf, um Bildung und Perspektiven für ein besseres Leben.

Ausgehend von diesen Erfahrungen haben wir das Konzept „vernetzter Sicherheit“ entwickelt. Ein Konzept, das Sicherheits- und Friedenspolitik nicht auf den Einsatz von Militär und Polizei beschränkt, sondern einen erweiterten Sicherheitsbegriff zugrundelegt und die vielfältigen Instrumente unserer Politik aufeinander abstimmt und miteinander vernetzt. Das ist beileibe nicht immer einfach. Jeder von Ihnen, der in einer internationalen Mission mitgearbeitet hat oder Erfahrungen mit zivil-militärischer Zusammenarbeit gesammmelt hat, weiß um die unterschiedlichen Kulturen, die da aufeinanderprallen. Und doch hat sich dieses Konzept überaus bewährt. Friedenspolitik und Friedenssicherung umfasst heute wie selbstverständlich ein breites Spektrum, das von krisenpräventiven Experteneinsätzen bis hin zur bewaffneten Friedenserzwingung reicht.

Bei allen Schwierigkeiten und auch Ernüchterungen im Zuge unseres Einsatzes in Afghanistan haben wir doch gerade dort enorme Fortschritte in der Vernetzung der Arbeit von Bundeswehr, Polizei, Diplomaten, Entwicklungshelfern und Experten gemacht.

Meine Damen und Herren,

Friedenssicherung ist immer komplex. Sie kennt keine einfachen Lösungen, denn sie muss sich der tiefer liegenden, strukturellen Konfliktursachen annehmen. Zivile Krisenprävention wird damit zur Querschnittsaufgabe der Außen-, Sicherheits-, und Entwicklungspolitik.

Es ist im übrigen meine persönliche Überzeugung, dass wir in der Außenpolitik erst am Beginn der Vernetzung stehen. Die rasante Zunahme an Akteuren auf staatlicher wie auf nichtstaatlicher Ebene und zugleich die immer weiter wachsende Zahl von Politikfeldern, die nach internationalen kooperativen Lösungen verlangen, stellt uns vor eine völlig neue Herausforderung bei der Steuerung von Außenpolitik.

Die Internationalisierung immer weiterer Fachpolitiken ist dabei durchaus zu begrüßen. Gesundheits-, Umwelt-, Klimapolitik und viele andere Bereiche brauchen enge Abstimmung über Grenzen hinweg. Aber die Summe all dieser Fachpolitiken gibt noch keine schlüssige Außenpolitik, wenn es uns nicht gelingt, diese Stränge zusammenzuführen und sinnvoll miteinander zu verbinden, auf nationaler wie auf europäischer Ebene. Wir brauchen in Zukunft eine noch stärker netzwerkorientierte Außenpolitik, die weit über das etablierte Konzept vernetzter Sicherheit hinausgreift.

Aber zurück zu den Friedenseinsätzen: Erst die Vernetzung von militärischer, polizeilicher und ziviler Konfliktbewältigung macht nachhaltige Erfolge möglich.

Hier setzt die Arbeit der Vereinten Nationen, der Europäischen Union, der OSZE und anderer Akteure der zivilen Konfliktbearbeitung an.

Aber nur durch die Bereitstellung und Entsendung von qualifiziertem Personal können sie vor Ort konkrete Fortschritte erreichen.

Angesichts der stetig wachsenden Nachfrage nach zivilen Experten und des ausdrücklichen Ziels der Bundesregierung, die Handlungsfähigkeit dieser Institutionen zu unterstützen und zu stärken, war die Gründung des ZIF ein folgerichtiger, ja aus heutiger Sicht fast zwangsläufiger Schritt.

Am 24. Juni 2002 wurde das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) hier in Berlin eröffnet. Im Auftrag des Auswärtigen Amts sollte es sich fortan um die Gewinnung, Betreuung und Entsendung von Personal in internationale Friedensmissionen und Wahlbeobachtungseinsätze kümmern.

Das klingt technisch, war und ist aber für die Wirksamkeit unserer Sicherheits- und Friedenspolitik von größter Bedeutung. Denn Friedensicherung und Krisenprävention braucht zuallererst qualifizierte und einsatzbereite Fachleute.

Zehn Jahre sind nicht nur in der Berliner Innenpolitik eine sehr lange Zeit.

Wenn ich die Schar der Gäste überblicke, wenn ich die große Zahl internationaler Partner und Freunde sehe, die heute hier sind, dann ist das die verdiente Anerkennung für zehn erfolgreiche Jahre, in denen das ZIF zu einer Institution mit Modellcharakter geworden ist. Das ZIF hat sich aber nicht nur international einen exzellenten Ruf erarbeitet, sondern genießt bei uns in Deutschland parteiübergreifend großen Respekt.

Die Expertise des ZIF wird heute gezielt von den Vereinten Nationen, der OSZE oder der EU angefordert.

Die Nachfrage nach zivilen Experten steigt weiter an: Jedes Jahr sind im Rahmen von EU, NATO, OSZE und VN insgesamt 300 deutsche zivile Expertinnen und Experten in langfristigen Auslandsmissionen eingesetzt.

Über 2000 Experten haben an ZIF-Trainingsmaßnahmen teilgenommen, über 3000 deutsche Wahlbeobachter wurden über das ZIF entsandt.

