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Rede von Außenminister Guido Westerwelle zur Verlängerung des UNMISS-Einsatzes in Südsudan

26.10.2012 - Rede

Der Deutsche Bundestag beriet am 25. Oktober in erster Lesung über die Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes im Rahmen der Mission United Nations Mission in the Republic of South Sudan in Südsudan. Zuvor hatte das Bundeskabinett am 17. Oktober die Verlängerung vorbehaltlich der Zustimmung des Parlaments beschlossen. Außenminister Guido Westerwelle hielt im Bundestag die folgende Rede.

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Stenographisches Protokoll

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Debatte eben schon angesprochen worden, aber es ist, so glaube ich, interessant, sich das noch einmal vor Augen zu führen: Erst vor gut einem Jahr, nämlich am 9. Juli 2011, wurde Südsudan ein unabhängiger Staat, und zwar ‑ das möchte ich noch einmal in Richtung der Linken sagen ‑ durch eine demokratische Volksabstimmung. Wir haben in der internationalen Gemeinschaft hart dafür gearbeitet, dass diese Volksabstimmung stattfinden konnte und dass sie auch von allen Beteiligten respektiert wurde. Dass das Volkes Wille gewesen ist, mag dem einen oder anderen aus ideologischen Gründen nicht gefallen.

Aber dass dieser Wille des Volkes politisch umgesetzt werden konnte, auch durch die Entscheidung der Vereinten Nationen ‑ wir selbst waren Präsident im Sicherheitsrat, als die Aufnahme erfolgt ist ‑, ist etwas, was man bei all dem, was zweifelsohne sehr kritikwürdig ist, auch einmal anerkennen sollte. Das war ein Erfolg der Menschen in Südsudan und auch ein Erfolg der internationalen Diplomatie.

Alles ist sehr schnelllebig. Man vergisst immer alles, was gelingt, und hat nur immer das im Kopf, was nicht gelingt. Aber das sollte man sich auch ein Jahr später noch einmal vor Augen führen.

Seitdem befindet sich Südsudan auf dem Weg hin zu einer eigenen stabilen Staatlichkeit. Jeder, der dort gewesen ist - viele von Ihnen waren dort und kennen das -, weiß auch, dass nicht zu erwarten war, dass das ohne Probleme und ohne Rückschläge geschehen würde. Für jeden, der einmal dort gewesen ist und von Staatlichkeit spricht, der Staatlichkeit dort selbst erlebt hat, für den ist es wohl etwas komisch, das Wort „Staatlichkeit“ dort vor dem Hintergrund unserer europäischen Empfindungen und Wahrnehmungen zu verwenden. Uns ist aber nicht nur die schwierige Ausgangslage des jungen Staates bewusst, sondern wir halten es auch für richtig, die Entwicklung entsprechend voranbringen.

Die Lage im Sudan bzw. Südsudan war während der Mandatslaufzeit sowohl durch innerstaatliche als auch durch zwischenstaatliche bewaffnete Auseinandersetzungen und eine Verschlechterung der ökonomischen Situation in beiden Staaten gekennzeichnet. Leidtragende sind die Menschen vor Ort. Niemand ignoriert die soziale Lage der Menschen vor Ort. Wir hören immer wieder von vielen Toten. Manches hat einen politischen Hintergrund, vieles auch nicht, das darf nicht unterschlagen werden. Aber wir tun unser Bestes: Wir haben die humanitäre Hilfe für Sudan und Südsudan im Sommer um 5 Millionen Euro auf jetzt 10,5 Millionen Euro erhöht.

Wir erinnern uns: Durch intensive Bemühungen der internationalen Gemeinschaft und der Präsenz der Vereinten Nationen vor Ort konnte Mitte des Jahres verhindert werden, dass sich die Konflikte zu einem größeren zwischenstaatlichen Konflikt ausweiteten. Es gibt die Probleme noch. Das ist auch in der vorherigen Debatte angesprochen worden. Das kann man nicht ignorieren. Wenn man aber sieht, wo wir vor anderthalb Jahren waren und vor welcher Gefährdung wir vor anderthalb Jahren standen, dann, denke ich, sollte man auch anerkennen, was sich vernünftig entwickelt hat. Die Probleme sind nicht weg. Das kann niemand in dieser Situation erwarten. Ich glaube aber, es sind durchaus Fortschritte zu sehen.

