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Rede von Außenminister Sigmar Gabriel bei der Verabschiedung von Staatssekretär Steinlein und Begrüßung der Staatssekretäre Lindner und Sontowski

14.02.2017 - Rede

Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Auswärtigen Amt,
liebe Vertreterinnen und Vertreter des Personalrats,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Gäste,

es ist noch gar nicht lange her, ein bisschen mehr als zwei Wochen gerade einmal, dass Frank-Walter Steinmeier verabschiedet und ich hier von Ihnen hier im Weltsaal begrüßt worden bin. Und jetzt bin ich schon derjenige, der zur nächsten Runde einlädt!

In meiner kurzen Zeit im Auswärtigen Amt habe ich gelernt, dass der Wechsel gleichsam zur Routine gehört. Allerdings würde ich mir wünschen, dass es ganz so schnell nicht weitergeht.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Steinlein, lieber Stephan,

mit Blick auf den bevorstehenden Wechsel von Frank-Walter Steinmeier und Dir ins Schloss Bellevue könnte man sagen: die Steinzeit im Auswärtigen Amt ist vorbei.

Das mag jetzt in einigen Ohren so klingen, als könnte man darüber erleichtert sein. Aber die wahren Experten wissen, dass die Steinzeit eine höchst produktive Epoche gewesen ist!

- Neue Werkzeuge wurden entdeckt - Sie würden hier im AA vom Instrumentenkasten sprechen;

- Auch Formen der friedlichen Koexistenz wurden eingeübt – quasi der Vorläufer der OSZE. Ob Deutschland damals allerdings schon den Vorsitz übernommen hatte, ist nicht überliefert…

Kurzum, lieber Stephan, die jüngste Steinzeit hier im Auswärtigen Amt ist ganz ohne Frage auch wegen Dir eine solch prägende gewesen. Prägend für das Haus selbst. Denn Du bist einer der entscheidenden Köpfe und Antreiber hinter den Reformen hier im AA gewesen. Aber auch weit darüber hinaus, für eine deutsche Außenpolitik, die sich in Krisenzeiten bewähren musste. Dass dies so gut gelungen ist, liegt natürlich nicht nur am Minister, sondern eben auch ganz entscheidend an seinen engsten Beratern.

„Engster Berater“, das klingt in Bezug auf das Verhältnis von Dir von Frank-Walter Steinmeier ja fast schon distanziert. „Alter Ego“ vielleicht trifft es vielleicht eher. So hab‘ ich es jedenfalls erlebt: Wenn es während unserer gemeinsamen Zeit in der Opposition darum ging, etwas zwischen Willy-Brandt-Haus und dem Fraktionsvorsitz zu besprechen – und es in ganz seltenen Fällen auch einmal etwas zu streiten gab – dann wusste ich am Ende eines langen Tages manchmal gar nicht mehr mit wem ich nun gesprochen hatte – mit Frank-Walter oder Dir. Aber das war eigentlich egal. Denn sprach man mit dem einen, sprach man zugleich mit dem anderen. Das ist die große Stärke einer über Jahre entwickelten eben nicht nur beruflichen Beziehung, sondern vor allem eines ganz freundschaftlichen Verhältnisses.

Lieber Stephan,

Deine politische Biographie der letzten Jahre ist verwoben mit derjenigen von Frank-Walter Steinmeier. Aber sie beginnt schon wesentlich früher. Du hast in der Wendezeit die Erfahrung gemacht: Veränderungen, zumal demokratische, muss man sich erkämpfen. Wandel darf man nicht einfach über sich ergehen lassen, man kann und man muss ihn gestalten. Der Wandel in Deutschland, das war für Dich klar, muss eingebettet werden in die Idee eines geeinten Europa. Wiedervereinigung als europäische Einigungspolitik. Schon in der Vor-Wendezeit, hast Du Kontakte ins Ausland, zu unseren europäischen Nachbarn geknüpft.

Daher ist es auch kein Zufall, dass Dich Deine beiden einzigen Auslandsposten nach Frankreich, als letzter Botschafter der DDR, und dann für das wiedervereinigte Deutschland an die Botschaft in Warschau geführt haben. Frankreich und Polen – diese beiden Orientierungspunkte deutscher Außenpolitik hast Du selber schon ganz früh in den Blick genommen.

Mit Deiner Biographie hast Du den Wandel unseres Landes durchmessen. Du hast diesen Wandel mitgeprägt. Hast im besten preußischen Sinne Verantwortung für das Gemeinwesen übernommen. Ohne Dich jemals selbst dabei in den Vordergrund zu drängen. Oder um Deinen akademischen und politischen Lehrer Walter Ullmann zu paraphrasieren: Du hast Dich zum „Dienst auf dem Planeten“ entschlossen. Und das Gute ist: Dieser Dienst geht weiter, in einer ganz entscheidenden Position, in einer ganz entscheidenden Phase, in der wir um den Zusammenhalt in unserem Land, aber vor allem auch in Europa und darüber hinaus in einer Welt kämpfen müssen, die sich sonst nationalisiert.

