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Grußwort des Bundesaußenministers anlässlich 5. European Television Dialogue in Berlin

22.11.2007 - Rede

-Es gilt das gesprochene Wort-

Lieber Reinhard Klimmt,
sehr geehrte Damen und Herren!

Herzlich willkommen zum „European Television Dialogue“ hier im Auswärtigen Amt!

Der ein oder andere hier im Saal wird sich ja vielleicht erinnern: Vor ungefähr einem Jahr hatten wir hier im Weltsaal zu einer großen Konferenz zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik eingeladen.

Ich hatte damals gesagt, dass wir der Auswärtigen Kulturpolitik einen noch wichtigeren Platz in der deutschen Außenpolitik einräumen sollen. Warum?

Weil wir in der Welt von morgen neue neue Anstrengungen unternehmen müssen, um uns, unsere Kultur, unsere Haltungen und unser Verhalten verständlich zu machen.

Sicher, wir Europäer haben mit rund 500 Millionen Menschen den größten Binnenmarkt der Welt geschaffen und Deutschland ist noch immer die drittgrößte Wirtschaftsnation in der Welt.

Aber wenn wir uns die Entwicklung der kommenden Jahre und Jahrzehnte anschauen, dann wissen wir auch: Neue Mächte drängen auf die Bühne der Weltpolitik. In 20 Jahren wird China schon die zweitgrößte Wirtschaftsnation der Welt sein. So groß wie die sechs größten europäischen Volkswirtschaften der EU zusammen. Und wenn heutige Prognosen recht behalten, dann werden noch einmal 20 Jahre später Indien, Brasilien und Russland China folgen als die dann größten Volkswirtschaften.

Dieser Entwicklung müssen wir uns stellen. Und dies ist nicht die Zeit, ängstlich den Kopf in den Sand zu stecken. Die Antwort auf die Veränderungen, die sich überall vollziehen, kann nicht lauten, dass wir uns abschotten. Sie kann nicht darin bestehen, dass wir die Augen verschließen vor der neuen Welt, den neuen Kraftzentren, den neuen Chancen, die da vor unserer Haustür entstehen.

Im Gegenteil: Wir müssen die Veränderungen annehmen und verstehen. Und gerade deswegen auch unsererseits neue Möglichkeiten suchen, uns verständlich zu machen.

Und noch einen weiteren Grund möchte ich nennen, warum der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik nach meiner Auffassung ein neuer Stellenwert zukommt. Wir stellen immer häufiger fest, dass Konflikte nicht als ein Widerstreit von Interessen verstanden, sondern zu Auseinandersetzung zwischen Kulturen oder Religionen um-interpretiert werden.

Auch deshalb müssen wir uns um so mehr bemühen, die Köpfe und Herzen der Menschen erreichen. Wir brauchen mehr und ein besseres gegenseitiges Verständnis, das über kulturelle und religiöse Grenzen hinweg trägt. Und das erreichen wir nur, wenn wir kulturelle Verbindungswege beschreiten und Brücken schlagen über das Trennende.

Nun glaube ich keineswegs, dass Politik dies allein erreichen kann. Vielleicht sogar noch nicht einmal in erster Linie. Sondern wir benötigen hier die Zusammenarbeit mit dem kulturellen Bereich im weitesten Sinne.

Deswegen hatte ich mir auch bei der genannten Konferenz gewünscht, dass sich das Auswärtige Amt stärker als bisher als eine Plattform versteht.

Als eine Plattform, an die Künstler, Kulturschaffende und also auch Medienschaffende andocken können. Damit wir unsere außenpolitische Expertise und außenwirtschaftliche Unterstützung noch enger mit Medien- und Kultur-Interessen verbinden können.

Ich finde, die heutige Veranstaltung trägt genau dazu bei – außenpolitisch und medienpolitisch.

Mittel- und Osteuropa – das ist nicht nur eine Region, die mir politisch und persönlich besonders am Herzen liegt, sondern das ist auch eine Region, die es für unsere Medienwirtschaft wie für unsere Öffentlichkeit trotz aller Annäherungen der letzten Jahre und Jahrzehnte immer noch neu zu entdecken gilt.

