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Grußwort von Staatsministerin Maria Böhmer zur Veranstaltung „Perspektivwechsel - Die weltweite Residenzarbeit des Goethe Instituts“

27.09.2016 - Rede

Sehr geehrter Herr Lehmann,
sehr geehrte Damen und Herren,

Ich freue mich besonders, heute zum Residenzprogramm zu Ihnen sprechen zu können.

Meine persönlichen Erfahrungen mit der Kulturakademie Tarabya haben mich geprägt: Als ich erst wenige Tage als Staatsministerin im AuswärtigenAmt war, kamen bereits Kolleginnen und Kollegen im Bundestag auf mich zu und sprachen mich auf Tarabya an.

Ich gestehe: Der Funke sprang sofort über. Das Residenzprogramm der Kulturakademie Tarabya begeisterte mich von Anfang an.

Seit meiner Zeit als Integrationsbeauftragte bei der Bundeskanzlerin sind mir die vielschichtigen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei ein besonderes Anliegen. Tarabya bringt Künstlerinnen und Künstler aus beiden Ländern zueinander und lässt Gemeinsames entstehen.

Dieses Neue, Gemeinsame kann entstehen, weil Künstlerresidenzen einen „Raum für neue Perspektiven“ bieten.

Und das tut das Goethe Institut mit seinem Residenzprogramm mittlerweile an über vierzig Standorten weltweit: Es öffnet deutschen Künstlerinnen und Künstlern die Welt.

Oft ist die Rede davon, daß das Auswärtige Amt im Ausland Türöffner für die deutsche Wirtschaft ist. Mit dem Residenzprogramm ist das Auswärtige Amt auch Türöffner für deutsche Künstlerinnen und Künstler.

Das Goethe Institut ist für uns ein wichtiger Partner im Bereich der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik.

Ihnen, lieber Herr Lehmann, möchte ich an dieser Stelle für Ihre inspirierende Arbeit als Präsident des Goethe Instituts danken. In diesen Dank schließe ich auch Herrn Ebert und das gesamte Team des Goethe Instituts mit ein.

Aus meinen Erleben der Kulturakademie Tarabya weiß ich: Der Erfolg der Residenzprogramme hängt von den Teilnehmern ab, von den Menschen. Von den Künstlerinnen und Künstlern: Von ihren Eindrücken, ihren Gedanken, ihrem kreativen Tun.

Heute werden wir erleben, dass Künstlerinnen und Künstler mit uns teilen, was sie von ihren Aufenthalten mitbringen. Darauf freue ich mich.

Ich komme direkt aus dem Deutschen Bundestag, wo wir in diesen Tagen auch den Haushalt des Auswärtigen Amts verhandelt.

Es ist mir ein besonderes Anliegen, dass die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik über die nötigen finanziellen Mittel verfügt. Die Wertschätzung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik können Sie auch daran erkennen, dass die Mittel dafür in den letzten zehn Jahren um fast 60 Prozent anstiegen.

Ein großer Teil davon fließt an das Goethe Institut. Ich kann Ihnen versichern, das wird auch in Zukunft so sein. Im Bundestag, im Auswärtigen Amt und weit darüber hinaus wird Ihre Arbeit sehr geschätzt.

Das Goethe Institut ist Teil des weltweiten Netzwerks unserer Mittlerorganisationen. Sie sind allein in 98 Ländern präsent: Ob in Buenos Aires, Tokyo, London oder New Delhi - die Menschen wissen, dass das Goethe Institut vor Ort in ihren Ländern einen Ort für Sprache, Kunst und Kultur - einen Raum für Begegnungen über Grenzen hinweg bietet.

Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik wird oft als „dritte Säule der Außenpolitik“ bezeichnet, zu Recht. Sie hat im Auswärtigen Amt einen besonderen Stellenwert. Sie stärkt Zivilgesellschaften und baut soziale Spannung ab. Krisen und Konflikten, die kulturell, religiös oder weltanschaulich motiviert sind, beugt sie vor.

Meine Damen und Herren,
heute richtet sich unser Blick auf die weltweite Residenzarbeit des Goethe Instituts. Dabei gehört den Künstlerresidenzen Tarabya und Kamo-gawa unsere besondere Aufmerksamkeit. Dort bringen sich Künstlerinnen und Künstlern in den internationalen Austausch ein und erfüllen unsere Kulturpolitik mit Leben.

Was heißt das konkret? Ich war neugierig und bin einmal auf der Website des Goethe Instituts der Sache nachgegangen. Dabei stieß ich auf den Bericht der Autorin Lucy Fricke. Sie lebte drei Monate lang in Kyoto in der Künstlerresidenz am „Fluß der Wildenten“, dem Kamo-gawa.

Sie findet eine amüsante Beschreibung, wenn sie schreibt: „Es gilt das Schwammprinzip. Aufsaugen und auspressen.“

Wie ein Schwamm können Sie während Ihres Aufenthaltes Eindrücke, Inspiration und Gedanken aufsagen - und dann über die anschließenden Jahre Neues und neu Inspiriertes zu schaffen, wenn Sie diesen Schwamm „auspressen“.