Ich wünsche Dir - ich bin mir sicher im Namen aller Kolleginnen und Kollegen hier im Raum - alles Gute für Deine neue Aufgabe! Vielen Dank für alles, was Du in diesem Haus geleistet hast.

Sehr geehrter Herr Staatsekretär Lindner, lieber Walter,

herzlich willkommen zurück hier in Berlin! Im sehr winterlichen Berlin….Als ich Deine Abschiedsfotos aus dem sommerlichen Südafrika gesehen habe, habe ich nur fast ein schlechtes Gewissen bekommen, Dich nach Berlin geholt zu haben. Aber eben nur fast.

Über die Gründe für Deine Ernennung zum Staatssekretär gibt es ja die wildesten Gerüchte:

- Manche glauben ja schon, aus der Ernennung von Walter Lindner Rückschlüsse auf die nächste Koalition im Bund ziehen zu können. Eine Kenia-Koalition solle es werden. Das ist natürlich Unsinn!

- Genauso wenig ist das Gerücht richtig, dass Walter Lindner nur halbtags im Auswärtigen Amt arbeiten wird, abends dann bei den Berliner Philharmonikern Querflöte spielt!

Ich habe zwar keinerlei Zweifel an Deinem musikalischen Talent, weil ich es auch schon selbst bewundern durfte, aber wir brauchen Deine ganze Kraft für’s Auswärtige Amt!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich freue mich sehr, dass wir mit Walter Lindner einen neuen Staatssekretär haben, der selbstverständlich das große diplomatische Parkett kennt – und es auch manchmal als Bühne für Musik aller Art nutzt. Er ist jemand, der seine diplomatische Arbeit auch immer so versteht, mitten drin im Geschehen zu sein, ohne Berührungsängste. Denn Diplomatie ist kein aseptischer Job unter Laborbedingungen. Diplomatie passiert auch gerade dort, wo es brodelt, wo das Leben spielt.

Wie nah Du, lieber Walter, an den Menschen bist, konnte ich selbst einige Male hautnah miterleben. Denn nach einem gemeinsamen Besuch eines Slums in Nairobi gab’s dann auf Einladung einer Bewohnerin zum Abschluss haus- oder besser hüttengemachte Mandazis und Sukuma Wiki – ich bin gespannt wann du diese ostafrikanischen Gerichte in der Kantine des AA einführst!

Lieber Walter, ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit. Und ich kann Dir versichern: auch in Berlin kommt irgendwann der Frühling!

***

Lieber Herr Staatssekretär Sontowski, lieber Rainer,

eben habe ich Stephan Steinlein als das Alter Ego von Frank-Walter Steinmeier beschrieben. Ähnliches gibt es ja auch über unser Verhältnis zu sagen. Aber ein paar Unterschiede gibt es dann doch. Bei Steinmeier und Steinlein – da sind nicht nur die Namen ähnlich, sondern eben auch die Temperamente. Das kann man zur Beruhigung aller im Raum sagen; bei uns eben nicht! Er ist der ruhigere, wollte ich damit sagen.Keine schlechten Voraussetzungen für einen Staatssekretär des Auswärtigen Amts!

Staatssekretär Sontowski wird sich im Auswärtigen Amt mit seinem Stab darum kümmern, die politische Koordinierungsarbeit im Verhältnis mit den anderen Bundesministerien und den Bundesländern zu leisten. Dass diese Aufgaben des sogenannten Vizekanzleramts wieder im AA angesiedelt sein werden, dürfte für das Haus nicht schlecht sein. Rainer Sontowski jedenfalls hat reichlich Erfahrungen in Verhandlungen mit dem Bundesfinanzministerium!

In diesem Sinne: ich bin mir sicher, dass wir mit Dir, lieber Rainer, und Dir lieber Walter, als Auswärtiges Amt noch stärker aufgestellt sind!

***

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin sehr froh, dass wir die drängenden Personalfragen zügig geklärt haben. Dass wir das Trio der Staatssekretäre Ederer, Lindner und Sontowski nun beisammen haben. Ich bin Staatssekretär Ederer sehr dankbar, dass er bleibt und für Kontinuität in der Arbeit sorgt.

Eine aktive deutsche Außenpolitik jedoch kann nur dann gelingen, wenn wir gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, das hat das Auswärtige Amt allemal, aber eben auch wenn die politische und administrative Führung gut organisiert ist. Sie kann nur dann gelingen, wenn wir alle, Sie alle, hier in Berlin und in Bonn und an den Auslandsvertretungen, unsere ganze Energie einsetzen!

