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Rede von Staatsministerin Maria Böhmer bei der Verleihung der Goethe-Medaille in Weimar

28.08.2015 - Rede

-- Es gilt das gesprochene Wort --

Sehr geehrter Herr Präsident des Goethe-Instituts,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrte Damen und Herren Minister,
sehr geehrte Frau Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages, des Thüringer Landtages und des Weimarer Stadtrates,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Preisträger,
meine Damen und Herren!

„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“.

Dieser Satz von Martin Buber stammt aus seinem Hauptwerk „Ich und Du“. Um das „Ich“ und „Du“, um die Begegnung von Menschen, um den Dialog, den Dialog der Kulturen – darum geht es auch heute bei der Verleihung der Goethe-Medaille.

Ideen brauchen Orte! Orte des Dialogs!

Weimar ist solcher Ort. Ein Ort der Bildung und Kultur. Weimar ist ein Ort, nein, der Ort der Klassik. Wieland und Herder, Goethe und Schiller – sie prägten die Tradition der europäischen Aufklärung. Zu ihren Idealen zählten Menschlichkeit und Toleranz. Weimar ist ein Ort der klassischen Moderne. Die Bauhaus-Schule hat hier revolutionäre Ideen der Baugestaltung und Stadtplanung entwickelt. Weimar ist ein Ort der Weltkultur. Die Ideen- und Begegnungsorte der Weimarer Klassik und der Weimarer Moderne wurden von der UNESCO zum Erbe der Menschheit erklärt. Als Präsidentin des Welterbekomittees habe ich immer wieder an die besondere Verpflichtung erinnert, die damit einhergeht. Sie ist gerade hier greifbar und begreifbar.

Weimar erinnert uns zugleich an die schlimmsten Zeiten unserer Geschichte.
Buchenwald ist nicht weit von hier. Wir haben uns unserer historischen Verantwortung gestellt. Dazu gehört die Aussöhnung mit Israel und unseren Nachbarn in Ost und West. Hier in Weimar wurde 1991 das Weimarer Dreieck ins Leben gerufen. Es steht für eine politische Kultur des Dialogs.

Dialog ist zentral für Außenpolitik, er ist Mittel der Problemlösung. Dabei ist der kulturelle Dialog grundlegend, um zu verstehen und Verständigung zu erreichen.

Das gilt erst recht, wenn die Welt aus den Fugen gerät. Wir müssen heute erleben, wie Menschen, die bisher friedlich zusammen lebten, von Krieg und Terror betroffen sind. Wie soziale Bindungen beschädigt werden. Wie religiöse und kulturelle Identitäten zerstört werden. Der IS ist auf einem Kreuzzug gegen das kulturelle Gedächtnis der Menschheit – so die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Meine Damen und Herren,

Terroristen sind sich der Kraft der Kultur sehr wohl bewusst! Gerade deshalb wollen sie kulturelle Wurzeln auslöschen. Denn Kultur ist die Basis für Identität, für Zusammenhalt und für die Existenz von Menschen. Gerade deshalb müssen wir gerade in der Außenpolitik die Kraft der Kultur stärken, noch intensiver auf Toleranz und Dialog setzen.

Sehr geehrter Herr Lehmann,

ich danke Ihnen und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der 159 Goethe-Institute,
die in 98 Ländern einen großartigen Beitrag für kulturelle Verständigung leisten. Goethe-Institute sind Orte der Begegnung. Sie bieten Raum für einen Dialog über Grenzen hinweg. Sie fördern einen interkulturellen Austausch, tragen zu Respekt und wechselseitiger Wertschätzung bei.

Das ist das Entscheidende: nicht übereinander, sondern miteinander reden!

Die Goethe-Medaille, die heute an drei herausragende Persönlichkeiten verliehen wird, ist ein besonderes Zeichen der Anerkennung für Toleranz und Dialog.

Herr Al-Azm, Herr MacGregor, Frau Sopher,

Sie gestalten philosophische Diskurse, Sie prägen historische Debatten, Sie beeinflussen Kulturlandschaften. Sie bringen Menschen zusammen. Sie schaffen Orte der Kulturdialogs.
Und Sie finden dabei immer wieder den Bezug zu Deutschland.

