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Rede von Bundesaußenminister Steinmeier vor der Deutsch-Südafrikanischen Binationalen Kommission, 24.10.2006

24.10.2006 - Rede

-- Es gilt das gesprochene Wort! --

Sehr geehrte Frau Ministerin,
Exzellenzen,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

bald feiern wir ein kleines Jubiläum. Vor zehn Jahren, anläßlich des Staatsbesuchs von Nelson Mandela in der Bundesrepublik, wurde die Binationale Deutsch-Südafrikanische Kommission aus der Taufe gehoben.
Die Gründungsväter der Kommission können stolz sein. Gestern und heute hat die Kommission zum fünften Mal getagt, und die Berichte aus den Fachkommission offenbaren die erstaunliche Breite und Dichte der Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern.

Das gilt, wenn man sich deren gegenwärtigen Stand ansieht, zum Beispiel das gegenseitige Handelsvolumen - innerhalb von 10 Jahren eine Verdreifachung! - oder die wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Das gilt aber auch, wenn man in die Perspektive blickt, zum Beispiel auf das Jahr 2010, das für Südafrika unter ähnlichen Vorzeichen stehen wird wie 2006 für Deutschland: der Regentschaft von König Fußball! Ich komme später darauf zurück.

Südafrika, ich habe das bei unserem gestrigen Treffen bereits gesagt, hat für Deutschland eine herausragende Bedeutung in Afrika. Südafrika ist nicht nur das wirtschaftliche „Power House“ des Kontinents, Südafrika ist heute auch ein Anker und Exporteur von Stabilität in einer Region, die leider von viel zu vielen Krisen geschüttelt wird.
Südafrika hat sich nach dem Ende der Apartheid nicht darauf beschränkt, die eigenen Probleme anzugehen, sondern spielt heute auch eine politische Führungsrolle in Afrika und ist Motor bei den Prozessen politischer und wirtschaftlicher Integration auf dem Kontinent. Das zeigte einmal mehr das sehr gute Ergebnis, mit dem Südafrika vor einigen Tagen für die Jahre 2007 und 2008 als nichtständiges Mitglied in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gewählt wurde. Dazu Ihnen, Frau Kollegin, und Ihrem Land nochmals herzlichen Glückwunsch!

Südafrika ist für uns ein wichtiger, ein strategischer Partner. Mit der Binationalen Kommission haben wir ein Instrument, unsere Beziehungen kreativ zu gestalten. Und das ist notwendig, denn unsere gemeinsame Agenda ist mehr als voll, und wird es wohl auf absehbare Zeit bleiben!

Lassen Sie mich einige Themen nennen, in denen wir sehr eng zusammenarbeiten sollten und die weit über unsere bilateralen Beziehungen hinausgehen.
Am 1. Januar 2007 übernimmt Deutschland die Präsidentschaft der Europäischen Union für sechs Monate und den Vorsitz der G8 für das gesamte nächste Jahr. In beiden Organisationen wird, soweit wir das gestalten können, die Zusammenarbeit mit Afrika eine wichtige Rolle spielen.Wir alle wissen, wie wichtig Stabilität und Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent für Frieden und Sicherheit in der gesamten Welt sind.
Europa und Afrika sind zudem als Nachbarkontinente in ganz besonderem Maße auf einander angewiesen und durch ihre Geschichte miteinander verbunden. Im Dezember 2005 verabschiedete die EU eine EU-Afrika-Strategie. Aber unser gemeinsames Ziel geht weit darüber hinaus. Unser Ziel ist eine gemeinsame Strategie der Europäischen Union und Afrikas, eine Strategie, die wir gemeinsam erarbeiten und anschließend gemeinsam umsetzen wollen. Die Arbeiten hierzu haben begonnen: Am 8. Mai 2006 haben EU und die Afrikanische Union hierzu ein gemeinsames Aktionspapier angenommen. Wir werden diese Arbeiten engagiert fortführen.

