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Rede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Films an „Mandela –Long Walk to Freedom“ am 03. Juli 2014 in München

03.07.2014 - Rede

--es gilt das gesprochene Wort--

Liebe Elisabeth Wicki-Endriss,
Liebe Frau Chadwick,
Liebe Gäste!

Es ist mir eine große Ehre, heute zu Ihnen sprechen zu dürfen.

Ich bin nicht zum ersten Mal hier, und nicht zum ersten Mal bei der Verleihung des „Friedenspreis des Deutschen Films – Die Brücke“. Ich freue mich riesig nicht nur darüber, dass ich zum zweiten Mal laudatieren darf, sondern dass die Wahl der Jury erneut auf einen ganz wunderbaren Film gefallen ist: „Mandela – Long Walk To Freedom“ von Justin Chadwick. Ein großartiger Film mit großartigen Schauspielern, produziert vom Pionier und Visionär des südafrikanischen Films: Anant Singh!

Ich war bei der Deutschland -Premiere des Films in Berlin dabei und habe ihn mir danach noch einmal in Ruhe angeschaut – und zwar gerne deshalb, weil es keine glattgebügelte Heldengeschichte ist, sondern eine filmische Biografie, die Widersprüche und Schwächen des Helden nicht ausspart. Und weil gerade der zum Menschen Mandela reduzierte Held uns näher ist als der in zahllosen Porträts gezeichnete Halbgott.

Fasziniert hat er mich Zeit seines Lebens – begegnet bin ich ihm persönlich leider nie.

Trotzdem: ich sehe ihn nahezu täglich! Seit Jahren hängt die berühmte Fotografie von Jürgen Schadeberg, dem deutschen Dokumentaristen der Anti-Apartheid-Bewegung, in meinem Arbeitszimmer im Außenministerium in Berlin. Sie kennen es alle: Mandela in seiner Zelle auf Robben Island, den Ellbogen auf dem Fenstersims, den Blick voller Kraft und voller Hoffnung auf den Horizont gerichtet.

Daneben die Fetting-Skulptur von Willy Brandt – und das ist kein Zufall.

Brandt und der nur vier Jahre jüngere Mandela hatten Vieles gemeinsam.

Sie haben jeder in seinem Land und jeder auf seine Weise ihrem Volk Freiheit und Würde gegeben:

Sie haben Frieden gestiftet, wo andere Hass säten.

Sie haben vergeben und um Vergebung gebeten, wo andere immer noch vergelten wollten.

Unermüdlich haben sie versucht, Grenzen, Mauern und Ideologien zu überwinden, die aus Nachbarn Feinde machten. Deshalb hängen die Bilder dieser beiden Großen des 20. Jahrhunderts in meinem Arbeitszimmer – als Vorbild und als stete Mahnung.

Justin Chadwick lässt uns den „Long Walk to Freedom“ mitgehen, auch die Umwege und die Sackgassen! Er zeigt den unendlich langen Weg, den Nelson Mandela und sein Land Südafrika zurücklegen mussten – vom Rassenwahn eines menschenverachtenden Regimes, unvorstellbarer Gewalt, persönlicher Verfolgung, und das Aufbegehren dagegen, das ihn 27 Jahre lang ins Gefängnis brachte – bis zur ersten freien Wahl des Präsidenten Nelson Mandela.

Einen Weg voller Rückschläge und bitterer Enttäuschungen. Sie haben ihm alles genommen, sagt der Film, nur die Hoffnung nicht!

Nelson Mandela tat den entscheidenden Schritt auf diesem langen Weg, als er der weißen Apartheid-Regierung Frieden anbot. Einem Terror-Regime, das er als junger Mann nicht nur mit Reden, sondern auch mit Bomben bekämpft hatte. Einer Gesellschaft, die ihn als „Teroristen“ gejagt, gefangen, vor Gericht gestellt und eingekerkert, die sein Leben, seine Familie, seine Liebe zerstört hatte.

