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Rede von Staatsminister Erler auf der EU-Zentralasien-Außenministerkonferenz, 15.09.09

15.09.2009 - Rede

-- Es gilt das gesprochene Wort! --

Meine Herren Minister,
Exzellenzen,
meine Damen und Herren,

lassen Sie mich zu Beginn meinen Dank an die schwedische Ratspräsidentschaft aussprechen - sowohl für die Initiative der heutigen Ministerkonferenz als auch besonders dafür, dass sie dabei das Thema „Energie, Wasser und Umwelt“ zum Schwerpunkt gewählt hat. Die internationale Finanzkrise und das Wasserproblem: Das sind tatsächlich aus unserer Sicht zur Zeit zwei zentrale Sicherheitsfragen in Zentralasien.

Meine Damen und Herren,

Alle fünf zentralasiatischen Länder bekräftigen immer wieder die Dringlichkeit einer Lösung der regionalen Wasserfrage und ihren Willen zur Zusammenarbeit. Seit dem Abkommen von Almaty 1992 wurden hierzu über Hundert bilaterale und multilaterale Absprachen geschlossen. 1992 wurde die Zwischenstaatliche Kommission für Wasserkoordinierung (ICWC) eingerichtet, 1994 der Internationale Aralsee-Fonds (IFAS), um nur zwei der relevanten Institutionen zu nennen. Hunderte Millionen Euro an Gebergeldern – insbesondere der EU - sind in Unterstützungsprogramme geflossen.

Und dennoch ist der Aralsee, ehemals das viertgrößte Binnengewässer der Erde, inzwischen fast vollständig ausgetrocknet – eine der größten je vom Menschen verursachten Umweltkatastrophen. Dennoch gibt es jedes Jahr von neuem heftigen Streit um Wasserentnahmequoten und Energielieferungen. Dennoch ist Zentralasien auch heute nach Aussagen von Wissenschaftlern weltweit die Region mit der ineffizientesten Wassernutzung. Immer wieder sind die geschlossenen Abmachungen trotz mancher Bemühungen nicht Wirklichkeit geworden, weil Entnahmequoten nicht befolgt werden oder wegen geschlossener Messposten gar nicht feststellbar sind. Die zuständigen Institutionen mit ihren sich zum Teil überschneidenden Aufgaben sind nicht mit den Befugnissen ausgestattet, die nötig wären, um das regionale Wassermanagement effektiv zu kontrollieren. Gleichzeitig erhöht sich der Wasser- und der Energiebedarf mit der wachsenden Bevölkerung und wirtschaftlichen Entwicklung Zentralasiens ständig, während sich andererseits die zur Verfügung stehenden Wasservorkommen durch den Klimawandel immer weiter vermindern.

Diese Situation fügt der Umwelt und der Wirtschaft der Länder Zentralasiens schweren Schaden zu. Ja, sie ist zu einer ernsthaften Bedrohung der Stabilität in der Region und darüber hinaus geworden. Dabei ist die Lösung im Grundsatz gar nicht streitig, denn sie ist die einzig mögliche: Zentralasien braucht einen funktionierenden Wasser-Energie-Verbund, , und der Wasserverbrauch insbesondere durch die Landwirtschaft muss deutlich gesenkt werden.

Eine gerechte Lösung muss dabei die Interessen aller beteiligten Staaten berücksichtigen und auf allgemein anerkannten Prinzipien und geltenden internationalen Konventionen fußen.

Meine Damen und Herren,

welche Rolle kann und soll hierbei Europa - und in diesem Rahmen auch mein Land Deutschland – spielen? Eines muss klar sein: Unser Wunsch ist es nicht, den zentralasiatischen Staaten Lösungen aufzudrängen. Es ist auch nicht unsere Absicht, das Thema Wasser weiter zu politisieren. Ein solches Vorhaben wäre bei diesem Thema, das hochsensible Bereiche nationaler Interessen berührt, von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Wir wollen vielmehr unsere eigene technische und administrative Erfahrung anbieten, um den betroffenen Parteien eine selbstständige Einigung zu erleichtern, eine Einigung, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und einem gerechten Ausgleich von Interessen beruht.