Eines wird dabei ganz entscheidend sein, und darin weiß ich mich gerade mit unseren südafrikanischen Partnern einig: Afrika braucht Unterstützung von außen, und die EU ist sich ihrer Verantwortung bewusst. Die Zukunft Afrikas wird aber nur gelingen, wenn die Menschen in Afrika, wenn die afrikanischen Staaten selbst dafür die Verantwortung übernehmen. Eigenverantwortung, afrikanische Eigenleistungen und gute Regierungsführung müssen Kernstück der Strategie sein.
Ziel ist es, die Arbeiten soweit voranzubringen, dass wir das gemeinsame Programm bei einem EU-Afrika-Gipfel verabschieden können, der voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2007, dann schon unter portugiesischer Präsidentschaft, stattfinden wird.
Wir wissen alle, dass wir bis dahin Einigkeit auch gegenüber Simbabwe brauchen, dessen politische Führung unsere gemeinsame Vision derzeit ganz und gar nicht teilt.

Afrika wird auch einer der Schwerpunkte unserer G8-Präsidentschaft. Dies gilt für den Gipfel in Heiligendamm, den „Outreach“-Gipfel und den Außenministerprozess. Dies gilt auch im Zusammenhang mit den Themen der energiepolitischen Zukunft und sicheren Energieversorgung, denen wir uns bei einem weiteren Treffen der Außenminister, voraussichtlich im Mai 2007, widmen wollen.
Südafrika war Mit-Urheber der Reform-Initiative „NEPAD“ (New Partnership for Africa's Development), einer weitsichtigen, in Afrika selbst erarbeiteten Initiative, die notwendige Reformen fördern soll. Die G8 unterstützen NEPAD mit dem G8-Afrika-Aktionsplan aus dem Jahr 2002 und mit einem Plan zum Aufbau afrikanischer Krisenbewältigungsfähigkeiten aus dem Jahr 2003.

Dies alles sind positive Ansätze, gewiss. Aber die Ehrlichkeit unter guten Partnern gebietet es auch festzustellen, dass das Afrikabild in Europa immer noch stark von Krisenbildern geprägt ist: Sudan, Kongo, Cote d'Ivoire.
Natürlich, die internationale Staatengemeinschaft und wir Europäer insbesondere haben hier eine Verantwortung. Sie wissen, dass Deutschland engagiert ist, beispielsweise im Rahmen von EUFOR im Kongo oder UNMIS im Sudan. Aber wichtig ist, dass sich auch hier die Afrikaner selbst einschalten. Südafrika engagiert sich im Kongo, im Sudan, in Burundi und anderswo.
Wichtig erscheint mir auch, die regionalen und gesamtafrikanischen Institutionen zu stärken. Dies gilt insbesondere für die Afrikanische Union, deren Rolle beim Krisen- und Konfliktmanangement, als Vermittlerin und bei humanitären Eingriffen weiter gestärkt werden muss. In der Art, wie sich die AU, angetrieben vor allem auch von Südafrika, immer mehr als Ansprechpartnerin für den gesamten Kontinent etabliert und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, sehe ich ein neues Selbstverständnis, sehe ich das Selbstverständnis eines selbstbewußten Afrikas, das die Verantwortung für die Belange des Kontinents in die eigenen Hände nehmen möchte.

Im Jahre 2010 wird die ganze Welt, werden - ohne Übertreibung - Milliarden von Menschen auf Südafrika schauen. Die Rede ist von der Fußball-Weltmeisterschaft 2010. Unsere Erfahrungen mit der WM 2006 haben gezeigt, dass es kaum ein Sportereignis gibt, das solch gewaltige Euphorie entfachen und eine so ansteckende Fröhlichkeit verbreiten kann. Dass sollten Sie in Erinnerung behalten, auch wenn bei der Vorbereitung immer neue Probleme zu lösen sind - die Organisatoren bei uns können ein Lied davon singen.
Denken Sie an die schönen Bilder vom Public Viewing, von der Berliner Fanmeile. Und wenn ich mir dann vorstelle, wie in vier Jahren Südafrikanerinnen und Südafrikaner, gemeinsam mit Menschen aus aller Welt, in ihren Stadien und bei Public Viewings feiern werden: Auf diese Bilder können wir uns heute schon freuen!
Es ist ein wundervolles Geschick, dass wir Deutschen den Ball nun an Südafrika spielen können. Sie haben sicher nichts dagegen, wenn wir in vier Jahren gegeneinander im Endspiel um den WM-Pokal kämpfen.
In diesem Sinne, Frau Ministerin, meine sehr verehrten Damen und Herren: „Keep the ball rolling!“

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