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Außenminister Steinmeier nach Ende des Syrientreffens in München

12.02.2016 - Pressemitteilung

Das waren auch heute wieder schwierige und außerordentlich wichtige Gespräche, an einer kritischen Wegmarke.

Vier Mal sind wir im Wiener Format seit Oktober zusammengekommen. Viermal haben die Menschen in Syrien und die Weltöffentlichkeit mit Bangen auf Fortschritte zur Beendigung des schrecklichen Bürgerkriegs gehofft.

Jedes Mal ging es um viel. Heute galt das ganz besonders. Wir standen vor der Wahl: Entweder wir finden einen Weg hin zu einer politischen Lösung oder Syrien versinkt weiter in Jahren von Krieg, Gewalt und Terror.

Alle entscheidenden internationalen und regionalen Spieler saßen hier in München am Tisch. Wir haben miteinander gerungen, auch gestritten. Die Interessenkonflikte sind auch heute wieder deutlich zutage getreten. Und dennoch gab es eine gemeinsame Basis: Es gibt keine militärische Lösung! Alle haben dem zugestimmt. Und alle haben sich ohne Wenn und Aber zu den Wiener Grundsätzen und dem Wiener Fahrplan bekannt.

Mehr noch: Wir haben konkrete Schritte vereinbart. Es gibt ab heute Abend die Münchener Verpflichtungen für alle Konfliktpartien. Wir haben heute klare Absprachen über die Gewährung von humanitärem Zugang durch alle Seiten und eine landesweite Feuerpause getroffen.

Ob das wirklich ein Durchbruch ist, werden wir schon in wenigen Tagen wissen. Dann nämlich, wenn die ganze Welt zu sehen bekommt, ob die heutigen Vereinbarungen auch tatsächlich eingehalten und umgesetzt werden, vom Assad-Regime genauso wie von der syrischen Opposition, von Hizbollah genauso wie von oppositionellen Milizen, auch von Russland.

Was haben wir erreicht?

Erstens - Humanitäre Zugänge zur Versorgung der Not leidenden Menschen in den belagerten Städten und Dörfern Syriens.

Wir haben vereinbart, dass die leidenden Menschen in vielen konkret benannten Ortschaften jetzt aus der Luft oder mit Lkw-Konvois mit humanitärer Hilfe versorgt werden sollen, vor allem mit Lebensmitteln und Medikamenten.

Wir haben vereinbart, dass auch an anderen Orten in Syrien die Verweigerung von Hilfslieferungen nicht mehr akzeptiert wird, dass die UN und andere Hilfsorganisationen überall im Land Zugang erhalten sollen und den Menschen helfen können, und zwar ganz unabhängig davon, auf welcher Seite die Notleidenden stehen mögen.

Es gibt keine Vorwände und keine Ausreden mehr. Wir haben eine von den UN geleitete Task Force ins Leben gerufen, die dafür Sorge zu tragen hat, dass die Münchener Verpflichtungen für humanitären Zugang auch umgesetzt werden.

Ich setze darauf, dass diese Task Force für humanitäre Fragen jetzt sofort, am besten schon morgen hier ihre Arbeit aufnimmt.

Hier und heute ist damit der Weg dafür frei, dass wir Tausende bedrohte Menschenleben retten und Hunderttausende Menschen in Syrien schnell eine spürbare Verbesserung ihrer humanitären Lage erleben können.

Zweitens – Reduzierung der Gewalt und Einstellung der Kampfhandlungen: Seit heute Abend, hier in München, gibt es die klare Münchener Verpflichtung für alle Seiten, innerhalb von wenigen Tagen alles für eine landesweite Feuerpause zu tun [wohlgemerkt: nicht im Kampf gegen IS und al- Nusra].

Das heißt, dass alle bis zu diesem Zeitpunkt ihre Kampfhandlungen einzustellen haben, wohlgemerkt alle. Jetzt geht es darum, dass Moskau und Teheran das Assad-Regime dazu bringen, die Waffen ruhen zu lassen. Das gilt auf der anderen Seite auch für die zahlreichen Verbände und Milizen der syrischen Opposition, die das Kämpfen einzustellen haben.

Weiter gilt: Wir brauchen weiter massiven Druck von außen. Es muss gelten: Wer nicht mitmacht, zeigt nicht nur vor den Augen der Welt, dass er an einer politischen Lösung nicht interessiert ist. Er muss auch mit allen Konsequenzen für eine Verweigerung rechnen.

Auch dafür wird es ein enges Follow-up geben: Unter Führung Washingtons und Moskaus wird eine für die Überwachung der Feuerpause eingesetzte ISSG-Task Force prüfen, ob die Vereinbarungen von München tatsächlich eingehalten werden.

Das ist keine Garantie. Aber ist ein Weg, und zwar einer, der transparent machen wird, wer wirklich an einem Ende der Kämpfe interessiert ist und wer nicht.

Drittens – Politischer Prozess und Genfer Verhandlungen:

Es liegt noch viel Arbeit vor uns, all dies auch mit den Konfliktparteien am Boden umzusetzen. Aber: Wenn es uns gelingt, die heutigen Vereinbarungen tatsächlich in Syrien durchzusetzen, ist auch der Weg frei für die Fortsetzung der Friedensgespräche in Genf.

Und dann gibt es in Genf auch keine Nebenschauplätze, Entschuldigungen und Ausreden mehr. Dann muss und dann kann endlich verhandelt werden über die politische Zukunft Syriens und die Einrichtung einer nationalen Übergangsregierung, so wie die internationale Gemeinschaft das seit vier Jahren fordert.

Ich bin erleichtert, und mehr als das, ich freue mich auch, dass hier in München neue Hoffnung entstanden ist, mit einem belastbaren Fahrplan und einer echten Perspektive für eine politische Lösung – Hoffnung für die geschundenen Menschen in Syrien, für Deeskalation im Mittleren Osten, und auch für uns in Europa mit einer Minderung des Drucks der Flüchtlingsströme aus der Region.

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