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„Wir bieten der neuen griechischen Regierung unsere Zusammenarbeit an“

27.01.2015 - Interview

Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Interview zur Zusammenarbeit mit der neuen griechischen Regierung, zum Konflikt in der Ukraine und zu den Folgen der „Pegida“-Bewegung für Deutschlands Ansehen in der Welt. Erschienen in der Rheinischen Post (27.01.2015)

Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Interview zur Zusammenarbeit mit der neuen griechischen Regierung, zum Konflikt in der Ukraine und zu den Folgen der „Pegida“-Bewegung für Deutschlands Ansehen in der Welt. Erschienen in der Rheinischen Post (27.01.2015)

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Wie sehen Sie die Zukunft des deutsch-griechischen Verhältnisses nach dem Wahlsieg von Tsipras?

Es ist selbstverständlich, dass wir der neuen griechischen Regierung unsere Zusammenarbeit anbieten. Wir haben doch gemeinsame Ziele: die gemeinsame Währung zu stärken und überall in Europa Wachstum zu fördern, damit die hohe Arbeitslosigkeit, gerade im Süden, endlich wieder zurückgeht.

Werden Sie für einen Verbleib Griechenlands im Euro kämpfen?

Wir wollen unsere Währungsgemeinschaft beisammen halten. Griechenland hat dafür in den letzten Jahren schon viel getan. Auch die neue Regierung wird dieser Verantwortung gerecht werden müssen. Dazu gehört, Vereinbarungen einzuhalten. Im Gegenzug kann sich Griechenland auf seine europäischen Partner verlassen.

Ist es gut für die Griechen, wenn sie weniger sparen? Gibt es andere Möglichkeiten, den Griechen zu helfen?

Europas Antwort auf die wirtschaftliche Misere ist doch gar nicht alleine und in erster Linie das Sparen. Wir sind uns alle einig, dass auf Dauer Wachstum nur von echten Strukturreformen kommt, die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit steigern. In Griechenland beginnt sich das nun auszuzahlen. Das griechische Wachstum hat angezogen, mehr als überall sonst in der Eurozone. Jetzt geht es darum, dass das auch bei den Menschen ankommt. Außerdem haben wir eine milliardenschwere europäische Innovationsoffensive gestartet. Eine vernünftige Haushaltspolitik bleibt eine Säule dieser Strategie.

Wie schnell lassen sich die Sanktionen zurückfahren, wenn Putin die Separatisten in der Ostukraine stoppt?

Das ist jetzt nicht der Moment, über ein Zurückfahren von Sanktionen zu diskutieren. Wir sehen erneut ein Anschwellen gewaltsamer Auseinandersetzungen, die offensichtlich vor allem von den Separatisten ausgehen. Wenn sich herausstellen sollte, dass es dafür russische Unterstützung gegeben hat, dann ist das sicherlich nicht ein Anlass, Sanktionen zu reduzieren. Aber wir dürfen uns auch nicht der Illusion hingeben, dass wir diesen Konflikt mit Sanktionen lösen können. Auch wenn meine Geduld und die der Öffentlichkeit ziemlich erschöpft sind: Wir werden nicht umhin kommen, mit den Konfliktparteien nach Auswegen zu suchen und sie an den Verhandlungstisch zu bringen.

Müsste Russland nun nicht die Grenzen schließen, die Lieferung von Waffen und Munition einstellen und seine „Militärberater“ zurückziehen?

Das alles ist Teil der Minsker Vereinbarungen und wurde von Russland auch akzeptiert, aber eben nur im Prinzip. Bei den Berliner Verhandlungen letzte Woche ging es darum, eine operative Schrittfolge zu vereinbaren. Es ist nach wie vor klug, mit der Festlegung einer Demarkationslinie zu beginnen, davon schwere Waffen zurückzuziehen und in diese Pufferzone internationale Beobachterteams hineinzubringen. Es wäre ein Mechanismus, der Beruhigung in die Kampfhandlungen hineinbringen und dann auch zu einem belastbaren Waffenstillstand führen könnte.

Eine Freihandelszone von Wladiwostok bis Lissabon klingt angesichts der Kämpfe wie eine Idee aus einer anderen Welt. Ist das mehr als Wolkenkuckucksheim?

