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„Religionen sind geeignete Partner“

08.09.2017 - Interview

Außenminister Sigmar Gabriel im Interview mit „Kirche und Leben“ (September-Ausgabe)

Außenminister Sigmar Gabriel im Interview mit „Kirche und Leben“ (September-Ausgabe).

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Herr Minister, Sie haben vor einigen Monaten gefordert, das „Friedenspotenzial“ der Religionen müsse gefördert werden. Mit welchen positiven Eigenschaften können Religionen dies leisten?

Religionen bewahren ein tiefes Wissen um Schuld, Vergebung und Versöhnung. Ihre Gemeinschaften können für Ausgleich und Gerechtigkeit in den jeweiligen Gesellschaften eintreten. Sie haben ein langes Zeitverständnis, das etwa in der Friedensarbeit notwendig ist. Und Religionen machen an den Grenzen der Nationalstaaten nicht halt. Sie sind daher geeignete Partner für uns.

Religionen werden oft als Ursache für Konflikte auf der Welt angesehen. Wie beurteilen Sie diese Einschätzung?

Das ist richtig: Religion polarisiert und wird verantwortlich gemacht für Rückschrittlichkeit und Fanatismus, für Gewalt und sogar für Terror. In Wirklichkeit ist die Lage aber viel komplexer: Ökonomische, soziale, politische Motive vermischen sich häufig mit religiösen Identitäten zu einem explosiven Gemisch. Religion wird oftmals zur Mobilisierung gegen Außenstehende missbraucht. Ich glaube, dass es sich lohnt den Blick zu werfen auf das konstruktive, und eben nicht nur das aktuell scheinbar destruktive Potenzial von Religion.

Unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen von Kirchen und Religionsgemeinschaften um Verhandlungen und Dialog für den Frieden? Falls ja, können Sie dafür konkrete Beispiele nennen?

Unser Arbeitsstab „Friedensverantwortung der Religionen“ baut aktuell ein Netzwerk von internationalen religiösen Vertreterinnen und Vertretern auf, die sich in ihren Gesellschaften für Frieden und den interreligiösen Dialog einsetzen. Schon heute unterstützen wir beispielsweise die internationale Friedensarbeit der katholischen Laienbewegung Sant'Egidio. Vor kurzem war die Organisation maßgeblich an der Aushandlung eines Friedensabkommens in der Zentralafrikanischen Republik beteiligt.

Mischt sich die Bundesregierung durch ihr Vorgehen nicht zu sehr in religiöse Fachfragen ein?

Wir sind ein Land, in dem der Staat zwar religiös neutral ist. Aber er ist nicht laizistisch. Religion hat ihren Platz in unserem Land. Und so hat die Zusammenarbeit mit religiösen Akteuren auch ihren Platz in der deutschen Außenpolitik. Religiöse Akteure sind auch immer politische Akteure in ihren Ländern und spielen eine wichtige Rolle bei der Bearbeitung gesellschaftlicher Konflikte. Die Perspektive von Kirchen und Religionsgemeinschaften erweitert daher unsere außenpolitischen Analyse- und Handlungsmöglichkeiten.

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