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Rede des Koordinators für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, Dietmar Woidke, anlässlich des Deutsch-Polnischen Forums

19.11.2014 - Rede

--es gilt das gesprochene Wort--

Sehr geehrte Damen und Herren,

seien Sie herzlich willkommen in der Vertretung des Landes Brandenburg in Berlin.

Ich darf Sie heute gleich doppelt begrüßen. Als Ministerpräsident und in meiner Funktion als Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnischen Beziehungen. Und deshalb freut es mich umso mehr, dass Sie so zahlreich erschienen sind.

Ich darf Ihnen heute die Arbeit der Preisträger des Deutsch-Polnischen Preises vorstellen, denen ich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich gratulieren möchte. Der Preis wurde bereits zum 19. Mal durch die beiden Staatsregierungen vergeben. Zum Preis und den Preisträgern sage ich aber gleich noch mehr.

Das diesjährige Deutsch-Polnische Forum fällt mit einem bedeutenden Jubiläum zusammen.

Vor genau 25 Jahren hat die Friedliche Revolution unser aller Leben grundlegend verändert. Wie kein anderes Ereignis in der europäischen Geschichte steht sie dafür, dass der menschliche Freiheitswille stärker wiegt als Stacheldraht und Mauerbeton, als Überwachung und Unterdrückung.

Unsere polnischen Nachbarn haben 1989 vorgemacht, dass revolutionärer Wandel ohne revolutionäre Gewalt möglich ist. Wir wissen: Ohne den Mut der Solidarność säßen wir heute nicht hier. Dafür gilt den Polinnen und Polen unser fortwährender Dank und Respekt.

Bereits am 6. Februar 1989 tagte in Warschau zum ersten Mal der Runde Tisch. Er läutete nicht nur den Umbruch in Polen ein, sondern den Umbruch im gesamten Ostblock.

Dieser Umbruch war ein Wunder. Denn er war gewaltig und blieb doch gewaltfrei – mit wenigen Ausnahmen. Wenn wir heute auf die Krisenherde weltweit blicken, wird uns das einmal mehr bewusst.

Und es bereitet mir große Sorge, dass wir gerade in diesem Jubiläumsjahr miterleben müssen, wie andernorts in Europa Demokratie und Freiheitsrechte in ernster Gefahr sind.

Heute wurde bereits viel über die Situation in der Ukraine gesprochen. Russland hat mit der Besetzung der Krim und den andauernden Kämpfen in der Ostukraine die bestehenden Grenzen in Europa in Frage gestellt. Gerade vor dem Hintergrund unserer eigenen, deutschen Geschichte ist unsere Haltung hierzu unmissverständlich.

Ich sage ganz klar: Wir dürfen nicht zulassen, dass die Friedensordnung in Europa auseinanderbricht. Denn die Geschichte ist zwar unumkehrbar. Sie bewahrt Menschen jedoch nicht davor, alte Fehler neu zu begehen.

Das Jahr 1989 wurde zum europäischen, aber auch zum deutsch-polnischen Schicksalsjahr. Die Versöhnungsmesse vom 12. November 1989 in Kreisau war der symbolische Ausgangspunkt eines Neubeginns zwischen Polen und Deutschland.

Aus der Versöhnung ist Verständigung und mittlerweile festes Vertrauen entwachsen. Polen hat sich von Anfang an zu einem wiedervereinigten Deutschland bekannt – ein Bekenntnis, das nicht selbstverständlich war. Die Bundesrepublik wiederum hat sich stets dafür eingesetzt, dass Polen den Weg der europäischen Annäherung beschreiten konnte.

Gegenseitige Solidarität sowie gemeinsame Interessen – das ist das stabile Fundament, auf dem unsere Beziehungen ruhen.

Heute, im Jahr 2014, sind die Bande zwischen Deutschland und Polen so eng wie nie zuvor. Nicht nur zwischen unseren Unternehmen – Deutschland ist mit großem Abstand der Handelspartner Nummer 1 für Polen – sondern auch zwischen unseren Bürgerinnen und Bürgern.

Besonders sichtbar wird das unter anderem in der Grenzregion rund um die Doppelstädte Frankfurt-Oder und Słubice. Hier wird grenzüberschreitende Freundschaft tagtäglich gelebt und das beginnt schon bei den Kleinsten. In deutsch-polnischen Kitas auf beiden Seiten der Oder lernen bereits die Allerjüngsten, was „Grenzkompetenz“ bedeutet: Offenheit, Respekt und die Freude daran, aktiv aufeinander zuzugehen und voneinander zu lernen.

Gleichwohl: es gibt noch viel zu tun. Unsere Beziehungen sind gut, doch manche Verkehrsverbindung ist es noch nicht – um nur ein Beispiel zu nennen.

Und auch bei den Sprachkenntnissen müssen wir noch besser werden. Deshalb freut es mich auch sehr, dass es gelungen ist, den Handlungsspielraum des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes für die Förderung von Jugendbegegnungen auszuweiten. Denn die Jugend ist es, bei wir ansetzen müssen. Ihr gehört die europäische Zukunft!

