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„Verantwortungsvolle Außenpolitik ist vorsorgende Außenpolitik.“ Von Außenminister Steinmeier

22.11.2014 - Interview

Außenminister Frank-Walter Steinmeier äußert sich zu den Schwerpunkten deutscher Außenpolitik. Der Namensbeitrag erschien auf huffingtonpost.de und auf spd.de.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier äußert sich zu den Schwerpunkten deutscher Außenpolitik. Der Namensbeitrag erschien auf huffingtonpost.de und auf spd.de.

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„Was ist falsch an der deutschen Außenpolitik?“ Mit dieser Frage befasst sich das von mir angestoßene Projekt ‚Review 2014 - Außenpolitik Weiter Denken'. Ziel von „Review 2014“ ist es, eine breite und selbstkritische Debatte über Ziele, Interessen und Perspektiven deutscher Außenpolitik zu starten.

Wir haben Experten aus der ganzen Welt gefragt, was sie von Deutschlands Rolle in der Welt erwarten. Die Meinungen sind vielfältig, teilweise widersprüchlich. Aber sie haben alle einen gemeinsamen Nenner: Die Erwartungen an unser Land sind enorm hoch. In den über 50 Beiträgen heißt es zum Beispiel: Deutschland soll „die Europäische Union revitalisieren“, es soll wieder die „Rolle des Mustereuropäers erlangen“, gleichzeitig möge Deutschland ein „präventive Stabilisierungspolitik in der europäischen Peripherie“ vorantreiben.

Als ich zu Beginn meiner Amtszeit diesen Prozess ins Leben gerufen habe, hätte ich nicht gedacht, dass sich die Frage nach außenpolitischer Verantwortung so schnell und so konkret stellen würde. Dass in unserer Nachbarschaft in der Ukraine ein Konflikt wüten würde, der soviel Zündstoff hat, dass er den so sicher geglaubten Frieden auf dem europäischen Kontinent bedroht, hatte keiner auf dem Radar.

Geographisch weiter weg, aber nicht minder gefährlich ist die Lage im Nahen und Mittleren Osten. Abscheulichste Bilder und Berichte von Plünderungen, Versklavungen, Enthauptungen durch die Terrormiliz der ISIS laufen täglich über unseren Bildschirm und zeigen, dass ISIS nicht nur den Irak und Syrien, sondern die gesamte Region und auch uns in Europa bedroht. In Israel und Palästina spitzt sich die Lage von Tag zu Tag dramatisch zu. Die religiöse Überlagerung gibt dem Konflikt eine neue gefährliche Dimension.

Ich war in den letzten Monaten im gesamten Land unterwegs und habe mit vielen Menschen über deutsche Außenpolitik und über die Verantwortung unseres Landes diskutiert. Was deutlich wird: Die Menschen sind skeptisch, sie sind unsicher. Zu oft wird Verantwortung auf militärisches Engagement verkürzt.

Dieser Fehlwahrnehmung müssen wir unbedingt entgegentreten und klar machen, was wir meinen, wenn wir von Verantwortung in der Außenpolitik sprechen. Dies gilt umso mehr, als dass wir leider davon ausgehen müssen, dass Krisen, wie wir sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt erleben, zur Normalität der nächsten Jahre gehören werden. Das verlangt der Außenpolitik einiges ab. Zumal wir viel über offene Konflikte und Kriege sprechen, die zahlreichen verhinderten Krisen aber kaum wahrnehmen. Auch hier steckt viel Arbeit dahinter. Denn verhindert werden Konflikte vor allem auch durch gute Präventionsarbeit, oder anders gesagt: durch vorsorgende Außenpolitik.

Mit dem ‚Aktionsplan Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung' hatte die rot-grüne Bundesregierung vor 10 Jahren einen Plan zur vorsorgenden Außenpolitik auf den Weg gebracht. Seither haben wir die Mittel für zivile Krisenprävention verzehnfacht. Allein im Haushalt des Auswärtigen Amtes sind es im laufenden Jahr über 150 Millionen Euro. Diese Wegrichtung wollen wir beibehalten.

