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Startschuss für deutsch-türkischen Strategischen Dialog (Namensartikel)

12.05.2013 - Interview

Mit dem Dialogformat schlagen Deutschland und die Türkei ein neues Kapitel in ihren Beziehungen auf. Lesen Sie hier einen Namensbeitrag der Außenminister Westerwelle und Davutoğlu.

Am 12. Mai 2013 beginnt in Berlin der neue deutsch-türkische Strategische Dialog. Dazu erschien der folgende Namensartikel der Außenminister Deutschlands und der Türkei, Guido Westerwelle und Ahmet Davutoğlu, am selben Tag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

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Türkische Zeitungen liegen jeden Morgen an Berliner Kiosken aus. Ein frisch gedrucktes deutsches Magazin ist in Izmir oder Antalya ohne Probleme zu bekommen. Drei Millionen Menschen türkischer Herkunft leben in Deutschland, fast fünf Millionen Deutsche bereisen Jahr für Jahr die Türkei, mehr als zehntausend Deutsche haben dort einen Wohnsitz: das alles bildet ein starkes Band zwischen den Menschen, das den Beziehungen zwischen unseren Ländern eine einmalige Dimension verleiht.

Nach mehr als 50 Jahren türkischer Migration nach Deutschland dürfen wir feststellen, dass weitestgehend Eintracht und Friedlichkeit die Präsenz der türkischen Gemeinschaft in Deutschland geprägt hat. Türkischstämmige Künstler, Sportler oder Unternehmer bereichern heute das Leben in Deutschland. Sie sind wesentlicher Teil eines pluralen und wohlhabenden Deutschlands geworden.

Die Vielfalt in unseren Ländern fördern – diesem Ziel messen wir beide, Deutschland und die Türkei, großen Wert bei. Der gegenseitige Respekt und das Verständnis füreinander, die aus den Jahren des Zusammenlebens in Deutschland gewachsen sind, dürfen nicht durch Extremisten am Rande der Gesellschaft aufs Spiel gesetzt werden. Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit dürfen nirgendwo einen Platz haben.

Das zwischenmenschliche Band wird ergänzt durch die Dynamik unseres Handels, der alle bisherigen Rekorde bricht. Die türkische und die deutsche Wirtschaft haben sich wie wenige andere Ländern als widerstandsfähig und dynamisch in der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise gezeigt.

Nie zuvor war das Leben von Deutschen und Türken enger miteinander verwoben als heute. Als Bündnisfreunde und Partner haben wir über Jahrzehnte eine solides Fundament gebaut, um eine gemeinsame Vision für die Zukunft zu schaffen. In dieser Zeit des Wandels stehen unsere gemeinsamen Werte und Ziele hoch im Kurs.
Die konstruktive Partnerschaft zwischen der Türkei und Deutschland hat durch die Entwicklungen von historischer Tragweite nördlich und südlich des Mittelmeers an zusätzlicher Bedeutung gewonnen. Beide Länder sind einer aktiven und verantwortungsvollen Rolle in diesen Prozessen verpflichtet.

Die Türkei ist als funktionierende pluralistische Demokratie mit robuster Wirtschaftsentwicklung eine Quelle der Inspiration für die Länder, die sich in Nordafrika und dem Nahen Osten im Umbruch befinden. Deutschland erweist sich in Europa als Stabilitätsanker, der große Anstrengungen unternimmt, verantwortungsvoll zur Überwindung der aktuellen Wirtschafts- und Schuldenkrise beizutragen.

Vor diesem Hintergrund geben wir gemeinsam den Startschuss für einen deutsch-türkischen Strategischen Dialog. Dieser Dialog wird die ganze Bandbreite unserer bilateralen, europapolitischen und außenpolitischen Beziehungen abdecken und unsere Beziehungen auf eine neue Ebene heben. Diesen neuen Rahmen wollen wir künftig gemeinsam weiter entwickeln.

Freundschaft, Verständnis und Austausch zwischen den jungen Menschen unser Länder liegt uns ganz besonders am Herzen. Wir legen deshalb nun die Basis dafür, dass sie sich einander noch näher kommen. Das ist eine Investition in unsere gemeinsame Zukunft.

Unsere Beziehungen bewegen sich auch in einem europäischen Rahmen. Wir haben das gemeinsame Ziel, der Annäherung zwischen Europäischer Union und Türkei neues Leben einzuhauchen. Es ist gut, dass in Kürze ein neues Verhandlungskapitel geöffnet wird. Denn Stillstand in den Beitrittsgesprächen schadet der Türkei und Europa.

Deshalb wollen wir dem türkischen Beitrittsprozess neuen Schwung geben, die EU und die Türkei müssen ihn voranbringen. Die Türkei hat einen weit reichenden Reformprozess eingeleitet, den sie engagiert fortsetzt. Diese Reformen sind unseren gemeinsamen Grundwerten verpflichtet: Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit. In diesem Prozess hat es große Fortschritte gegeben. Reformerfolge in Ankara sollten sich auch positiv im Verhandlungsprozess über den EU-Beitritt der Türkei niederschlagen.

Aus dieser Überlegung heraus entwickeln wir gemeinsam eine deutsch-türkische Europapartnerschaft. Wir setzen darauf, dass wir damit positiven Einfluss auf die öffentliche Debatte in Europa und der Türkei über die europäische Bestimmung der Türkei erzielen.

Gemeinsam wollen wir den Visa-Dialog zwischen der EU und der Türkei, der die Visaliberalisierung für türkische Bürger bringen soll, voranbringen. Das wäre ein Beitrag für ein besseres Verständnis zwischen unseren Völkern. Verbesserungen in der Mobilität helfen, viele Hürden zwischen Europa und der Türkei abzubauen, die eine Annäherung behindern. In diesem Zusammenhang setzen wir unsere Zusammenarbeit fort, um den Problemen der irregulären Migration zu begegnen.

Schließlich setzen wir uns dafür ein, die Perspektiven eines breiten strategischen EU-Türkei-Dialogs über internationale Themen auszuloten. Sicherlich erfordert es fast jede internationale Frage, dass wir unsere diplomatischen Aktivitäten eng aufeinander abstimmen, vor allem aber dann, wenn es um die gemeinsame Unterstützung der historischen Umbrüche in der arabischen Welt geht.

Als Partner und Verbündete in der NATO stehen Deutschland und Türkei Seite an Seite vor den aktuellen Herausforderungen. Das gilt besonders für die dramatische Lage in Syrien. Die Stationierung von Patriotraketen in der Türkei im NATO-Rahmen durch Deutschland, die Niederlande und die USA zur Stärkung der türkischen Luftsicherheit ist ein Ausdruck dieser Solidarität.

Deutschland und die Türkei sind starke Partner für Frieden, Freiheit und Wohlstand. In allen Facetten sind unsere Beziehungen von besonderer Art – sei es im bilateralen, europäischen oder internationalen Rahmen. Wir wollen sie mit Entschlossenheit und Enthusiasmus in die Zukunft führen.

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