Als Polen-Koordinator der Bundesregierung will ich meinen Beitrag dazu leisten, dass wir offene Fragen engagiert und beharrlich weiterverfolgen. Nicht alles geht von heute auf morgen – das ist klar. Aber die vergangenen 25 Jahre haben gezeigt: wo gemeinsamer Wille besteht, gibt es auch gemeinsamen Fortschritt.

Eine Freundschaft lässt sich nicht „von oben“ verordnen. Sie muss wachsen – und zwar von unten. Stiftungen, Vereine und engagierte Einzelpersonen, aber auch Schulen und Kommunen haben einen erheblichen Beitrag zur Annäherung zwischen Deutschen und Polen geleistet. Sie sind das Fundament, das unsere Freundschaft im Alltag trägt.

Ein wichtiger Akteur, der seit 20 Jahren an diesem Fundament mitwirkt, ist die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit.

Die Stiftung ist ein deutsch-polnisches Erfolgsprojekt. Ihre Geschicke werden paritätisch von Deutschen und Polen erfolgreich geleitet. Auch das heutige Deutsch-Polnische Forum wird von der Stiftung ausgerichtet. Daher an dieser Stelle einen herzlichen Dank !

Nun möchte ich aber die Gelegenheit nutzen, unsere diesjährigen Laureaten zum Deutsch-Polnischen Preis zu würdigen: Die Internationale Jugendbegegnungsstätte in Auschwitz und das Bildungs- und Begegnungszentrum Schloss Trebnitz.

Frank-Walter Steinmeier und Grzegorz Schetyna haben die Preisträger heute Nachmittag bereits im Namen der Regierungen beider Länder ausgezeichnet.

Als Ko-Vorsitzender des Preiskomitees kann ich Ihnen berichten: Die Entscheidung fiel einstimmig. Wir waren uns in dem paritätisch besetzten, deutsch-polnischen Preiskomitee einig: Beide haben den Preis redlich verdient. Beide ermöglichen seit mehr als 20 Jahren deutsch-polnische Begegnungen von Jugendlichen.

Allen Mitgliedern der Jury möchte ich auch im Namen des Ko-Vorsitzenden auf polnischer Seite, Staatssekretär Bartoszewski, sehr herzlich für die gute Zusammenarbeit danken.

„Danke sagen“ – das ist auch die Intention des Deutsch-Polnischen Preises. Der Preis würdigt das herausragende Engagement von Institutionen und Einzelpersonen, die sich für die deutsch-polnische Freundschaft verdient gemacht haben. Und er ermutigt andere, dem Beispiel der Preisträger zu folgen.

„Mut“ ist ein wichtiges Stichwort und es führt mich zum ersten Preisträger. Die Arbeit der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Auschwitz macht Mut.

Aus einem Ort des Grauens wurde in Auschwitz ein Ort des Gedenkens – und des Nachdenkens geschaffen. Junge Menschen aus Deutschland, Polen und anderen europäischen Ländern erleben in Auschwitz ganz konkret, was Freiheit und europäischer Frieden bedeuten. Hier werden Barrieren überwunden – zwischen Kulturen und Sprachen, aber vor allem auch zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Lieber Herr Heubner, ich freue mich, dass Sie heute gekommen sind, um die Stiftung Internationale Jugendbegegnungsstätte vorzustellen.

Die europäische Versöhnung hat über Hass und Unterdrückung, Fremdheit und Misstrauen gesiegt. Heute werden Brücken statt Zäune gebaut. Und wir wollen, dass es zwischen Deutschland und Polen noch mehr Brücken werden. Denn die Schlagbäume sind geöffnet – doch längst sind nicht alle Grenzen aus den Köpfen der Menschen verschwunden.

Hier setzt auch die Arbeit von Schloss Trebnitz an, unserem zweiten Preisträger. Lieber Herr Müller, seien auch Sie sehr herzlich willkommen. Seit vielen Jahren finden im Begegnungszentrum Schloss Trebnitz Projekte zur Jugendbeteiligung und Jugendbildung mit deutschen und polnischen Teilnehmern statt.

Das heißt: Hier entsteht ein Nährboden für grenzüberschreitendes politisches Denken und Handeln. Junge Menschen werden ermutigt, „Ja“ zu sagen und sich einzumischen in Europa. Und das brauchen wir!

Auschwitz und Trebnitz – das sind zwei Orte, die sich selbstverständlich nicht vergleichen lassen. Als wir uns in der Jury auf diese beiden Preisträger verständigt haben, ging es uns ausdrücklich nicht darum, Auschwitz, den Ort millionenfachen Mordes, mit Trebnitz zu vergleichen.

Worum es uns vielmehr ging, ist die ebenso engagierte wie professionelle pädagogische Arbeit dieser beiden Begegnungszentren. Beide bringen Jugendlichen aus Deutschland, Polen und ganz Europa zusammen – ihre Arbeit ist ganz klar auf die Zukunft gerichtet.

Und an diesem Punkt lassen sich beide Preisträger dann doch irgendwie miteinander vergleichen.

Im Namen des Preiskomitees möchte ich beiden Institutionen, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sowie allen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern sehr herzlich danken. Ihr Engagement hat größten Respekt und Anerkennung verdient.

Ich kann Sie alle nur ermutigen, Ihre wichtige Arbeit fortzuführen.

Ihnen allen einen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

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