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Rede von Außenminister Sigmar Gabriel zur Eröffnung des „People to People“-Dialogs in Peking

24.05.2017 - Rede

Sehr geehrte Frau Stellvertretende Ministerpräsidentin Liu,
sehr geehrte Teilnehmer,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte gerne mit den Worten des Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland beginnen: „Die umfassende strategische Partnerschaft zwischen Deutschland und China wäre ohne einen intensiveren gesellschaftlich-kulturellen Austausch unvollständig.“ Und gerade das beschreibt unseren Auftrag: wir wollen einen solchen Austausch dem hinzufügen, was wir an politischem und wirtschaftlichem Austausch bereits erreicht haben.

Ich bin überzeugt, dass durch einen solchen zivilgesellschaftlichen Dialog und Austausch beide Seiten nur gewinnen können. Er findet heute schon statt und wird getragen von vielen Deutsch-Chinesischen Freundschaftsgesellschaften und Städte- und Provinzpartnerschaften.

Er wird auch getragen von den Hochschulpartnerschaften und den vielfältigen wissenschaftlichen Kooperationen.

Austausch lebt in den Bildungsbiografien junger Deutscher und Chinesen, die an einer deutschen Partnerschule lernen oder in Deutschland studieren und an einem Austauschprogramm teilnehmen, das Sie, Frau Liu, ja in besonderer Weise im letzten Jahr gefördert haben.

Der Austausch wird enorm bereichert durch den kulturellen Austausch in Musik, Theater, Bildender Kunst, Literatur, und Film – auch diese Kontakte sind in den letzten Jahren immer intensiver geworden.

Er wird vertieft durch die Arbeit der deutschen politischen Stiftungen und der vielfältigen Nichtregierungsorganisationen, die in China – und umgekehrt auch in Deutschland – gesellschaftliche Themen beleuchten und den Erfahrungsaustausch fördern.

All diese Initiativen werden mit Leben gefüllt durch engagierte Personen, sowohl hier in China als auch in Deutschland. Menschen, die mit ihrer Leidenschaft, ihrem Wissen, ihrer Neugier, ihrer Kreativität und manchmal auch mit ihrem Mut dafür sorgen, dass die deutsch-chinesischen Beziehungen lebendig, vielfältig und so unheimlich bereichernd für alle Beteiligten sind.

Deshalb freut es mich besonders, dass solche Persönlichkeiten aus Kultur, Kunst, Sport, Stiftungen, Bildung und Wissenschaftsorganisationen mit mir nach Peking gekommen sind.

Wie lebendig unsere Zusammenarbeit ist, sieht man auch daran, dass laufend neue Elemente hinzukommen: Im letztem Jahr ist – durch Ihren Einsatz, Frau Liu, – eine Kooperation im Fußball initiiert worden.

In Deutschland nennen wir Fußball „die schönste Nebensache der Welt“ und für manche ist es sogar die Hauptsache. Und Fußball ist gleichzeitig auch ein wunderbarer Weg, einander kennen zu lernen.

Viele werden es nicht wissen, aber der größte Fanclub des alten und neuen Deutschen Meisters FC Bayern München ist nicht in Bayern zu Hause, sondern hier in China. Mehr als 130 Millionen chinesische Fans drücken dem FC Bayern die Daumen und Schalke 04 soll mehr als 60 Millionen Fans in China haben.

Sport, und insbesondere Fußball, ist ein besonderer Magnet: Sportler und Trainer zieht es schon lange zwischen unseren beiden Ländern hin und her. Yang Chen von Eintracht Frankfurt war nur der erste einer Reihe sehr talentierter chinesischer Fußballer, die seit Ende der 90er Jahre die Bundesliga bereichern. Shao Jiayi ist nicht nur den Fans in München, Cottbus und Duisburg in bester Erinnerung.

Mit der im letzten Jahr unterzeichneten Fußballkooperation wachsen unsere Fußballbeziehungen noch ein Stück weiter zusammen. Dazu kann auch die Vereinbarung zwischen Eintracht Frankfurt und dem Chinesischen Universitätssportverband, die hier und heute unterzeichnet wird, beitragen.

Meine Damen und Herren,

Fußball ist selbstverständlich nur eine einzige Facette des so dichten kulturell-gesellschaftlichen Miteinanders, das unsere beiden Länder heute schon verbindet, und das uns künftig noch enger miteinander verbinden soll.

Um das Potential und auch den Wandel in unseren Beziehungen wirklich zu ermessen, lassen Sie uns für einen kurzen Moment in die Geschichte zurückblicken.

Sagen wir ca. 100 Jahre zurück – das ist in der chinesischen Geschichte nur ein Wimpernschlag, aber Vieles hat sich seitdem getan: Die Neugierde füreinander, die am Anfang stand, ist sogar eher noch gewachsen.

1913 beschloss der berühmte deutsche Privatgelehrte Dr. Max Weber, sich mit China zu befassen. Wie machte er das? Er setzte sich in den Lesesaal der Universitätsbibliothek der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, und ließ sich Bücher bringen, um seine intellektuelle, also eben keine tatsächliche Reise in das ihm noch unbekannte Land zu beginnen.

1922 übersetzt Guo Moruo „Die Leiden des jungen Werther“ ins Chinesische und machte damit den Dichter, Johann Wolfgang Goethe, und natürlich auch sich selbst als Übersetzer über Nacht berühmt.

