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„Unser Interesse ist es nicht, Russland dauerhaft zu isolieren“

21.09.2014 - Interview

Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Interview mit den Lübecker Nachrichten (21.09.) zum G7-Außenministertreffen im kommenden Jahr, zur Ebola-Epidemie und zu den aktuellen Krisen in der Ukraine und in Irak / Syrien.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Interview mit den Lübecker Nachrichten (21.09.) zum G7-Außenministertreffen im kommenden Jahr, zur Ebola-Epidemie und zu den aktuellen Krisen in der Ukraine und in Irak / Syrien.

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Herr Minister, das G7-Außenministertreffen im April 2015 soll in Lübeck stattfinden. Sie haben den Vorsitz, warum laden Sie nach Lübeck?

Viele meiner Außenminister-Kollegen kennen die Hauptstadt Berlin. Ich möchte ihnen auch andere Regionen Deutschlands zeigen. Was liegt da näher als Lübeck, die Kultur-Hauptstadt des Nordens, in der drei Nobelpreisträger zu Hause sind, darunter ein Friedensnobelpreisträger? Lübeck ist für mich eine wunderschöne Stadt, ein echtes Schmuckstück und als Heimat der Buddenbrooks weltberühmt. Ich bin mir sicher, dass die schöne Altstadt mit der Backsteingotik eine ganz besondere Tagungsatmosphäre für unser Treffen schafft, die man für gute Gespräche braucht.

Was verbinden Sie persönlich mit der Stadt?

Für einen deutschen Außenminister, zumal einen der Sozialdemokratie, ist Lübeck natürlich mit Willy Brandt verbunden. Ich erinnere mich gut an meinen letzten Besuch in Lübeck anlässlich des 100. Geburtstages von Willy Brandt — einer Feier mit großer internationaler Beteiligung, bei der Lübeck ein hervorragender Gastgeber war.

Als Hansestadt ist Lübeck dem Ostseeraum traditionell eng verbunden. Hat das auch eine Rolle gespielt?

Fast sieben Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkrieges hätte wohl niemand mehr damit gerechnet, dass Fragen von Krieg und Frieden nach Europa zurückkehren.

Leider ist das geschehen. Da ist es schon ein Zeichen, dass wir in einer Hansestadt über die Stärkung internationaler Beziehungen reden. Die Hanse ist ja ein Beispiel dafür, wie man bei allen unterschiedlichen Interessen über staatliche, sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg ein Modell der Zusammenarbeit gefunden hat, das großen Teilen Europas Wohlstand und ein friedliches Miteinander gebracht hat.

Russland ist im April nicht dabei. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass aus G7 wieder G8 wird?

Das Aussetzen der Mitgliedschaft Russlands war kein Selbstzweck, sondern eine Reaktion auf das Vorgehen gegen die Ukraine, insbesondere auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim. Unser Interesse ist es nicht, Russland dauerhaft zu isolieren. Nach der Vereinbarung des Zwölf-Punkte-Plans zwischen Präsident Putin und Präsident Poroschenko kann Russland beweisen, dass es sich an Verabredungen hält und die Einheit der Ukraine achtet. Passiert das, können wir wie angekündigt über die Rücknahme von Sanktionen entscheiden — und auch darüber, ob wir von G7 zu G8 zurückkehren.

Der Waffenstillstand in der Ukraine hält einigermaßen. Eine Folge der Sanktionen?

Vielleicht ist es eher so, dass beide Seiten an den Punkt gekommen waren, an dem sie erkennen mussten, dass eine militärische Lösung des Konflikts nicht möglich ist, sondern nur weitere Tausende von Todesopfern bedeutet hätte. Aber ganz sicher haben die Sanktionen tiefe Spuren in der russischen Wirtschaft hinterlassen. Der Kapitalabfluss ist stark gewachsen, die Zurückhaltung ausländischer Investoren ebenso. Die Notenbank musste intervenieren, um den Rubel zu stützen. Eine Fortsetzung der bisherigen russischen Politik gegenüber der Ukraine wäre mit ernsten wirtschaftlichen Folgen verbunden.

Sind Sie im Ukraine-Konflikt optimistischer geworden?

Nicht in dem Sinne, dass wir in naher Zukunft wieder in die Normallage europäisch-russischer Beziehungen zurück pendeln. Dazu ist zu viel Vertrauen zerstört worden. Aber wir waren in einer ausgesprochen gefährlichen Situation, in der eine offene militärische Konfrontation zwischen russischen und ukrainischen Streitkräften immer wahrscheinlicher wurde.

Das zeigt, wie viel durch eine Waffenruhe, mag sie auch brüchig sein, schon gewonnen ist. Das ist zwar noch nicht die politische Lösung, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Politische Lösungen entstehen nicht im Mündungsfeuer von Gewehren. Man braucht diese Phase des Waffenstillstands, um sie wieder möglich zu machen.

Tut Deutschland genug, um die Ebola-Epidemie in Afrika einzudämmen?

Wir müssen alle noch mehr tun, um der Ebola-Krise Herr zu werden. Wir haben schon früh reagiert und bereits Anfang Juli die ersten Hilfen zur Verfügung gestellt.

Inzwischen hat Deutschland 17 Millionen Euro für den Kampf gegen Ebola bereitgestellt. Wir unterstützen die Vereinten Nationen und internationale Hilfsorganisationen, liefern humanitäre Hilfe und ein Feldlazarett. Das sind substanzielle Hilfen, die von der Ebola-Epidemie betroffenen Menschen zu Gute kommen.

„Ärzte ohne Grenzen“ fordert komplette Krankenstationen und ausgebildetes Personal.

Unsere humanitäre Hilfe erstreckt sich inzwischen auf eine Vielzahl von Krisenherden, insbesondere den Irak und Syrien, aber auch die Ukraine. Trotzdem arbeiten wir mit großer Energie daran, zusätzliche Ebola-Behandlungskapazitäten zu beschaffen, um den Menschen und den Regierungen in den betroffenen Gebieten zu helfen. Am Freitagabend hat es auf meine Initiative im Auswärtigen Amt ein Gespräch der an der Bekämpfung der Ebola-Epidemie beteiligten Ministerien gegeben. Hier wurden erneut zusätzliche Hilfen vereinbart. Gebraucht wird etwa ein Drehkreuz vor Ort, das die aus aller Welt eintreffenden Hilfsgüter regional verteilt. Wir werden uns dieser Aufgabe gemeinsam mit Frankreich annehmen. Die Bundeswehr wird eine Luftbrücke einrichten, und wir unterstützen das Deutsche Rote Kreuz bei der Einrichtung eines mobilen Krankenhauses. Wir lassen Staaten wie Sierra Leone, Guinea und Liberia in ihrem verzweifelten Kampf gegen die Epidemie nicht allein.

Die Welt ist aus den Fugen geraten, haben Sie jüngst im Bundestag gesagt. Müssen wir wieder mehr Geld für Sicherheit und Verteidigung ausgeben?

Wenn Außen- und Sicherheitspolitik Konjunktur hat, hat das auch damit zu tun, dass es in der Welt nicht unbedingt friedfertig zugeht. Wir müssen um der eigenen Sicherheit willen wohl auch wieder mehr Augenmerk auf die Bedingungen in der Welt um uns herum legen. Die Zeit ständig sinkender Verteidigungsbudgets ist vermutlich vorbei. Das bedeutet aber in erster Linie, dass wir über den Umfang und aber auch die Grenzen unserer außenpolitischen Verantwortung werden reden müssen.

Interview: Arnold Petersen. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Lübecker Nachrichten.

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