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Rede von Staatsminister Gloser anlässlich des Runden Tisches „Die Hinwendung der Europäischen Union zur Mittelmeerregion - Europa und seine Nachbarn“ in Paris

26.11.2007 - Rede

„Wir alle haben ein Interesse an Stabilität und wirtschaftlicher Prosperität der Mittelmeerregion“, so Staatsminister Günter Gloser. Bei einer Veranstaltung zum Thema „Europa und seine Nachbarn“ in Paris sprach der Staatsminister über die Ziele sowie die Instrumente der EU-Mittelmeerpolitik. Es sei notwendig, so Gloser, die Instrumente der Zusammenarbeit -allen voran den Barcelona-Prozess- zu überprüfen: „Er ist hinter seinem Potential zurück geblieben“.

-Es gilt das gesprochene Wort-

Ich freue mich über die Gelegenheit, hier und heute über die Außenpolitik der Europäischen Union mit Blick auf die Mittelmeerregion zu diskutieren.

Diese ruht vor allem, aber nicht ausschließlich, auf zwei Säulen:

Zum einen auf der Euro-Mediterranen Partnerschaft, dem so genannten Barcelona Prozess. Zum anderen auf der Europäischen Nachbarschaftspolitik.

Ziel und Aufgaben des Barcelona Prozesses finden sich in der Erklärung von Barcelona von 1995 und im Arbeits-Programm, das wir 2005 gemeinsam verabschiedet haben: Die Euro-mediterrane Partnerschaft soll einen Friedensprozess in der Region Nah- und Mittelost begleiten und das Leben nach Ende des Konflikts vorbereiten.

Mit dieser Zielsetzung sind die Möglichkeiten und Grenzen des Barcelona-Prozesses klar umschrieben. Er ist Forum für politischen Dialog aber nicht Forum zur Konfliktlösung.

Die euro-mediterrane Partnerschaft soll darüber hinaus die sozioökonomischen Entwicklungen in unseren Partnerländern unterstützen und einander annähern.

Wichtige Sektor-Politiken wie Bildung, Gesundheit und Umweltschutz, die ein jedes Staatswesen prägen und die Befindlichkeit seiner Bevölkerung entscheidend beeinflussen, sollen vorangebracht werden.

Außerdem sollen gemeinsame Positionen zu globalen Herausforderungen wie Energiefragen, Handelsmodalitäten oder Verkehrsstrukturen definiert werden. Und wir setzen uns für die internationalen Standards bei Rechtssicherheit, Menschenrechten und Guter Regierungsführung ein.

Die Umsetzung dieser überaus ehrgeizigen Agenda ist mehr als unbefriedigend.

Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus, als derjenige, der während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in unterschiedlichen Foren der euro-mediterranen Zusammenarbeit die Prioritäten der EU-Mittelmeerpolitik dargelegt hat, erlaube ich mir die Feststellung, dass der Barcelona Prozess hinter seinem Potential zurück geblieben ist.

Aber: Die Schwäche des Barcelona Prozesses ist nicht eine fehlende Effizienz der Europäischen Union. Sie liegt vielmehr in den Konflikten des südlichen Mittelmeeres.

Dennoch ist es richtig und wichtig, den Barcelona Prozess als Instrument der euro-mediterranen Zusammenarbeit nach 12 Jahren auf den Prüfstand zu stellen. Daher bin ich froh und dankbar, dass die französische Initiative zum Mittelmeerraum den Anstoß hierfür gegeben hat.

Die zweite, wichtige Säule unserer Zusammenarbeit mit der Mittelmeerregion ist die Europäische Nachbarschaftspolitik, die sich gleichermaßen an die südlichen und östlichen Nachbarn der EU richtet.

ENP umfasst alle Bereiche der EU-Beziehungen zum jeweiligen Partnerland, d.h. neben politischen und kulturellen Beziehungen auch z. B. Handelsliberalisierung, wirtschaftliche Integration oder sektorale Zusammenarbeit.

Wir kennen die Sorge darüber, dass die ENP sich angeblich vorrangig an die östlichen Nachbarn der EU wende und den Mittelmeerraum darüber vernachlässige. Dabei ist das Gegenteil der Fall.

Die Akzente, die wir in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gegenüber den östlichen ENP-Partnern gesetzt haben, waren notwendige Ergänzung der bereits bestehenden Zusammenarbeit mit den südlichen Nachbarn der EU.