Wir haben natürlich unsererseits die Konfliktparteien aufgefordert, ihre Streitigkeiten im Interesse der Menschen beizulegen. Die Bundesregierung begrüßt daher, dass die Einigung von Addis Abeba vom 27. September möglich wurde. Diese Einigung bietet die Chance auf eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Sudan und Südsudan, auch wenn wesentliche Fragen offenbleiben. Ich will das noch einmal unterstreichen. Niemand in diesem Hause ignoriert ja die Probleme. Jeder weiß, dass noch viele Jahre harter Arbeit nicht nur vor den beiden Staaten, sondern auch vor der internationalen Staatengemeinschaft liegen werden.

Der von den Vereinten Nationen geführten Friedensmission im Südsudan UNMISSUNMISS mit zwei S wegen des Südens ‑ kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat durch seine Resolution 2057 vom 5. Juli dieses Jahres die völkerrechtliche Grundlage nach Kapitel VII der UN-Charta um ein weiteres Jahr verlängert.

Deutschland hat sich an der Mission UNMISS von Anfang an beteiligt. Derzeit sind 16 deutsche Soldatinnen und Soldaten im Südsudan eingesetzt. Deutsche Offiziere tragen an wichtigen Entscheidungspositionen zum Erfolg dieser Mission bei. Dafür möchte ich abermals auch den dort eingesetzten Frauen und Männern, sei es in Uniform, sei es aber auch ohne Uniform als zivile Helfer, ausdrücklich danken.

Meine Damen und Herren, für die Bundesregierung beantrage ich die Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der von den Vereinten Nationen geführten Friedensmission in Südsudan. Das Mandat wird inhaltlich unverändert fortgeschrieben. Es bleibt bei denselben Aufgaben, bei demselben Einsatzgebiet und bei derselben Personalobergrenze von 50 Soldatinnen und Soldaten. Ich weise erneut darauf hin: UNMISS hat ein robustes Mandat, das heißt, die Kräfte der Mission sind autorisiert, zum Eigenschutz, zur Gewährleistung der Sicherheit der humanitären Helfer und zum Schutz der Zivilbevölkerung gegebenenfalls Gewalt anzuwenden.

Kernaufgabe von UNMISS bleibt die Unterstützung der Regierung bei der Friedenskonsolidierung, beim Staatsaufbau und bei der Schaffung der Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung. Die Mission unterstützt zudem die Gewährleistung von Sicherheit, die Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit und die Stärkung des Sicherheits- und Justizsektors. Hierzu tragen neben den deutschen Soldaten auch die deutschen Polizeibeamten bei, von denen derzeit sechs vor Ort eingesetzt sind. Auch ihnen gebührt unser Dank und unser Respekt für ihre wertvolle Arbeit unter höchst herausfordernden Umständen.

Meine Damen und Herren, natürlich nimmt das Sudan-Konzept der Bundesregierung - das ist jedem hier klar; das will ich nur von der vorherigen Debatte aufgreifen ‑ bewusst Südsudan und Sudan gleichermaßen in den Blick. Das ist gar keine Frage. Ganz im Sinne unseres Ansatzes der vernetzten Sicherheit greifen dabei viele Elemente ineinander: Nothilfe, Entwicklungshilfe und Hilfe beim Aufbau von staatlichen Strukturen.

Wir fördern aber auch zusätzliche Projekte zur Unterstützung der Arbeit von UNMISS. Wir helfen bei Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration von Soldaten und Milizionären. Wir fördern juristische und polizeiliche Ausbildung und unterstützen den Verfassungsprozess. All dies trägt dazu bei, das Fundament zu festigen, auf dem der junge Staat Südsudan aufgebaut ist.

Ich weiß, dass einige von Ihnen in der letzten Woche die Gelegenheit gehabt haben, mit der Leiterin der Mission und Sondergesandten des UN-Generalsekretärs für Südsudan, Hilde Johnson, bei ihrem Besuch in Berlin zu sprechen. Sie werden auch von ihr erfahren haben, dass der Beitrag Deutschlands sehr geschätzt wird.

Ich hoffe, dass das, was bei der letzten Debatte möglich war, dass nämlich vier Fraktionen geschlossen für das Mandat gestimmt haben, auch dieses Mal wieder gelingen wird und diesen Eindruck habe ich – trotz all der Schwierigkeiten, die man nicht ignorieren kann. Das weiß hier auch jeder, da muss man ganz realistisch herangehen. Dieses Mandat ist sinnvoll. Wir sollten unseren Beitrag leisten. Das mehrt nicht nur die Chancen vor Ort, sondern auch international das Ansehen unseres Landes. Deswegen bitte ich um eine breite Unterstützung durch das Hohe Haus.

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