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„Die Rückkehr zu G8 bleibt unser Ziel“

05.06.2015 - Interview

Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Interview zum bevorstehenden G7-Gipfeltreffen. Erschienen im Münchner Merkur (05.06.2015).

Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Interview zum bevorstehenden G7-Gipfeltreffen. Erschienen im Münchner Merkur (05.06.2015).

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Die Welt schaut auf Elmau. Was erwarten Sie sich inhaltlich vom G7-Gipfel?

An drängenden Themen mangelt es nicht. Gesellschaften versinken in blutigen Konflikten, junge Menschen radikalisieren sich und ganze Staaten drohen umzukippen, ob das nun in der Ukraine ist, in Syrien, Libyen oder dem Ebola-geplagten Westafrika. Schon im April habe ich meine G7-Außenministerkollegen nach Lübeck eingeladen. Dort haben wir gemeinsam sehr vertrauensvoll darüber beraten, was wir gemeinsam für mehr Frieden und Sicherheit in einer Welt im tiefen Wandel tun können. Auch in Elmau stimmen sich die Staats- und Regierungschefs der großen, wirtschaftsstarken Nationen über die Fragen ab, die für unsere Zukunft entscheidend sind.

Über den Tag hinaus?

Dabei geht es nicht nur um Tagesaktuelles. Klimawandel oder die Bekämpfung von Armut und Krankheiten brauchen unseren langen Atem und vorausschauende Strategien.

Halten Sie die Rückkehr zum Format der Achter-Runde für möglich – was muss Russland tun?

Die Rückkehr zu G8 bleibt unser Ziel. Wir brauchen Russland dringend bei der Lösung der vielen Konflikte in unserer Nachbarschaft wie in Syrien, im Irak, in Libyen und beim iranischen Atomprogramm. Aber natürlich mussten wir auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland reagieren, genauso wie auf die Destabilisierung der Ostukraine. Ich hoffe, dass uns unser Ansatz aus politischem und wirtschaftlichen Druck einerseits und der Aufrechterhaltung von Gesprächskanälen mit Russland andererseits aus einer für Europa gefährlichen Situation in der Ukraine herausbringt.

Asylfragen stehen nicht direkt auf der Agenda an diesem Wochenende, treiben aber die Menschen um. Was sind die nächsten Schritte?

Die Krise ist in vielen Weltregionen zum Dauerzustand geworden. Eine Folge sind ungekannte Flüchtlingsströme. Immer mehr Menschen verlassen ihre Heimat, um Verfolgung und Not zu entkommen. Sie setzen ihr Leben aufs Spiel und werden in ihrer Verzweiflung Opfer von kriminellen Schleuserbanden.

Was tun?

In Europa haben wir darauf reagiert und die Seenotrettung massiv verstärkt. Wir sind es unseren Werten unbedingt schuldig, Menschenleben zu retten. Aber auch darüber hinaus nimmt nun eine breit angelegte Flüchtlingspolitik Konturen an. Ein EU-Einsatz im Mittelmeer soll das unmenschliche Geschäftsmodell der Schleuser stören. Entscheidend ist aber, dass wir mit einem breiteren Ansatz an den Ursachen des Migrationsdrucks ansetzen. Mit anderen Worten: Ohne eine Befriedung von schrecklichen Konflikten wie in Syrien, am Horn von Afrika oder in Nigeria, ohne Stabilität in Zonen des Chaos wie in Libyen werden wir immer nur Symptome kurieren können.

„Die Welt ist aus den Fugen geraten“, sagten Sie in einem Interview. Welcher Konflikt bereitet Ihnen derzeit die größten Sorgen?

Anders als zu anderen Zeiten ist es gerade die Gleichzeitigkeit extremer Konflikte, die die aktuelle Lage so explosiv macht. Allein meine Reisen in der letzten Woche machen das deutlich: Ich war in der Ukraine, wo die Lage auch vier Monate nach den Minsker Vereinbarungen immer noch instabil ist. Bei einem Besuch in Israel und den palästinensischen Gebieten wurde mehr als greifbar, wie wichtig es ist, den Friedensprozess endlich wieder mit Leben zu füllen, wenn dort nicht bald wieder ein Krieg ausbrechen soll. In Paris schließlich ging es bei einem Treffen der Anti-ISIS-Koalition um die richtige Strategie gegen islamistischen Terror. Der Konflikt, der uns gegenwärtig 24 Stunden am Tag beschäftigt, ist die Krise in der Ukraine. Denn dieser Konflikt spielt sich quasi vor unserer Haustür in Europa ab. Hier haben Frankreich und Deutschland von Beginn an besondere Verantwortung übernommen.

Sie rasen seit Monaten von Krise zu Krise, fliegen von Gipfel zu Gipfel. Bleibt für Sie persönlich ein Moment zum Durchatmen?

Es sind intensive Monate, das will ich nicht leugnen. Aber ich will mich nicht beklagen. Schließlich hat mich niemand gezwungen, das Amt zu übernehmen. Im Gegenteil, ich bin sehr gern Außenminister. Ansonsten versuche ich, mir immer mal wieder auch Momente für Familie und Freunde zu schaffen, wie kürzlich für ein Wochenende in meinem Heimatort. Ich atme durch, wenn ich diese Familienzeit habe, es mal ins Theater schaffe oder zum Bergwandern in die Dolomiten.

Interview: Christian Deutschländer. Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Münchner Merkur

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