So gelang mit der Zusammenlegung der früher getrennten Finanzinstrumente TACIS - für den Osten - und MEDA – für den Süden eine Steigerung der Gesamtmittel von über 31%. Sie kommen zu etwa 2/3 dem Süden und zu etwa 1/3 den östlichen Nachbarn zugute!

Mit den meisten ENP-Partnern sind inzwischen Aktionspläne vereinbart, die eine Agenda politischer und wirtschaftlicher Reformen mit kurz- und mittelfristigen Prioritäten enthalten. Hier geht es um maßgeschneiderte Unterstützung für und Zusammenarbeit mit unseren Partnerländern. Es geht um konkrete Unterstützung von Reformanstrengungen. Es geht aber auch um den Aufbau eines festen, belastbaren Beziehungsgeflechts der EU und ihrer Nachbarn.

Ich denke, es ist unbestritten, dass wir ein solch festes Geflecht brauchen, um Stabilität, Sicherheit und Wohlstand in unseren Nachbarstaaten, und dadurch auch in der EU selbst, zu fördern.

Diese Ziele der EU-Mittelmeerpolitik sind integraler Bestandteil der Außenpolitik der EU. Alle Mitglieder der EU haben sich auf sie verpflichtet. Wir alle haben ein Interesse an Stabilität und wirtschaftlicher Prosperitiät der Mittelmeerregion.

Lassen Sie mich dieses mit einigen, wenigen Beispielen holzschnittartig untermauern:

1. Migration

Marokko und Tunesien sind wichtigste Transitländer für afrikanische Migranten auf der westafrikanischen Route. Libyen ist Transitland für die zentral- und ostafrikanische Route. Zielländer sind auch die Nicht-Mittelmeeranrainer Deutschland, Österreich, Schweden und Belgien.

Migration darf nicht zu einem außen- und innenpolitisch destabilisierenden Faktor werden. Der Europäische Rat hat sich daher im Dezember 2005 auf den Gesamtansatz Migration mit Schwerpunkt Afrika und Mittelmeerraum verständigt.

Dieser Ansatz sieht vor, im partnerschaftlichen Dialog und durch enge Kooperation mit den südlichen Nachbarregionen der EU die positiven, z.B. entwicklungsfördernden Aspekte der Migration zu nutzen und die negativen zu verringern.

Hierzu gehört eine weitere Stärkung von Frontex, die sich in Zukunft auch in gemeinsamen Operationen niederschlagen sollte; hier gilt es, bestehende Vorbehalte bei unseren Med-Partnern zu überwinden.

Außerdem war die erste Euromed-Ministerkonferenz zu Migration vor einer Woche in Portugal ein Schritt in Richtung engerer Zusammenarbeit im institutionalisierten Euromed-Rahmen. So wurden konkrete Projekte zu legaler Migration, zur Bekämpfung illegaler Migration sowie zu Migration und Entwicklung vereinbart.

2. Sicherheitspolitik

Der Konflikt in der Mittelmeerregion bedroht die Sicherheit des gesamten euro-mediterranen Raums und darüber hinaus. Eine Eskalation z.B. des Nahostkonflikts würde nicht an den Grenzen des Mittelmeeres Halt machen. Ich hoffe sehr, dass die heute in Annapolis stattfindende Nahost-Konferenz den Auftakt zu Endstatus-Verhandlungen zwischen Israel und der palästinensischen Seite geben wird.

3. Terrorismusbekämpfung

Beim hochrangigen Treffen der Euromed-Staaten in Brüssel am 13.11. haben alle Seiten ihre Entschlossenheit bei der Bekämpfung des Terrorismus als einer weltweiten, uns alle gleichermaßen betreffenden Bedrohung bekräftigt.

Darüber hinaus hat die EU im Bereich der Terrorismusbekämpfung drei Mittelmeeranrainer, nämlich Algerien, Marokko und Tunesien als so genannte Prioritäten-Staaten ausgewählt, mit denen eine besonders intensive Zusammenarbeit besteht.

Algerien hat bereits rechtliche Zusammenarbeit, Bekämpfung der Internet-Kriminalität und der Terrorismus-Finanzierung als Prioriäten der Zusammenarbeit identifiziert.

4. Umwelt

Die EU-Kommission hat gerade einen Aktionsplan Meerespolitik vorgestellt, für den nicht zuletzt unter unserer Ratspräsidentschaft mit einer Konferenz in Bremen die Grundlagen gelegt wurden.