Und mit ihrem Focus auf den Fernsehbereich widmet sich die heutige Konferenz einem der wichtigsten medialen Bereiche überhaupt. Zwei Aspekte scheinen mir dabei besonders wichtig:

Erstens ist das Fernsehen – man mag das bedauern oder nicht – ein wesentlicher Träger und Spiegel unserer Kultur. Man mag „Derrick“ spannend finden oder nicht, im ganzen Fernseheuropa war die Figur (und ist es leider manchmal noch immer) geradezu die Verkörperung des „Deutschen“.

Und die Fernsehausstrahlung von deutschen Filmen wie „Der Untergang“ oder „Der Schuh des Manitou“ prägen in die Fläche gesehen sicher mehr und wahrscheinlich intensiver als alles andere das Bild vom deutschen Humor und von der Geschichte unseres Landes im Ausland.

Insofern ist Fernsehen eben auch ein wichtiges kulturelles Medium. Ich finde, wir sollten gerade in Europa deswegen auch verstärkt Wege suchen, wie wir die Kooperation hier stärken können. Von europäischen Koproduktionen bis hin zu ARTE als Modell eines gemeinsamen Senders, mit dem wir gute Erfahrungen gemacht haben, die wir ausbauen sollten, sind hier ganz verschiedene Modelle denkbar.

In ihrem Programm habe ich gesehen, dass sie für die heutige Konferenz in diesem Bereich hier einen besonderen Schwerpunkt auch auf Polen gesetzt haben. Ich halte das für eine wichtige Initiative, die ich gerne unterstützen möchte.

Denn angefangen mit dem gegenseitigen Wissen auch um die kulturellen Besonderheiten und Empfindlichkeiten bis hin zu einer gemeinsamen Auseinandersetzung mit der jeweiligen Geschichte: die Lücken sind hier bei uns – und vielleicht auch in Polen - besonders groß. Und ich bin sehr gespannt auf Ihre Ergebnisse, wie man dem abhelfen und wie das Fernsehen zu einem differenzierteren Bild beitragen kann.

Zweitens und gleichberechtigt neben der kulturellen Funktion des Fernsehens: das Fernsehen ist als Leitmedium im Informations- und Meinungsbereich unter allen Erscheinungsformen der vierten Gewalt wohl die gewaltigste. Daraus erwächst eine große Verantwortung für die Medienmacher. Aber auch für die Politik: Die Stärkung der Meinungs- und Pressefreiheit, der Aufbau einer autonomen Rundfunk- und Fernsehlandschaft, das sind Dauerthemen für die deutsche Außenpolitik – gerade auch in unseren Gesprächen in Mittel- und Osteuropa.

Dabei befinden sich die Länder Mittel- und Osteuropas in unterschiedlichen Stadien des Transformationsprozesses. Und wir müssen auch zugeben: wir kennen die Situation in unseren mittel- und osteuropäischen Partnerländern nicht genau genug. Mir scheint es manchmal sogar, als ob wir mehr über Mondlandschaften als über Medienlandschaften wüßten. Zugleich sind die Medien – wir kennen das ja auch bei uns selbst – selbst einflussreiche Gestalter des Transformationsprozesses. Das gilt es im Auge zu behalten, besonders wenn man an die Ballung von Medienmacht in bestimmten Händen denkt.

Denn ein vernünftiger Ordnungsrahmen leistet selbst einen Beitrag zur kulturellen Vielfalt, beugt faktischen Wettbewerbsverzerrungen durch die Dominanz von Mono-Kulturen vor, verhindert oder mäßigt zumindest einseitige Sichtweisen durch zusätzliche mediale Angebote. Auch ordnungspolitische Fragen sind also wichtiger Bestandteil der deutschen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik und nicht nur dieser.

Denn vom Aufbau der Strukturen dort hängt ja nicht nur die Meinungsfreiheit vor Ort oder der Fernsehmarkt der Zukunft ab. Sondern auch, ob und wie diese Länder künftig beitragen werden zu einer europäischen Öffentlichkeit.

Sie sehen, Ihre Themen sind auch Themen der deutschen und nicht nur der deutschen Außenpolitik. Es sind spannende Themen und ich wünsche Ihnen einen spannenden Europäischen Fernsehdialog – noch spannender womöglich als die Fernsehdialoge von Derrick!

Vielen Dank.

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