Genau das ist es, was die Residenzarbeit ausmacht: Der eigentliche, in der Tat greifbare Kulturaustausch ist das gegenseitige Verändern und Vergrößern von Perspektiven, das Sehen mit anderen Augen, das Wechseln von Blicken. Das ist auch das Motto des heutigen Abends: Perspektivwechsel.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Residenzprogramme gehören zu den wichtigen Instrumenten unserer Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. In den vergangenen Jahren haben Auswärtiges Amt und Goethe Institut besonders intensiv am Ausbau dieses Instruments gearbeitet [Boom].

Deshalb spüre ich auch immer gerne der Ausgestaltung des Residenzprogramms nach. Nächste Woche werde ich die Villa Massimo in Rom besuchen.

Aber auch in Los Angeles und New York bieten sich dem Auswärtigen Amt und dem Goethe Institut großartige Perspektiven zur weiteren Zusammenarbeit in dem Bereich.

Ich denke hier an das Thomas Mann Haus, die Villa Aurora und das Haus in der Fifth Avenue.

Meine Damen und Herren

Ich möchte Ihnen zur Abrundung fünf Denkanstöße zur Weiterentwicklung der weltweiten Residenzarbeit übermitteln.

Das Goethe-Institut, aber auch zahlreiche andere in- und ausländische Institutionen betreiben Künstlerresidenzprogramme.

Wäre es nicht denkbar, dort den Austausch zu verbessern und so neue Impulse zu gewinnen? Wie lässt sich der Austausch verstetigen?

Bei der Kulturakademie Tarabya wollen wir gerade auch türkische Stiftungen in diese Vernetzung einbeziehen.

Es geht bei engerer Zusammenarbeit nicht nur um einen verbesserten Erfahrungs- und Informationsaustausch bei der Durchführung, sondern auch darum: Wie könnten wir die Künstlerinnen und Künstler unserer Residenzprogramme besser zusammenbringen?

Lässt sich eine Art gemeinsames Programm für die Stipendiaten mehrere Residenzen entwickeln?

Das kann besonders deshalb interessant sein, weil jedes Programm auch einen ganz eigenen, wertvollen Charakter hat. Hier überraschende Verbindungen zu schaffen, halte ich für reizvoll. Für die Kulturakademie Tarabya können wir uns glücklich schätzen: Joachim Sartorius, der im Laufe des Abends noch zu uns stoßen wird, leitet die Jury - er ist selbst Literat und Schriftsteller.

In Tarabya haben wir die Erfahrung gemacht, daß ein intensiver Austausch von Jury und Beirat immer wieder gute Impulse für die Arbeit gibt.

Als Beiratsvorsitzende weiß ich, dass viel Herzblut der Abgeordneten in die Arbeit mit einfließt. Den Kolleginnen und Kollegen, die ich hier sehe, möchte ich dafür danken.

Mein dritter Gedanke kreist um die Gewinnung von Stipendiaten: Wie gewinnen wir Künstlerinnen und Künstler für unser Programm?

Die Benennung von Stipendiaten ist ein guter Weg in der Anfangsphase, um Programme zu starten. Die Möglichkeit öffentlicher Bewerbungen haben wir darum intensiv diskutiert. Wir könnten Künstlerinnen und Künstler ganz unterschiedlicher Prägung noch besser erreichen.

Als Vorsitzende des Akademiebeirats der Kulturakademie Tarabya habe ich mich dafür eingesetzt, diesen Weg zu beschreiten.

Mein vierter Gedanke ist: Wie halten wir den Kontakt zu den Stipendiaten, die ihren Aufenthalt erfolgreich beendet haben?

Eine gute Betreuung unserer Alumni ist von entscheidender Bedeutung. Das große Auslandsnetz des Goethe-Instituts bietet für die Betreuung viele Möglichkeiten. Der Aufenthalt in einer Residenz ist nur der Beginn einer langen Beziehung. Lassen Sie uns diese Beziehung gemeinsam pflegen.

Mein fünfter Gedanke ist: Wir müssen überlegen, wie wir Künstlerinnen und Künstler stärker berücksichtigen und einbinden, die aus Krisengebieten kommen oder sich im Exil befinden. Dies ist eine Aufgabe, die nicht einfach ist.

Ein gutes Beispiel in dem Zusammenhang ist die Philipp Schwartz Initiative, die das Auswärtige Amt gemeinsam mit der Alexander von Humboldt Stiftung ins Leben gerufen hat. Sie ist ein spezielles Programm für bedrohte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die für zwei bis drei Jahre an deutschen Gast-Universitäten ihre Arbeit fortsetzen können.

Ich würde mich freuen, wenn wir im Rahmen der Residenzarbeit einen vergleichbaren Weg finden, um Künstlerinnen und Künstler in bedrohten Situationen zu helfen.

Meine Damen und Herren,

„Alles wirkliche Leben ist Begegnung,“ sagte der Religionsphilosoph Martin Buber. Mit den Residenzprogrammen schaffen wir Raum für solche Begegnungen mit Kultur, mit Menschen und mit sich selbst.

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