Was meine ich, wenn ich von vorsorgender Außenpolitik spreche? Vorsorgende Außenpolitik bedeutet für mich: Besser gezielt und flexibel in Stabilität und Frieden investieren, als spät - und oft zu spät - eingreifen zu müssen!

Vorsorgende Außenpolitik ist für mich auch die passende Überschrift - zum Beispiel für den mutigen Dienst von hunderten zivilen Experten aus Deutschland in Friedensmissionen rund um den Globus. Sie steht aber auch für die Arbeit der Einrichtungen, die Krisen-Früherkennung und zivile Lösungsansätze erforschen.

Hier müssen wir uns nicht verstecken. Und gerade wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten tun gut daran, dies öffentlich laut zu sagen. Das würde helfen, damit deutsche Außenpolitik nicht immer wieder auf die zwei Extreme ‚Entweder Militäreinsätze oder bloß Reden' verkürzt wird. Für unsere vorsorgende Außenpolitik gibt es viele gute Beispiele.

Ein Schwerpunkt vorsorgender Außenpolitik ist die Stärkung von Staatlichkeit. In Tunesien, Niger oder in Tschad tun wir das durch unsere Polizeiausbildung. In Kenia unterstützen wir Staatlichkeit mit der Einrichtung einer Kammer für Völkerstrafrecht am Obersten Gerichtshof. Im Fokus der Syrien-Flüchtlingskonferenz, zu der ich vor wenigen Tagen ins Auswärtige Amt eingeladen hatte, standen bewusst die Nachbarstaaten Syriens. Hier ging es uns darum, öffentliche Infrastrukturen unter dem Ansturm von Millionen Flüchtlingen zu sichern.

Zur vorsorgenden Außenpolitik gehört auch die Unterstützung regionaler und multilateraler Strukturen zur Friedenssicherung. Ein gutes Beispiel hierfür ist unsere langjährige Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union. Unter anderem helfen wir dabei, dass bis 2017 alle Staatsgrenzen in Afrika völkerrechtlich wirksam vereinbart und markiert werden.

Ein weiterer Schwerpunkt vorsorgender Außenpolitik liegt in Friedensmediation und friedlicher Konfliktlösung. Ich denke hier an den Nationalen Dialog in der Ukraine, den wir mit aus der Taufe gehoben haben; an unsere Nil-Initiative, bei der wir mit neuen Ideen zur gemeinsamen Wassernutzung zwischen Ägypten, Sudan und Äthiopien vermitteln wollen. Meine Reise nach Korea, wo es enormes Interesse an unseren Erfahrungen der Wiedervereinigung gibt, hat mir besonders deutlich gemacht, inwieweit die deutsche und europäische Geschichte ein dramatisches Beispiel dafür ist, wie Krieg und Konflikt sich in kurzer Zeit in Frieden und Zusammenarbeit verwandeln können.

Um das Bewusstsein zur Bedeutung dieses Themas auch in der Öffentlichkeit zu schärfen, lädt das Auswärtige Amt am 25. November zu der Konferenz „Deutschland als Vermittler? Friedensmediation und Mediation Support in der deutschen Außenpolitik“ ein. An der Konferenz nehmen Gernot Erler und Edelgard Bulmahn teil. All diese Beispiele zeigen: Der Instrumentenkasten von Außenpolitik ist viel umfangreicher und vielschichtiger, als manch verkürzte Debatte ihn darstellt. Diese Beispiele zeigen aber auch, dass wir mit unserer vorsorgenden Außenpolitik ganz gut dastehen und Verantwortung übernehmen. Der Erfolg vorsorgender Außenpolitik ist nicht immer sofort sichtbar, aber mit Blick auf das, was um uns herum passiert, mit Blick auf die vielen Krisen und Konflikte, die die Welt bedrohen, gilt: Ihr Mehrwert ist langfristig unschätzbar!

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