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Rede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier anlässlich der Übergabe der UNESCO-Urkunde zur Eintragung des Karolingischen Westwerks und der Civitas Corvey in die Welterbeliste

26.05.2015 - Rede

Sehr geehrte Damen und Herren,

es gehört häufig genug zur tragischen Erfahrung von Menschen, dass sie Manches erst dann vermissen, wenn es nicht mehr da ist. Dass sie Dinge erst dann wertschätzen, wenn sie bedroht sind oder unter gehen. „Nichts kommt von selbst und wenig ist von Dauer“ hat Willy Brandt uns einst gemahnt und damit gewarnt, dass nichts so selbstverständlich bleibt, wenn wir uns nicht aktiv bemühen, es zu bewahren. Beispiele dafür gibt es viele. Und die Kultur gehört dazu. Ich befürchte, über das Weltkulturerbe und die Frage warum wir weltweit die herausragenden Stätten auszeichnen, haben die wenigsten in Deutschen bisher wenig nachgedacht.

Vielleicht ändert sich das gerade: An solchen Tagen, an denen die Bilder von Palmyra all abendlich in unsere Wohnzimmer kommen und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis auch die Überreste dieser ehemals blühenden antiken Oasenstadt im heutigen Syrien von barbarischen islamistischen Horden zerstört sind. Nun haben das Hadrianstor von Palmyra, die Zitatdelle, der Tempel des Baal auf den ersten Blick wenig zu tun mit dem Ort, an dem wir heute sind, und bei genauer Betrachtung doch ganz viel.

Kloster Corvey ist wie Palmyra einer der Stätten, an denen uns bewusst wird, woher wir kommen, auf welchen Schultern wir stehen, wo die entscheidenden Entwicklungsschritte der Menschheit stattgefunden haben, die Teil unserer Identität geworden sind.

„Zukunft braucht Herkunft“ hat der gerade verstorbene Odo Marquardt geschrieben. Das hat auch mit Corvey zu tun. Denn so ein Moment heute schärft den Blick auf die großen Zusammenhänge der Weltkultur und lässt uns spüren: Wir brauchen solche Zeugnisse der Geschichte – wie Corvey - um uns in der Welt heute zu verorten und zurecht zu finden.

Die Besucher von nah und fern stehen – wie wir heute – vor dem gewaltigen Westwerk Corveys. Das zu Recht: Das karolingische Westwerk war vor 1200 Jahren ein architektonischer Quantensprung, der den Zeitgenossen damals den Atem verschlug. Aber es war eben weit mehr als das, und deshalb ist die Einweihung in die herausragenden Stätten der Weltkultur richtig und hohe Zeit.

Ganz jenseits von Architektur entstand mit der Reichsabtei ein Zentrum des geistigen und geistlichen Lebens, aber auch ein Ort der Politik, der weit herausstrahlte ins Frankenreich, wie ins Sächsische.

Wenn wir heute die Aufnahme des Westwerks, wie der Civitas Corvey in die Weltkulturerbeliste der Unesco beurkunden, dann ist das ein wirklicher Grund zur Freude. Wenn wir im Auswärtigen Amt – auch als Vorsitz der diesjährigen Unesco-Welterbekonferenz – ein wenig dazu beitragen konnten, würde uns das sehr freuen. Aber mein Dank gilt ausdrücklich denen, die sich über Jahre mit nie nachlassender Leidenschaft, viel Zeit, gute Nerven und großer Beharrlichkeit, für die Anerkennung geworben, gearbeitet und gestritten haben.

Ihr alle habt Großes geleistet und erreicht! Ganz Deutschland darf heute stolz sein, mehr noch die, die zwischen Rhein und Weser geboren sind, am meisten die Ostwestfalen in Höxter und Umgebung.

Herzlichen Glückwunsch zur Anerkennung als Weltkulturerbe!

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