Nur die Hoffnung hat ihn am Leben erhalten, als alles zerbrach.

Nur die Hoffnung hielt ihn aufrecht, in denen fast drei Jahrzehnten in seiner Zelle.

Nur die Hoffnung bewahrte Würde und Stärke für das Ringen um Befreiung der Ausgestoßenen Südafrikas.

Niemand hätte größeres Recht auf Rache gehabt als er! Aber Nelson Mandela will keine Rache: „Es gibt nur einen Weg in die Zukunft. Das ist Frieden“ sagt er seinen zweifelnden Anhängern und verspricht ihnen freie, gleiche und geheime Wahlen. Es folgt ein quälendes Ringen, mit denen, die den Kampf mit den Schergen des Regimes erneut wollen; die die Entscheidungsschlacht suchen. Man leidet mit dem reifen Mandela, der an der Ungeduld der Jugend erneut zu scheitern droht.

Dann geschieht das Wunder. Man sieht, wie die Farbigen in einer langen Reihe geduldig vor einem Wahllokal anstehen, wie sie es kaum abwarten können, endlich wählen zu dürfen, wie diejenigen, die bereits gewählt haben, jubelnd herauskommen und zu tanzen beginnen, wie ihre Begeisterung die noch Wartenden ansteckt und wie zum Schluss die ganze lange Menschenschlange nach afrikanischen Rhythmen tanzt und feiert.

Für mich ist das eine der ergreifendsten Szenen dieses Films, die man den notorischen Nichtwählern bei uns gelegentlich zeigen sollte!

Mit Naomie Harris – als Winnie Mandela – und vor allem Idris Elba – als Nelson – hat Ihr Mann, Justin Chatwick, die Protagonisten des Films großartig besetzt.

Im Urteil der Jury heißt es zurecht: Idris Elba „schafft es, uns Mandela, den Mann, über den alle so viel zu wissen glauben und der doch weit weg ist, wirklich erleben, verstehen, lieben und bewundern zu lassen“.

Nelson Mandela kam 1990 –nur wenige Wochen nach seiner Freilassung aus 27 Jahren Haft – nach Deutschland.

Es war Willy Brandt, der ihn damals in Deutschland begrüßte.

Brandt rief ihm entgegen: „Schon der gefangen gehaltene Nelson Mandela war uns ein Symbol der Unerschrockenheit! […] Der freigelassene Nelson Mandela ist noch mehr: Er ist ein Symbol der Versöhnungsbereitschaft und des Friedens zugleich“.

Eigentlich, so Brandt weiter, hätte Mandela „ein Recht darauf, verbittert zu sein oder wenigstens müde und des Kampfes überdrüssig. Aber hier ist einer gekommen ohne Hass, ohne Feindschaft, ohne das Bedürfnis nach Rache, sondern mit dem Wunsch, den Teufelskreis von Unterdrückung und Gewalt zu durchbrechen und ein vom Rassenwahn zerrissenes, blutendes Land zusammenzuführen und heilen zu helfen.“

Mandela ist nicht Geschichte. Wir können immer noch von ihm lernen.

Ich überlege, ob ich die DVD mit dem Mandela-Film nicht einfach mal mitnehmen sollte: nach Syrien, nach Afghanistan oder jetzt in die Ukraine!

Überall dort müssten wir dem Film viele Zuschauer wünschen! Vielleicht könnte es helfen, das ewige Aufrechnen von Gewalt gegen Gewalt zu überdenken.

Noch einmal Willy Brandt: „Frieden ist nicht alles,“ hat er gesagt. „Aber ohne Frieden ist alles nichts.“

Ich füge frei nach Bertold Brecht hinzu: „Frieden – das ist das Einfache, das schwer zu machen ist.“

Genau das ist auch die Botschaft dieses Films. Deshalb verdient er diesen Preis!

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