Zunächst einmal ist es ein Vorschlag, den Präsident Putin bei seiner viel beachteten Bundestagsrede im Jahr 2001 selbst gemacht hat. Das ist im Westen wie im Osten damals durchaus als eine langfristige Perspektive gesehen worden. Wir haben seitdem mehr als ein Jahrzehnt Geschichte hinter uns. Die Beziehungen sind leider nicht besser geworden. Gleichwohl dürfen wir solche Perspektiven nicht für alle Zeiten verwerfen und auch nicht als Geschenk an Russland betrachten. Wenn uns eine Lösung für die Ukraine-Krise gelingt, dann ist es auch in unserem Interesse, langfristig Instrumente zu entwickeln, die mehr Stabilität in die Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union bringen. Das kann eine solche Wirtschaftspartnerschaft sein, die letztlich allen auch wirtschaftliche Vorteile bringen würde.

Sie kommen viel rum, wie fühlen Sie sich, wenn Sie überall auf Pegida angesprochen werden?

Ich glaube, wir haben in Deutschland noch gar nicht so recht wahrgenommen, wie sehr uns Pegida in der Welt schon geschadet hat. Wir laufen um den eigenen Kirchenturm und beschäftigen uns mit dem Phänomen und seinen Funktionären, aber kaum jemand nimmt wahr, dass es viele im Ausland gibt, die mit Überraschung und echter Sorge auf unser Land schauen. Wir müssen wissen, dass ausländerfeindliche und rassistische Parolen jenseits unserer Grenzen immer noch auf allergrößte Sensibilität und Wachsamkeit stoßen. Gottseidank kann ich darauf hinweisen, dass eine Pegida-Demonstration in Dresden nicht für unser Land spricht, sondern dass sich in vielen Orten und Städten die Menschen auf den Weg gemacht haben, um mit der übergroßen Mehrheit zu sagen: Deutschland ist und bleibt ein weltoffenes Land.

Ihre Partei ist sich uneins über den Umgang mit Pegida: Würden Sie als Privatmann das Gespräch mit den Pegida-Anhängern suchen?

Ich weiß nicht, ob ich es nicht längst führe. Ich spreche doch täglich mit den Bürgern, allen voran in meinem Wahlkreis in Brandenburg, und kenne deshalb ihre Sorgen und Nöte. Mir geht nur auf die Nerven, dass Pegida-Funktionäre jeden Blödsinn, den sie daherreden, mit der Haltung rechtfertigen, ihnen höre ja niemand zu. Natürlich gibt es in einem großen Land wie Deutschland bei manchen Verunsicherung, auch Unzufriedenheit. Aber das Gespräch mit Pegida-Funktionären brauche ich nicht, und die brauchen das auch nicht.

Wenn Sie den Zuspruch zu Pegida und zur AfD und deren Zusammenarbeit sehen, droht da ein deutscher Front National?

Gut möglich, dass es Versuche führender Funktionäre bei AfD und Pegida gibt, eine Sammlungsbewegung gegen Europa, gegen gesellschaftliche und religiöse Vielfalt und gegen die Weltoffenheit unseres Landes zu organisieren. Ich bezweifele, dass diese Versuche in Deutschland zu Ergebnissen wie in Frankreich führen.

Ihr Koalitionspartner führt die Debatte, ob der Islam zu Deutschland gehört.

Es ist schlicht und ergreifend eine Tatsache, dass nach Jahrzehnten der Einwanderung aus muslimischen Ländern, vor allem aus der Türkei, der Islam ein Teil der deutschen Wirklichkeit geworden ist.

Welches Signal sollte davon ausgehen, keinen aktiven Staatsvertreter sondern Christian Wulff, den Urheber des Satzes „Der Islam gehört zu Deutschland“, zur Trauerfeier nach Riad zu schicken?

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Es kommt darauf an, dass unser Land angemessen vertreten ist. Nachdem der Bundespräsident verhindert war, gehört die Entsendung eines ehemaligen Staatsoberhauptes zu den Üblichkeiten, die nicht nur bei uns gepflegt werden.

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Interview: Gregor Mayntz. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Rheinischen Post

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