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„Ein Bündnis gegen Ebola“

21.09.2014 - Interview

Außenminister Frank-Walter Steinmeier fordert in einem Beitrag für die Welt am Sonntag (21.09.) ein globales Bündnis gegen Ebola.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier fordert in einem Beitrag für die Welt am Sonntag (21.09.) ein globales Bündnis gegen Ebola.

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Können wir uns in Deutschland, kann sich die entwickelte Welt die Ohnmacht der Menschen vorstellen, die von der tödlichen Ebola-Epidemie bedroht sind? Wie groß ist die Verzweiflung, wenn das erste Familienmitglied zusammenbricht und pflegende Nähe zur Quelle der nächsten Ansteckung wird? Jeder Mitfahrer im überfüllten Bus, jeder Fahrgast im Taxi wird misstrauisch beäugt: Wie nahe ist der Tod?

All das scheint auf den ersten Blick so weit weg zu sein. Das ist es aber nicht. Wenn wir genauer hinschauen, werden wir schnell merken, wie brandgefährlich die Lage ist. Ebola breitet sich anscheinend unaufhaltsam in Westafrika aus, das Virus hat sich tief in die Gesellschaften in Liberia, Guinea und Sierra Leone gefressen. Mehr als 2600 Tote sind bereits zu beklagen, die Dunkelziffer ist weit höher. Nachbarstaaten stemmen sich gegen die massenhafte Ausbreitung der Krankheit. Die betroffenen Länder sind dem Anstieg der Opferzahlen angesichts schwacher öffentlicher Gesundheitssysteme fast hilflos ausgeliefert.

Nun mag man sich hierzulande fragen: Was geht uns Ebola an? Es ist richtig: Krisen und Kriege an anderen Orten der Welt erscheinen in diesen Tagen unsere Kräfte und die der internationalen Gemeinschaft bereits fast im Übermaß zu strapazieren. Und die Entscheidungsfindung ist nicht immer einfach. Dennoch dürfen wir die Ebola-Krise nicht einfach so hinnehmen, als ginge sie uns nichts an. Wie in der Ukraine, wie bei der humanitären Katastrophe in Syrien und dem Irak gilt hier: Wenn wir nicht handeln, werden die Folgen – auch für uns in Deutschland – unkalkulierbar.

In den letzten Tagen haben uns dramatische Hilferufe erreicht, auch von den Regierungen. Für uns ist klar: Wir können die Menschen nicht allein lassen – und wir lassen sie nicht allein! So sind das Robert-Koch-Institut und das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin mit Diagnoseeinrichtungen und Personal schon seit Monaten vor Ort. Die Bundesregierung hat frühzeitig reagiert und bis jetzt bereits Soforthilfe und Entwicklungsgelder in zweistelliger Millionenhöhe zur Verfügung gestellt – erst diese Woche weitere fünf Millionen Euro. Diese Gelder gehen an erfahrene Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation oder „Ärzte ohne Grenzen“, die direkt vor Ort die dringend notwendige Hilfe leisten.

Der Anfang ist gemacht. Aber wir stehen vor einer Herkulesaufgabe. Ebola ist nicht nur eine existenzielle Bedrohung für viele Menschen in Westafrika, sondern auch eine Bedrohung für den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit. Dort, wo nicht bereits das Sterben Gemeinschaften zerreißt, erschüttern Panik und Ausgrenzung das soziale Gefüge. Die am schlimmsten betroffenen Länder gehören ohnehin zu den ärmsten der Welt. Und nun das: Ernten werden nicht eingefahren, Schulen verwaisen, das Leben stockt. Wankende Gesellschaften und implodierende staatliche Strukturen sind der schreckliche Nährboden für Migrationswellen, Radikalisierung und, ja, auch Krieg. Diese schlimme Erfahrung haben wir mehr als einmal in verschiedenen Erdteilen machen müssen.

Vor diesem Hintergrund hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine weitreichende Notmission für Westafrika ins Leben gerufen und die internationale Gemeinschaft aufgerufen, mit konkreten Initiativen zur Bewältigung der Krise beizutragen. Die Europäische Union engagiert sich mit mehr als 200 Millionen Euro. Auch US-Präsident Obama hat umfassende Hilfen in Aussicht gestellt. Der Rahmen der globalen Verantwortungsgemeinschaft für Ebola steht, und auch Deutschland wird seine Unterstützung weiter ausbauen.

Wir wollen, gemeinsam mit unseren französischen Freunden, in der Region eine internationale logistische Basis einrichten, um die Verteilung von Hilfsgütern vor Ort zu unterstützen. Dazu sollen Transportflugzeuge der Bundeswehr eine humanitäre Luftbrücke schaffen und mit bis zu 100 Soldatinnen und Soldaten die Logistikkette aufbauen und betreiben.

Die Bundesregierung wird das Deutsche Rote Kreuz finanziell und logistisch dabei unterstützen, ein mobiles Krankenhaus mit mehr als 200 Betten sowie zwei Basisgesundheitsstationen zu betreiben. Die Bundeswehr ist zudem bereit, ein Lazarett für bis zu 50 Patienten in die Region zu transportieren und beim Aufbau zu helfen. Wir wollen weiteres medizinisches Hilfspersonal gewinnen und die Voraussetzungen für eine funktionsfähige Rettungskette schaffen.

Wir stehen in Abstimmung mit der internationalen Gemeinschaft, bewährten Partnern der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit wie auch engagierten Unternehmen und privaten Initiativen, um nach Bedarf weiteres medizinisches Material und Lebensmittel an Ort und Stelle zu bringen. Auch das Technische Hilfswerk wird sich bei Bedarf an den vielfältigen und komplexen Aufgaben, die es dabei zu bewältigen gilt, beteiligen.

Wir unterstützen präventive Maßnahmen und Programme zur Ausbildung von medizinischem Personal vor Ort. Wir investieren, auch mittelfristig, in die Spitzenforschung für Therapien und Impfstoffe. Nicht zuletzt bereiten wir jetzt schon die Phase nach der akuten Krise für den wirtschaftlichen Neustart und für den Aufbau eines stabilen Gesundheitssystems vor.

Es stellt sich also beileibe nicht die Frage, ob wir helfen, sondern wie Deutschland am besten, am schnellsten, aber auch am nachhaltigsten zu den internationalen Bemühungen beiträgt. Wir tun viel. Trotzdem verstehe ich, dass dies angesichts der schrecklichen Bilder aus Afrika vielen Menschen noch zu wenig ist. Diese kritischen Stimmen sollten aber auch berücksichtigen, dass wir mit Blick auf Syrien, Nordirak, die Ostukraine sowie die Flüchtlingsströme im Libanon und Jordanien mit mehreren humanitären Großkrisen gleichzeitig konfrontiert sind.

Dabei gilt es auch zu beachten, dass sich unsere Maßnahmen, ebenso wie das Engagement anderer Länder, sinnvoll einpassen in die internationale Hilfe. Dafür bringen wir uns als wichtiger und aktiver Partner in der Europäischen Union, in den Vereinten Nationen oder im Rahmen der G7 ein. In der kommenden Woche reise ich nach New York zur Generalversammlung. Der gemeinsame und koordinierte Kampf gegen Ebola ist für mich ein zentrales Anliegen, wenn ich dort ein Treffen der Außenminister der sieben wichtigsten globalen Industriestaaten leite. Eines ist klar: Nur ein globales Bündnis kann im gemeinsamen Kampf gegen das unsichtbare Virus das Schlimmste verhindern. Deutschland ist Teil und Motor dieses Bündnisses.

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