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Rede von Staatsminister für Europa Michael Roth anlässlich der Ausstellungseröffnung zum 25. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Armenien und Deutschland

05.10.2017 - Rede

-- es gilt das gesprochene Wort --

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Kralinsky,
sehr geehrter Herr Botschafter Smbatyan,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

leider kann ich es Ihnen nicht ersparen, zum Einstieg meiner Rede auf das berühmt-berüchtigte Radio Eriwan zu sprechen zu kommen. Viele von Ihnen kennen sicher diesen Witz: „Können Sie uns sagen, wo der Erfinder der Radio-Eriwan-Witze sitzt? Wir wissen nicht, wo er sitzt, aber er sitzt bestimmt.“ Lange schon liegen die Zeiten zurück, als dieser Witz die bittere Realität widerspiegelte. So vieles hat sich seit der staatlichen Unabhängigkeit Armeniens zum Guten gewendet.

Heute feiern wir das 25. Jubiläum der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Armenien. Nach 25 Jahren feiert man in einer Ehe die Silberhochzeit. Und wenn wir etwa 1000 Jahre in der Geschichte zurückgehen, dann gab es da eine deutsch-armenische Ehe! Im Jahr 972 heiratete Otto II. von Sachsen in Rom Theophanu Sklerina. Sie war die Nichte des oströmischen Kaisers Johannes I. Tzimiskes. Johannes war armenischer Abstammung.

Die Ausstellung hier zeigt uns vor allem Bilder von politischen Begegnungen der vergangenen 25 Jahre. Die guten Beziehungen zwischen Armenien und Deutschland sind keineswegs nur ein Werk von Politikern und Diplomaten. Nein, sie sind vor allem den vielen engagierten Bürgerinnen und Bürgern in beiden Ländern zu verdanken.

Als Politiker und Diplomaten können wir nur die Weichen stellen und mit politischen Signalen Menschen ermuntern, selber die Initiative zu ergreifen.

Zu einem Jubiläum darf man sich etwas wünschen. Deshalb wollen wir heute nicht in die Vergangenheit blicken, sondern unseren Blick in die Zukunft richten. Fünf Wünsche möchte ich mit Ihnen teilen.

1. Wunsch: die Armenierinnen und Armenier leben in Frieden und Sicherheit. Deutschland unterstützt die Verhandlungsbemühungen um eine dauerhafte Lösung für Berg-Karabach. Aber eine dauerhafte Lösung, die von allen Seiten akzeptiert wird, kann nicht allein von den Regierungen getragen werden. Hier sind alle gefordert. Eine Generation ist seit dem Aufbruch des Konfliktes großgeworden. Ihnen schulden wir noch größere Anstrengungen, um einen traurigen Zustand endlich zu beenden.

Im Kaukasus steckt dank seiner geographischen Lage zwischen Europa und Asien und dank seiner Vielfalt ein hervorragendes Entwicklungspotenzial. Dieses Potenzial wird sich aber nur durch eine starke regionale Zusammenarbeit wirklich entfalten können.

Lassen Sie uns noch einmal in die Vergangenheit und die Welt der Kultur schauen. Sayat Nova wird im gesamten Kaukasus gemeinhin als der größte Volkssänger und Liederschreiber seiner Zeit gewürdigt. Sayat Nova war im gesamten Kaukasus zu Hause und kannte keine Grenzen. Ich wünsche mir, dass in den kommenden Jahren, inspiriert von seinem berühmten Wort „Ein Fenster ist diese Welt“ ein neuer Sayat Novat die gesamte Region bereisen und zur Wiederannäherung aller Länder und Völker der Region beitragen wird.

2. Wunsch: Die Armenierinnen und Armenier leben in einem Staat, der der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet ist.

Aber der Weg dahin ist lang, holprig und beschwerlich.

Deshalb helfen wir. Von Anfang an gibt es zwischen unseren Ländern eine intensive entwicklungspolitische Zusammenarbeit. Deutschland ist der größte bilaterale Geber, nach der EU und noch vor den USA.

Wir unterstützten die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung Armeniens und ihre Reformbemühungen besonders im Bereich der Rechtsberatung und der justiziellen Zusammenarbeit. Um es klar zu sagen: Wohlstand und Sicherheit gehen Hand in Hand mit Demokratie, individueller Freiheit und Rechtsstaatlichkeit.

Unser Potenzial für Zusammenarbeit und Partnerschaft ist aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Lassen Sie uns daran weiterarbeiten, die Grundlagen gemeinsamer Prinzipien und Werte zu erweitern. Menschen- und Freiheitsrechte, Rechtsstaatlichkeit, unabhängige Justiz, Demokratie, Pressefreiheit - das sind die Voraussetzungen für eine gelingende Partnerschaft in Europa. Genau das macht uns zu Europäerinnen und Europäern. Davon träumen viele Menschen auf der ganzen Welt.

