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„Brauchen ein Ende der Kämpfe, um politisch voranzukommen“

16.09.2016 - Interview

Am Tag nach seiner Ukraine-Reise äußert sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Interview über den aktuellen Waffenstillstand in der Ostukraine. Erschienen am 16.09.2016 in der Bild.

Gibt´s jetzt Frieden in der Ukraine?

Das ist unser Ziel, aber so weit sind wir leider noch nicht. Immerhin – seit gestern um Mitternacht herrscht Ruhe auf beiden Seiten der Frontlinie wie schon lange nicht mehr – das haben uns die OSZE-Beobachter in der Ostukraine bestätigt. Es war wichtig, dass wir diese Waffenruhe während meines Besuchs mit meinem französischen Kollegen in Kiew vermitteln konnten. Denn wir brauchen ein Ende der Kämpfe, um politisch voranzukommen. Bis zur vollständigen Umsetzung des Minsk-Abkommens liegt noch viel Arbeit vor uns.

Warum sollte dieser Waffenstillstand besser funktionieren als der davor?

Ob diese Feuerpause hält, hängt einzig und allein vom politischen Willen der Konfliktparteien ab! Unsere Aufgabe ist es, Vorschläge zu machen, wie die Feuerpause zu einem nachhaltigen Waffenstillstand ausgebaut werden kann. Das haben wir in den letzten Wochen und Monaten in intensiver Pendeldiplomatie getan. Vorrangiges Ziel: eine Entflechtung der kämpfenden Einheiten, Rückzug der schweren Waffen, ungehinderte Kontrolle durch die OSZE-Beobachter. Das ist wegen des totalen Vertrauensverlusts auf beiden Seiten viel schwieriger, als es sich auf den ersten Blick anhört. Aber die Vereinbarungen sind jetzt unterschriftsreif. Ich erwarte von allen Konfliktparteien, dass sie da Anfang nächster Woche in der Kontaktgruppe mitgehen. Präsident Poroschenko hat uns die Zustimmung der Ukraine zugesagt, und auch aus Moskau kommen positive Signale.

Ist der Minsker Friedensplan damit überholt?

Nein, all‘ dies ist ja gerade Teil der Minsker Vereinbarungen – sie bleiben die Richtschnur für unsere Bemühungen. Sie sind das Beste, was wir haben, und immer noch der richtige Fahrplan zur Überwindung des Konflikts in der Ostukraine. Sicherheit und politische Fortschritte bedingen sich gegenseitig. Hält die Waffenruhe, können wir auch im politischen Prozess vorankommen. Und umgekehrt. Daran arbeiten wir - mit großer Hartnäckigkeit.

Ist das ein Waffenstillstand von Putins Gnaden?

Eine Feuerpause braucht den Willen dazu auf beiden Seiten. Es geht nicht ohne Moskau. Was auch immer die Motive dafür sein mögen, dass beide Seiten jetzt das Kämpfen eingestellt haben: Ich bin froh, dass es so ist, weil es uns etwas Luft schafft, all die schwierigen offenen Fragen anzugehen, die noch gelöst werden müssen, um wirklichen Frieden zu erreichen.

Hält sich Russland jetzt raus aus der Ukraine?

Die Aufforderung an die Separatisten zur Einstellung der Kampfhandlungen kam ja aus Moskau. Wir verhandeln im Normandie-Format unmittelbar mit Russland, und nicht mit den Separatisten. Meine französischer Kollege und ich sind in Kiew nicht müde geworden, immer wieder zu versichern, dass die Einheit und Unabhängigkeit der Ukraine für uns nicht verhandelbar sind.

Interview: Hanno Kautz

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