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„Die Lage ist gefährlich, nicht nur für die Golfregion“

27.03.2015 - Interview

Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Interview zur aktuellen Zuspitzung der Situation in Jemen. Erschienen auf www.bild.de (27.03.2015).

Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Interview zur aktuellen Zuspitzung der Situation in Jemen. Erschienen auf www.bild.de (27.03.2015).

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Herr Minister, die saudische Luftwaffe bombardiert Jemens Hauptstadt Sanaa, Riad droht mit einem Einmarsch ins Nachbarland. Droht in Arabien ein neuer großer Krieg?

Ich hoffe nicht – aber die Lage ist gefährlich.

Was bedeutet das für den Jemen und die Golf-Region?

Tief sitzende soziale und gesellschaftliche Konflikte, große Armut und bis an die Zähne bewaffnete Stämme, rivalisierende politische Machtzentren und islamistische Terrorgruppen: Das ist ein gefährlicher Cocktail, auch weit über die Grenzen Jemens hinaus. Alle diese Probleme lassen sich aber nicht mit Gewalt eindämmen, und sicher nicht lösen, weder von innen noch von außen. Was es braucht, sind Dialog und Verhandlungen. Letztes Jahr haben alle Seiten unter Vermittlung der Vereinten Nationen ein Friedensabkommen geschlossen. Die Houthi-Rebellen haben seither alle Abmachungen gebrochen. Sie gehen mit großer Rücksichtslosigkeit vor und verweigern jede politische Lösung.

Unterstützt Deutschland das Vorgehen Riads?

Die demokratisch gewählte Regierung des Jemen ist von den Houthi-Rebellen aus der Hauptstadt Sanaa vertrieben und jetzt auch in Aden angegriffen worden. Staatspräsident Hadi hat das Nachbarland Saudi-Arabien angesichts dieser akuten Bedrohung um Hilfe gebeten. Saudi-Arabien hat dann gestern mit Unterstützung aus der Region Luftangriffe auf Houthi-Stellungen geflogen. Vor diesem Hintergrund habe ich Verständnis für das saudische Vorgehen.

Hinter den Houthi-Rebellen steht offenbar der Iran ...

Jedenfalls gibt es Verbindungen, über den Umfang des Engagements allerdings unterschiedliche Einschätzungen. Niemand kann ein Interesse an einer weiteren Eskalation oder gar an einem saudisch-iranischen Stellvertreterkrieg im Jemen haben, auch Riad und Teheran nicht. Die Folgen einer direkten Konfrontation mag man sich gar nicht ausmalen, für die ganze Region, auch für die globale Energieversorgung. Ich glaube nicht, dass die Schlüsselspieler an einem solchen Szenario irgendein Interesse haben.

Kann das die jetzt anstehenden Verhandlungen um das iranische Atomprogramm gefährden?

Ich hoffe nicht, jedenfalls müssen wir das verhindern. Bislang haben wir die Verhandlungen von den regionalen Konflikten abschirmen können. Ich hoffe, dass das auch jetzt gelingt. Es geht um viel. Erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt ist eine umfassende Einigung in Reichweite geraten; wir wollen eine Vereinbarung, die dauerhaft, verlässlich und überprüfbar einen Zugriff Irans auf die Atombombe ausschließt.

Die kriegerischen Konflikte von der Ostgrenze der Türkei bis nach Pakistan hängen alle irgendwie zusammen. Sehen Sie irgendwo einen Schlüssel dafür ...?

Den EINEN Schlüssel gibt es nicht. Die Wurzeln vieler der regionalen Konflikte reichen weit zurück in die Geschichte. Und innerhalb des Islam verschärft sich in den letzten Jahren die Konfrontation zwischen radikalen Sunniten und Schiiten. Manche vergleichen das mit den Religionskriegen im 16. und 17. Jahrhundert, die in Europa über mehrere Generationen gewütet haben. Langfristig sehe ich nur zwei Wege: Die einzelnen Konflikte nach Möglichkeit regional eingrenzen und aktiv nach politischen Lösungsansätzen suchen. Darüber hinaus wird es erst dann wirklich Entspannung geben können, wenn sich die beiden großen Regionalmächte, das sunnitische Saudi-Arabien und der schiitische Iran, miteinander verständigen oder zumindest arrangieren. Eine Unterstützung radikaler und gewaltbereiter Gruppen in den Konflikten in Syrien, im Irak, im Jemen, in Palästina und anderswo würde die Gefahr eines großen regionalen Flächenbrands nur noch anheizen.

Saudi-Arabien ist auch ein Kunde der deutschen Rüstungsindustrie. Wird der Konflikt jetzt auch mit Waffen aus Deutschland ausgetragen?

Das ist gegenwärtig nicht sehr wahrscheinlich. Ein militärischer Einmarsch der Golf-Staaten am Boden steht wohl nicht unmittelbar bevor. Aber ausschließen kann ich das auch nicht.

Interview: Rolf Kleine. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Bild.

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