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Ein Neustart für Bosnien und Herzegowina

06.11.2014 - Interview

Gemeinsamer Beitrag von Außenminister Frank-Walter Steinmeier und seinem britischen Amtskollegen Philip Hammond zur deutsch-britischen Initiative für eine Wiederbelebung des Reformprozesses in Bosnien und Herzegowina und eine Neugestaltung des Annäherungsprozesses an die Europäische Union. Erschienen in der Frankfurter Rundschau (06.11.2014).

Gemeinsamer Beitrag von Außenminister Frank-Walter Steinmeier und seinem britischen Amtskollegen Philip Hammond zur deutsch-britischen Initiative für eine Wiederbelebung des Reformprozesses in Bosnien und Herzegowina und eine Neugestaltung des Annäherungsprozesses an die Europäische Union. Erschienen in der Frankfurter Rundschau (06.11.2014).

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Bosnien und Herzegowina, dieses Land im Herzen Europas, ist immer noch von den schlimmen Folgen des Krieges, der vor zwei Jahrzehnten endete, gebeutelt. Ethnische Gräben gehen dort tief und haben zu politischer Stagnation und dem Ausbleiben dringend nötiger Reformen geführt. Der politische und wirtschaftliche Stillstand wurde durch die Flutkatastrophe im Frühjahr dieses Jahres noch verschärft. Im vergangenen Monat haben die Bürgerinnen und Bürger des Landes ein neues Parlament gewählt. Die Leistungen dieses neuen Parlaments in den kommenden vier Jahren werden entscheidend für die Zukunft der Menschen in Bosnien und Herzegowina sein.

Bereits in den vergangenen 20 Jahren haben Deutschland und Großbritannien viel in Bosnien und Herzegowina investiert: durch Beteiligung unserer Soldaten und Polizisten an NATO- und EU-Missionen zur Stabilisierung des Landes, durch Unterstützung bei der wirtschaftlichen Entwicklung, aber auch durch unser politisches Engagement. Dass dieser Einsatz aber darüber hinaus noch nicht die Früchte trägt, die wir uns wünschen, darf kein Grund sein, sich resigniert abzuwenden Im Gegenteil, wir müssen unsere Anstrengungen erhöhen, damit Bosnien und Herzegowina seine Zukunft zum Besseren wenden kann.

Was Bosnien und Herzegowina dringend braucht, ist Stabilität und wirtschaftlicher Wohlstand sowie funktionierende demokratische und rechtstaatliche Institutionen. Dafür braucht es tiefgreifende Reformen, die das Land bisher nicht durchgeführt hat. Die Aussicht auf einen EU-Beitritt hat sich in vielen anderen Staaten als sehr wirksamer Anreiz zur Durchführung unentbehrlicher Reformen erwiesen. Bedauerlicherweise hat sich diese Wirkung in einem entlang ethnischer Linien politisch gespaltenen Bosnien und Herzegowina nicht entfalten können. Ein neuer Ansatz ist daher dringend nötig.

Wir haben gestern Abend gemeinsam eine Reihe von Vorschlägen für eine Neugestaltung des EU- Annäherungsprozesses Bosniens vorgestellt, als die Außenminister der Region zur Südosteuropa-Konferenz des Aspen Institute in Berlin zusammengekommen sind. Diese Vorschläge setzen vor allem bei wirtschafts- und sozialpolitischen Themen sowie guter Regierungsführung und Rechtstaatlichkeit an, also Themen die das Leben der Menschen in Bosnien am meisten betreffen. Dazu gehören Reformen, um Arbeitsplätze zu schaffen, den Rechtsstaat zu stärken, sowie Korruption und Kriminalität zu vermindern.

Der erste Schritt sollte deshalb sein, dass sich die politischen Führer Bosniens und Herzegowinas schriftlich verpflichten, auf allen Ebenen die Institutionen des Staates fit zu machen, um effektiv mit der Europäischen Union zusammenarbeiten zu können. Ferner sollten sie sich verpflichten, mit der EU eine breite Reformagenda auszuarbeiten, die das Land auf seinem Weg hin zu einer EU-Mitgliedschaft näher bringt.

Bei diesem Ansatz senken wir nicht die Anforderungen, die die EU an alle an einem EU-Beitritt interessierten Staaten stellt. Schwierige Verfassungsänderungen, so wie die Sicherstellung des passiven Wahlrechts für alle Bürger Bosnien und Herzegowinas (das sogenannte Sejdic-Finci-Problem) bleiben auf dem Tisch. Was wir vorschlagen, ist ein schrittweiser Reformprozess, der mit einem Schwerpunkt auf handfeste Wirtschaftsreformen beginnt, nach und nach die Funktionalität staatlicher Institutionen steigert und eng verknüpft ist mit Fortschritten Bosniens auf dem Weg zur EU.

Ebenso wenig wollen wir mit unserem Vorschlag in jene Zeiten zurückkehren, in denen die internationale Gemeinschaft Bosnien und Herzegowina Gesetze auferlegte. Wir machen den Menschen in Bosnien und Herzegowina und den von ihnen gewählten Politikern ein Angebot: Wenn sie die nötigen Reformen umsetzen, werden wir uns für Fortschritte auf dem Weg des Landes nach Europa einsetzen.

Deutschland und Großbritannien machen jetzt den Anfang. Für die breite Mitwirkung, derer es zum Erfolg bedarf, werben wir aktiv. Wir brauchen unsere Partner in den Nachbarstaaten Kroatien und Serbien, unsere Partner in der EU und in den USA. Vor allem aber appellieren wir an die bosnischen Politiker, Führungsstärke zu zeigen für das gesamte Land, unabhängig von ethnischen Interessen.

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