Mit diesem Ziel haben wir den Bereich Umwelt und Wasser in der Zentralasienstrategie der EU als Priorität unserer Zusammenarbeit festgelegt. Im Rahmen dieses prioritären Bereiches der EU-Unterstützung, der von Italien koordiniert wird, hat am 1. April 2008 der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf der Berliner Wasserkonferenz die Wasserinitiative Zentralasien ins Leben gerufen. Mit ihr wollen wir einen substanziellen Beitrag zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Wassermanagements in Zentralasiens leisten.

Hierfür haben wir erstens ein Projekt in Kooperation mit der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit ins Leben gerufen, das sich genau dieser Herausforderung nimmt. Es besteht aus drei Komponenten: der Stärkung der zentralasiatischen Wasserinstitutionen, wie etwa IFAS oder ICWC, der Förderung des grenzüberschreitenden Flussgebietsmanagements – etwa durch die Erarbeitung von Managementplänen – und schließlich der Umsetzung von bilateralen Pilotprojekten. Diese kleinen, aber sichtbaren Maßnahmen sollen den Ländern Zentralasiens Anstöße für ihre eigenen Anstrengungen bei der Verbesserung des Wassermanagements geben. So ist zum Beispiel in Turkmenistan ein Projekt zur Wiederverwendung von Drainagewasser aus dem Kollektorensystem des Chauzchan-Bewässerungskanals geplant. In Kirgisistan soll die Sicherheit des Tortgul-Staudamms gegen Erosionsschäden verstärkt werden.

In Usbekistan bieten wir an, den Bat-Bat-Bewässerungskanal in Stand zu setzen und Tröpfchenbewässerung einzurichten.

Unser zweites großes Vorhaben ist der Aufbau eines regionalen Forschungs- und Ausbildungsnetzwerks: Mithilfe von Satellitentechnik sollen hier computerbasierte Modelle produziert werden, die die Entwicklung von Wasserparametern voraussagen können. Diese Informationen sollen als Grundlage für politische Entscheidungen dienen.

Ein drittes Schlüsselvorhaben ist die Erweiterung des Studienangebots an der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) in Almaty um einen Studiengang zum Thema „Nachhaltiges Wassermanagement“ . Junge Studierende und Wissenschaftler aus der gesamten Region sollen hier in Zukunft verstärkt zu Themen der Wasserwirtschaft lernen und arbeiten.

Viertens schließlich wollen wir die Wasserexperten aus Europa und Zentralasien besser miteinander vernetzen. Hierfür organisiert die Bundesregierung regelmäßige Reisen für zentralasiatische Entscheidungsträger nach Deutschland.

All diese Projekte gehen auf Vorschläge der zentralasiatischen Länder selbst zurück und sind mit den zuständigen Ministerien abgestimmt. Notenwechsel als völkerrechtliche Grundlage des Gesamtprojektes sind zum Teil bereits abgeschlossen; wir hoffen auf raschen Abschluss der Notenwechsel mit allen fünf Ländern. Lassen Sie mich eines dabei betonen: Wir wollen diese Projekte nicht auf uns allein gestellt, sondern in Abstimmung mit anderen Partnern durchführen - allen voran natürlich der EU, aber auch der Wirtschaftskommission der VN für Europa (UNECE), die als Mitimplementierer bereits eng in unsere Projektarbeit eingebunden ist.

Meine Damen und Herren,

nach zwei Jahrzehnten internationalen Engagements im Einzugsbereich des Aralsees wird kein Geber für sich in Anspruch nehmen, neue, noch nie versuchte Rezepte anbieten zu können. Die haben auch wir nicht. Wir können nur immer wieder kleine Hilfestellungen geben – nicht mit enormen Geldbeträgen, sondern mit der Erfahrung und dem Sachverstand, die wir in Europa haben – Hilfestellungen für die zentralasiatischen Staaten, um so schnell wie möglich selbst zu einer nachhaltigen politischen Lösung zu kommen. Dazu gehört auch der Mut, regionale Institutionen mit echter Entscheidungsgewalt und Sanktionsmöglichkeiten auszustatten. Dass die regionale Kooperation durchaus funktionieren kann, zeigt beispielsweise die koordinierte Verwaltung des Tschui-Talas-Flussgebietes durch Kasachstan und Kirgisistan.

Meine Damen und Herren,

Unser Appell an unsere zentralasiatischen Partner lautet: Lassen wir auf Worte Taten folgen. Die Unterstützung Deutschlands und der Europäischen Union dafür ist Ihnen gewiss.

Vielen Dank.

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