Meine Damen und Herren,

wir werden auch in Zukunft immer wieder mit krisenhaften Zuspitzungen und Konflikten konfrontiert sein. Mehr und mehr sind wir mit dem Phänomen schwacher oder zerfallender Staatlichkeit konfrontiert. Neue grenzüberschreitende Gefahrenpotenziale bedrohen die Stabilität vieler Gemeinwesen, ob Nahrungsmittelknappheit, Wassermangel, oder der Klimawandel, ob Pandemien oder Migrationswellen. Immer wieder wird die internationale Gemeinschaft aufs Neue um die richtigen Konzepte ringen müssen, um diesen Gefahren zu begegnen. Weit über die Ausbildung, Auswahl und Entsendung von qualifizierten Experten hinaus beschäftigt sich das ZIF heute mit der Frage, was das für zivile Krisenprävention in der Zukunft bedeutet.

Sie, liebe Frau Wieland-Karimi, haben den Staffelstab von Winrich Kühne nicht nur schwungvoll übernommen, sondern haben Ihre eigenen Akzente gesetzt. Der vielfältigen internationalen Anerkennung, die Sie dafür nicht nur am heutigen Tag erfahren, möchte ich mich von ganzem Herzen anschließen. Möge Sie Ihnen Ermutigung sein und auch gerade jetzt Kraft geben, um Ihre so wichtige Arbeit mit Ihrer unerschöpflichen Energie auch in Zukunft fortzusetzen.

Meine Damen und Herren,
liebe Expertinnen und Experten,

ich freue mich, dass so viele von Ihnen heute der Einladung gefolgt sind. Ihnen zu Ehren sind wir heute hier zusammengekommen. Wir wollen Ihre Leistungen in den internationalen Missionen in Erinnerung rufen. Wir wollen Ihren ganz persönlichen Einsatz für Frieden, Sicherheit und Stabilität würdigen.

Friedenseinsätze stellen enorme Anforderungen an jeden Einzelnen. Neben Ihrer fachlichen Qualifikation sind hohe Flexibilität, Nervenstärke und Kommunikationstalent gefragt. Die exponierte Rolle als ausländischer Experte inmitten einer konfliktgeschüttelten Gesellschaft zieht viel Aufmerksamkeit von Bürgern und Medien auf sich. Sie stehen nicht nur als internationale Experten, sondern immer auch als Deutsche im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Sie werden mit einer Erwartungshaltung konfrontiert, der Sie nur mit besonderem Verantwortungsgefühl und Sensibilität gerecht werden können.

Jeder von Ihnen hat seine eigenen Erfahrungen gesammelt. Ob als Richter im Kosovo, als Grenzbeobachter in Georgien, als Mediator in Afghanistan, als Polizeiberater in Zentralasien, oder auf einer von vielen anderen Missionen. Ich bin überzeugt, dass diese Zeit für jeden und jede von Ihnen eine Bereicherung gewesen ist. Dabei weiß ich sehr wohl, dass zu den konkreten Erfahrungen oft genug auch Gefahr, Frustration und ein Gefühl der Vergeblichkeit gehören. Aber das darf uns im Kleinen vor Ort wie auch in der großen Politik nicht davon abhalten, unser Möglichstes zu versuchen. Viele von Ihnen haben für die Möglichkeit, an Missionen teilzunehmen, private und berufliche Einschränkungen auf sich genommen. Auch dafür möchte ich Ihnen ausdrücklich danken.

Meine Damen und Herren,

unsere Soldaten und Polizisten werden traditionell für ihren Auslandseinsatz mit Auszeichnungen geehrt. In der öffentlichen Wahrnehmung dominieren die Debatten und Abstimmungen des Deutschen Bundestages über den Einsatz deutscher Soldatinnen und Soldaten in VN-, NATO- oder EU-Missionen. Ich will das keineswegs geringschätzen. Denn in jeder einzelnen dieser Abstimmungen geht es um die schwierigste Entscheidung, die einem Verantwortung tragenden Politiker abverlangt werden kann – um die Entscheidung, andere Menschen für eine wichtige Sache in lebensgefährliche Einsätze zu entsenden.

Aber gerade angesichts der Erfahrungen, die wir in der Praxis der vernetzten Sicherheit gemacht haben, halte ich eine angemessene Würdigung auch ziviler Friedenseinsätze für wichtig, ja für unbedingt notwendig.

Das ist ein Zeichen unserer Wertschätzung für Ihren ganz persönlichen Einsatz und Ihre Arbeit.

Das ist ein zugleich ein Signal an die Öffentlichkeit, wie wichtig diese zivilen Einsätze für unser aller Ziel sind, zu Frieden und Sicherheit in gefährdeten Regionen beizutragen.

Der „umfassende Ansatz“, der unsere Sicherheits- und Friedenspolitik seit Jahren leitet, sollte auch in einer angemessenen Würdigung aller daran Beteiligten seinen Ausdruck finden.

Ich könnte mir gut vorstellen, liebe Frau Wieland-Karimi, dass das wie von Ihnen vorgeschlagen auch an einem gemeinsam gewählten Tag der Anerkennung geschieht.

Ich freue mich deshalb, dass wir mit der heutigen erstmaligen Urkundenübergabe einen Schritt machen auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Anerkennung Ihres Einsatzes.

Mein Damen und Herren,

Ich danke dem Zentrum für Internationale Friedenseinsätze und dem gesamten Team für die geleistete Arbeit.

Ich wünsche Ihnen und dem ZIF eine gute Zukunft.

Und lassen Sie mich das auch im Namen von Bundesaußenminister Westerwelle und des Auswärtigen Amtes ganz persönlich zum Schluss hinzufügen:

Wir sind froh, dass wir Sie haben!

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