Herr Al-Azm,

in Folge von Krieg und Terror mussten Sie ihre Heimat Syrien verlassen. Sie haben
in Deutschland Zuflucht und – so hoffe und wünsche ich – Heimat gefunden. Sie bereichern die Kant-Forschung durch Ihren „Blick von außen“. Und tragen mit Ihrer großen Expertise zur kulturellen Verständigung zwischen Orient und Okzident bei.

Herr MacGregor,

Sie haben den 25. Jahrestag des Mauerfalls zum Anlass genommen haben, um im British Museum die Ausstellung „Germany: Memories of a Nation“ zu zeigen. Ich fand es faszinierend, wie es Ihnen gelungen ist, in Großbritannien einen neuen Blick auf Deutschland zu vermitteln. Nun stehen Sie vor einer neuen, einzigartigen Aufgabe als Gründungsintendant des Humboldtforums. Sie besitzen die nötige Nähe und den nötigen Abstand. Und Sie können Menschen für Ihre Ideen begeistern! Auf dem Weg ins Auswärtige Amt komme ich stets am Humboldt-Forum vorbei. Und ich gestehe: Ich bin sehr gespannt.

Frau Sopher,

es ist für mich sehr bewegend, dass Ihre Mutter trotz Verfolgung ihrer Familie durch das NS-Regime und trotz Emigration ihrer deutschen Heimat nie den Rücken gekehrt hat.
In ihrer zweiten Heimat Porto Alegre wurde Eva Sopher zur wichtigsten Partnerin des Goethe Instituts. Aber ihr Wirken reicht weit darüber hinaus. Sie gestaltet nicht nur einen intensiven Kulturaustausch, Eva Sopher lebt ihn! Dieser Austausch zwischen den Kulturen – das erfüllt das ganze Leben von Eva Sopher.

Sehr geehrte Damen und Herren,

als die Wahl auf die Preisträger fiel, konnte niemand ahnen, dass von der heutigen Preisverleihung ein besonderes Signal ausgehen würde, ein besonders Signal für Menschlichkeit und Toleranz angesichts der erschreckenden und erschütternden Ereignisse, die sich derzeit in Deutschland abspielen.

Exil, Flucht, Heimweh – das sind Themen, die Goethe in „Iphigenie auf Tauris“ bewegt haben. Das sind aber auch Herausforderungen, die in der ganzen Welt, in Europa und hier in Deutschland zum Handeln drängen. In „Iphigenie auf Tauris“ begegnet uns Goethes Idealbild des Menschen, bei dem das Gute und die Menschlichkeit über das Böse siegen.

Ich bin sehr beeindruckt über die große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung für Menschen, die bei uns Zuflucht suchen. Ich habe kürzlich in Ludwigshafen erlebt, wie sich mehr als 100 Bürgerinnen und Bürger spontan bereit erklärt haben, Flüchtlingen zur Seite zu stehen. Menschen, die Patenschaften übernehmen, die Türen öffnen, die bei der Suche nach einer Wohnung, nach Arbeits- und Ausbildungsplätzen helfen, die beim Deutschlernen unterstützen. Sportvereine, die Flüchtlinge aufnehmen. Ärzte, die kostenlose Behandlungen anbieten. Diese Menschlichkeit gibt es an sehr vielen Orten. Diese Menschlichkeit steht hinter den Anstrengungen, die auf politischer, staatlicher und kommunaler Ebene unternommen werden.

Umso mehr bin ich bestürzt über Hass, Übergriffe und Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und verurteile sie aufs Schärfste. Für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist kein Platz in unserem Land! Wer Menschen bedroht, ist ein Fall für Polizei und Staatsanwaltschaft. Übergriffe auf Menschen sind Angriffe auf unsere Gesellschaft, auf unsere Werte!

Trotz der Übergriffe bin ich überzeugt: Deutschland ist ein weltoffenes, tolerantes, kulturell vielfältiges Land! Wir sind in Deutschland gemeinsam einen weiten Weg gegangen.

Und wir müssen diesen Weg auch gemeinsam weitergehen. Wir müssen die Zivilgesellschaft stärken, diejenigen unterstützen, die Menschlichkeit zeigen. Dafür brauchen wir Mitstreiter! Das Goethe-Institut ist ein solcher Mitstreiter!

Meine Damen und Herren,

es ist eine starke Botschaft, die sich heute mit dem Goethe-Institut und der Goethe-Medaille verbindet. Von Weimar soll heute ein besonderes Signal ausgehen - für Menschlichkeit und Toleranz! Denn „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“.

Vielen Dank!

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