Solidarität gehört zu unseren gemeinsamen Grundwerten. Hier möchte ich die beeindruckende Leistung von Armenien in der Flüchtlingskrise hervorheben. Armenien betreibt die letzte diplomatische Vertretung in Aleppo und hat etwa 20.000 armenisch-stämmige Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Und wir kooperieren eng zusammen: Deutschland unterstützt ein gemeinsames Projekt mit dem UNHCR zur Stärkung der Privatwirtschaft in Höhe von zwei Millionen Euro.

3. Wunsch: Die Partnerschaft zwischen Armenien und der Europäischen Union ist vertrauensvoll und vielfältig.

Die aktive Teilnahme von Armenien an der Östlichen Partnerschaft und die baldige Unterzeichnung des neuen Rahmenabkommens mit der EU werden der Zusammenarbeit zwischen der EU und Armenien neue Impulse geben.

Es setzt ein wichtiges Zeichen, dass die EU bei der Zusammenarbeit mit ihren östlichen Nachbarn nicht auf ein Entweder-Oder beharrt, sondern mit jedem Partner maßgeschneiderte Lösungen vereinbart.

Die Europäische Union ist zugegebenermaßen ein anspruchsvoller Partner: Die EU ist eben nicht nur einen Binnenmarkt, sie ist vor allem eine Werteunion. Und dieses Grundprinzip gilt auch für alle Länder, die mit der EU kooperieren wollen. Und nein, es sind eben keine westlichen Werte, die sich im Widerstreit mit so genannten traditionellen Werten befinden. Menschenrechte sind universell, sie verpflichten uns alle: sei es die Gleichstellung von Mann und Frau oder der Respekt vor sexuellen, religiösen oder ethnischen Minderheiten.

4. Wunsch: Armenien ist stolz auf seine viele Brückenbauerinnen und Brückenbauer. Das Land hat so viele und großartige Architekten hervor-gebracht. Auch die Bilder, die heute hier zu sehen sind, zeugen in beeindruckender Weise davon. Wir brauchen vor allem die jungen Leute und eine aktive Zivilgesellschaft. Seit 25 Jahren haben wir Schritt für Schritt unser Engagement in Kultur, Wissenschaft und Bildung ausgebaut.

Der Deutsche Akademische Austauschdienst vergibt viele Stipendien an armenische Studierende - alleine dieses Jahr waren es schon 64 - und unterstützt erfolgreich Universitätspartnerschaften und Programme in Armenien.

Ich freue mich, dass die deutsche Sprache wieder an Popularität gewinnt. Im Schuljahr 2016/17 lernten mehr als 30.000 junge Armenierinnen und Armenier Deutsch – eine stolze Zahl. Und ich bin mir sicher, dass sich dieser Trend mit der geplanten Eröffnung eines Goethe-Zentrums in wenigen Wochen weiter verstärken wird.

Unsere politischen Stiftungen sind auch in Armenien sehr aktiv. Sie sind wichtige Mittler für unsere Beziehungen.

5. Wunsch: Armenien lebt friedlich und versöhnt mit seinen Nachbarn. Die Versöhnung zwischen Armenien und der Türkei liegt uns gemeinsam sehr am Herzen. Ich weiß, dass der schwierigste Teil des Weges zur Annäherung zwischen Türken und Armeniern noch vor uns liegt.

Umso wichtiger ist es auch hier, die junge Generation einzubinden. Ich freue mich, dass das Auswärtige Amt Projekte für den Dialog zwischen Menschen beider Völker – Armenier und Türken – fördert, wie z.B. das Projekt von IFAIR „Common Remembrance, Future Relations“, dessen Schirmherrschaft ich gern übernommen habe.

„Common Remembrance, Future Relations“ setzt darauf, die unterschiedlichen Kulturen in Armenien, Frankreich, Israel, Deutschland und der Türkei zusammen zu bringen und zu erkunden, welche Formen des Erinnerns, des Gedenkens und der Versöhnung Menschen, Gesellschaften und Staaten wieder zusammen bringen.

In Rahmen dieses Projektes haben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projekts in 2017 in Jerewan, in den jeweiligen Ländern (Türkei, Israel und Frankreich) und in Berlin getroffen, und gemeinsam über die Bewährungsproben der NGO-Arbeit im Bereich der Erinnerungskultur diskutiert.

Meine Damen und Herren, da ich mit einer berühmten Ehe begonnen habe, lassen Sie mich mit einem armenischen Sprichwort diese Rede beenden: In Armenien wünscht man jungen Ehepaaren „auf einem Kissen alt zu werden“.

In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch!

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