1935 spätestens wurde der Austausch real: die ersten 3 Stipendiaten des Deutschen Akademischen Austauschdienstes aus China kamen nach Deutschland. Unter ihnen war Qiao Guanhua, der erste Leiter der Delegation der Volksrepublik China bei den Vereinten Nationen und späterer Außenminister. Unter ihnen war auch Ji Xianlin. Er studierte in Göttingen, wurde später Vizepräsident der Peking Universität und war in China weit über die Grenzen seines Fachs bekannt. Sein DAAD-Stipendium, so wird er zitiert, sei „ein vom Himmel beschertes Glück“.

Diesen Pionieren sind mittlerweile viele Tausend Studierende, Bundeskanzler-Stipendiaten oder Humboldtianer gefolgt. Mit über 30.000 Studierenden liegt China aktuell an der Spitze ausländischer Studenten in Deutschland. Die chinesischen Studierenden sind auch die erfolgreichsten, ganz besonders gilt das übrigens für die Studentinnen.

Der Austausch funktioniert auch in die andere Richtung: Ca. 8.000 Studierende und Wissenschaftler aus Deutschland gehen jedes Jahr nach China. 1.250 Kooperationen zwischen deutschen und chinesischen Hochschulen belegen, dass es inzwischen tägliche Praxis ist, dass Wissenschaftler beider Länder gemeinsam ihre Kulturen erforschen, mit dem Blick von innen und außen und in vielen Wissensgebieten.

Das chinesische Sprichwort stimmt, in dem es heißt: „Wer für 100 Jahre vorsorgen will, investiert in die Bildung“.

Verehrte Frau Stellvertretende Ministerpräsidentin,

unsere zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit können wir gar nicht hoch genug schätzen. Sie ist keinesfalls nur eine Ergänzung unserer politischen Beziehungen – sondern sie ist wesentlicher Bestandteil!

Sie erst macht unsere Beziehungen lebendig und für den Einzelnen greifbar. Denn wenn unsere Bürgerinnen und Bürger deutlich machen, dass sie eine engere Partnerschaft zwischen China und Deutschland wünschen - dann ist das ein Auftrag an die Regierung, sowohl in China als auch in Deutschland.

Wir, die Regierungen, sind jedoch nicht die „Akteure“. Die handelnden Personen sind die Menschen in unseren Gesellschaften. Die Akteure sind die Organisationen, die Institutionen, die Vereine und Stiftungen sowie die in ihnen aktiven Bürgerinnen und Bürger, die diese Zusammenarbeit gestalten und voranbringen.

Wir, die Regierungen, tragen aber die Verantwortung dafür, die Voraussetzungen für eine lebendige zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit zu schaffen: Durch Rahmenbedingungen:

- die zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit fördern,

- die alle, die es möchten, dazu einladen, sich an dieser Zusammenarbeit zu beteiligen,

- die durch Meinungsfreiheit einen Freiraum für den offenen Austausch schaffen und

- die dafür sorgen, dass die Schwelle für Zusammenarbeit und Austausch möglichst niedrig ist.

Es muss, sehr geehrte Damen und Herren, unser gemeinsames Ziel sein, dass diese Schwelle immer niedriger wird.

Denn klar ist: Je weniger Hindernisse und Schranken es gibt, desto einfacher kann unsere deutsch-chinesische Partnerschaft wachsen.

Diese Frage betrifft viele Bereiche: Die Voraussetzungen für die Tätigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen im jeweils anderen Land; die Ermöglichung von Reisen und Auslandaufenthalten; die Förderung des Spracherwerbs; der Zugang zu Informationen aus China beziehungsweise aus Deutschland im jeweils anderen Land.

Vor diesem Hintergrund ist es eine gute Entwicklung, dass inzwischen alle deutschen politischen Stiftungen nach dem neuen Gesetz für ausländische Nicht-Regierungsorganisationen in China registriert sind. Sie haben damit eine sichere Grundlage, weiterhin ihren großen Beitrag zum gesellschaftlich-kulturellen Austausch zu leisten, wie sie dies ja schon seit vielen Jahren tun.

Auch für weitere wichtige Akteure aus den Bereichen Kultur, Bildung und Wissenschaft ist es notwendig, dass der Registrierungsprozess erfolgreich und zügig abgeschlossen wird. In nenne hier nur die deutschen Außenhandelskammern, die ja im Bereich der beruflichen Bildung einen ganz besonderen Beitrag leisten.

Mein Damen und Herren,

China und Deutschland sind bereits enge Partner: politisch, wirtschaftlich ohnehin. Wir sollten jetzt gemeinsam daran arbeiten und die Rahmenbedingung dafür zu verbessern, dass auch unsere Gesellschaften Schritt für Schritt näher aneinanderrücken, sich kennenlernen, Unterschiede respektieren, aber sich vor allen Dingen verstehen lernen.

Das Dialogforum, das wir heute zum ersten Mal veranstalten, kann dabei eine wichtige Rolle einnehmen.

Ich danke allen Beteiligten für ihr Engagement für den deutsch-chinesischen Austausch, und ich danke Ihnen, sehr geehrte Frau Liu, ganz besonders, dass Sie zu diesem Treffen eingeladen haben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und auf eine gute Arbeit in der Zukunft.

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