Die aktuellen EU-Vorschläge für integrierten Meeresschutz und EU-Beschlüsse, z. B. gegen illegale Fischerei und Bodenschleppnetze, müssen so gestaltet und umgesetzt werden, dass der Lebens- und Nutzungsraum Meer nachhaltig erhalten bzw. wiederhergestellt wird.

Der Schutz des Mittelmeers braucht tragfähige Kompromisse zwischen den vielfältigen Nutzungsansprüche an das Meer. Damit meine ich zum einen die Anforderungen des Ökosystems Meer, zum anderen Fischerei, Schifffahrt und Tourismus. Dies alles sind Themen, die auch in Deutschland aufmerksam verfolgt und diskutiert werden.

5. Energiepolitik

Diversifizierung und langfristige Sicherung der Energieversorgung ist gemeinsames Interesse aller EU-Länder. Nordafrika wird in diesem Zusammenhang eine immer wichtigere Rolle einnehmen.

Zum einen denke ich dabei an den Ausbau des Ölimports und des Gasimports. Für Deutschland vor allem über „Liquified Natural Gas“, aus Nordafrika. Besonders Algerien und Libyen, aber auch Ägypten, etablieren sich als bedeutende Energiepartner der EU.

Zum anderen existieren eher langfristig realisierbare Ideen für den Aufbau von Stromverbindungen zwischen Nordafrika und Südeuropa, mit deren Hilfe Strom aus erneuerbaren Energien, Stichwort Solarstrom, transportiert werden könnte.

Deutsche Firmen haben im Solarbereich Technologien entwickelt, die in der Region auf großes Interesse stoßen.

6. Klima

Der letzte Bericht des Weltklimarats der Vereinten Nationen hat uns vor Augen geführt, dass Afrika mit am schwersten von den Folgen des Klimawandels betroffen sein wird. Nordafrika leidet bereits heute unter Trinkwasserknappheit und hat das höchste prognostizierte Bevölkerungswachstum weltweit.

Die vorhergesagten Niederschlagsrückgänge im Mittelmeerraum – auch im südlichen Europa – werden zusätzliche Belastungen durch erhöhten Druck auf Wasser- und Nahrungsmittelressourcen erzeugen. Die nordafrikanischen Länder können diese Probleme nicht allein schultern.

Durch Kooperation bei der Anpassung an den Klimawandel können wir dazu beitragen, den Druck auf diese Länder zu vermindern: Das ist unmittelbares europäisches Interesse.

Die wegweisenden Klima- und Energiebeschlüsse mit festen, verbindlichen Reduktionszielen des Frühjahrsgipfels haben ermöglicht, sich beim G8-Gipfel darauf zu verständigen, dass eine Folgevereinbarung zum Kyoto-Protokoll unter dem Dach der Vereinten Nationen anzustreben ist.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass die für die Europäische Union zentralen Themen und Politikbereiche auch in der EU, und zwar gleichberechtigt von allen Mitgliedstaaten, formuliert werden müssen.

Das schließt nicht aus, dass sich interessierte Länder zu gemeinsamen Projekten zusammenfinden, wie zum Beispiel Slowenien, Marokko und Frankreich zu Tourismusfragen. Ähnliches ist denkbar für den Sektor Verkehr oder Transport.

Das schließt auch regionale Kooperation im Rahmen der EU nicht aus. Ein Beispiel dafür ist der Stabilitätspakt Südosteuropa, der Projekte mit variabler Geometrie und maßgeschneiderter Finanzierung, auch durch interessierte Dritte ermöglicht. Das Entscheidende ist: Der Stabilitätspakt ist Teil der gemeinsamen Außenpolitik der EU.

Europa hat die institutionellen Voraussetzungen zu mehr Kohärenz im Außenhandeln geschaffen.

Wir haben uns darauf geeinigt, den Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik auch zum Vizepräsidenten der Kommission zu machen. Darüber hinaus haben wir ihm den Vorsitz im Außenministerrat übertragen.

Ein europäischer Auswärtiger Dienst, bestückt mit Mitarbeitern aus den Mitglied-Staaten, dem Rats-Sekretariat und der Kommission, soll den Hohen Vertreter unterstützen.

Auch deshalb sollten wir die französische Initiative zum Anlass nehmen, die Instrumente der Zusammenarbeit im Mittelmeerraum, allen voran den Barcelona Prozess, zu überprüfen. Wir sollten die bestehenden Instrumente so anpassen, dass regionale, projektorientierte Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Akteuren, aber im Rahmen der EU und damit als Teil der Außenpolitik der EU, möglich wird.

Vielen Dank.

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