Und die werden wir brauchen. Denn wir alle merken, dass die Unsicherheiten geblieben sind und vielleicht auch ständig wachsen. Wir haben in dieser Woche das G20-Außenministertreffen und die Münchner Sicherheitskonferenz. Alle gucken jetzt gespannt darauf, was an Eindrücken und Signalen sich dort zeigen wird, denn noch wissen wir nicht, ob eigentlich im Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Europa und vielleicht sogar zwischen den Vereinigten Staaten und dem Rest der Welt Interessen eine Rolle spielen – das ist nicht schlimm, auch dann nicht, wenn sie unterschiedlich sind, denn dafür gibt es Verfahren des Wettbewerbs, Institutionen des Ausgleichs. Oder ob man Sorge haben muss, dass amerikanische Innen- und Außenpolitik ideologiebasiert geführt wird. Dann allerdings ist es schwierig, einen Ausgleich zu finden. Ideologie, die davon ausgeht, dass Amerika das Gegenteil dessen ist, was es eigentlich ist. Denn Amerika ist ja nicht das Land des weißen Mannes und auch nicht der weißen Frau. Und auch kein Land, das in der Vergangenheit groß und stark dadurch geworden ist, dass es nationale Hegemonie angestrebt hat und kulturelle und ethnische Homogenität. Wenn das die amerikanische Politik sein sollte, dann kommen schwierige Zeiten auf uns zu, weil Europa und dieses Land das genaue Gegenteil dieser Ideologie sind. Wir sind gegründet worden nach dem 2. Weltkrieg gegen die Idee nationaler Hegemonie und gegen die Idee ethnischer Homogenität. Insofern sind wir das exakte Gegenteil dessen, was dort, zumindest in der amerikanischen Politik, sichtbar wird.

Was können wir machen? „Hoping for the best and preparing for the worst“. Natürlich alles versuchen, Interessen zu debattieren und auszugleichen. Aber ich glaube, auch sich darauf vorbereiten, dass Europa eine größere Verantwortung bekommt. Die gute Nachricht dabei ist: Was immer wir hinkriegen, wenn wir uns auf den schlechtesten Fall vorbereiten, wird uns gleichzeitig helfen, mit dem besseren Fall umzugehen. Am Ende geht es darum, Europa stärker zu machen. In den unterschiedlichsten Facetten europäischer Aktivitäten. Das ist in Zeiten, in denen Europa Schwäche signalisiert, für manche schwer vorstellbar. Aber ich will von einem Beispiel berichten, von dem ich als junger Mann nie gedacht hätte, dass es möglich sein könnte. Und das zeigt, welche Potentiale in der deutschen Außenpolitik aber auch in Europa existieren. Sie werden gelesen haben, dass nach der Tatsache, dass die Niederlande schon vor geraumer Zeit militärische Verbände unter deutsche Kommandogewalt gestellt haben, das gleiche jetzt in Tschechien und Rumänien diskutiert wird. Wenn man einmal von der Frage absieht, wie wichtig oder weniger wichtig das Thema Militär in Europa ist, ist es eine erstaunliche Entwicklung. Ich hätte es als junger Mann für undenkbar gehalten, dass ausgerechnet die Länder, die noch durch die Generation meiner Eltern und Großeltern verwüstet worden waren, bereit sind, sich deutschen militärischen Strukturen anzuschließen. Dass das heute möglich ist, zeigt am Ende auch wie groß trotz mancher Unterschiede, mancher Konflikte und harter Auseinandersetzungen in Europa das Vertrauensverhältnis ist. Und ich finde, dass wir bei aller Schwierigkeit, die wir haben, zueinanderzufinden, auf dieses Vertrauen, das eben doch seit der Gründung der Europäischen Union gewachsen ist, aufbauen können. Dass es keinen Grund gibt, mutlos zu sein. Das müssen ja mutige Männer und Frauen gewesen sein, die nach 1945 ausgerechnet die Deutschen an den europäischen Tisch eingeladen haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Franzosen, die Niederländer, die Belgier und die Luxemburger über diese Idee als Bürger besonders begeistert gewesen sind. Aber trotzdem haben sie das gemacht und durchgesetzt und Mehrheiten in ihren Bevölkerungen überzeugen können, dass dieses Projekt der europäischen Einigung auch für die Länder selber, die kurz zuvor noch von uns Deutschen überfallen wurden, den einzigen Weg in eine gute und sichere Zukunft darstellt. Warum sage ich das: Weil ich finde, dass in Zeiten in denen man zweifelt, es sinnvoll ist, an diese Erfahrungen zu erinnern. Weil ich glaube, dass wir die Widerstände, die wir in unserer Bevölkerung und in der Bevölkerung in anderen europäischen Staaten zu überwinden haben, kleiner sind, als diejenigen, die damals Robert Schuman und andere zu überwinden hatten. Dass etwas Großartiges geschaffen wurde und trotz aller Schwierigkeiten für mich jedenfalls der europäische Kontinent die Region auf der Welt ist, in der man am demokratischsten, am freiheitlichsten und sozial sichersten leben kann und dass das größte Zivilisationsprojekt des 20. Jahrhunderts auch im 21. Jahrhundert noch seinesgleichen sucht. Daran zu arbeiten, dass dieses Europa stärker und selbstbewusster wird, um im besten Fall zu neuen Partnerschaften mit vielen, auch mit den Amerikanern, zu kommen. Und im schlechtesten Fall stark genug zu sein, selbst den Werten verbunden und treu zu sein, die wir die Werte des Westens nennen und die ja keine geographische Verortung sind, sondern eine politische und kulturelle, eine Idee vom Zusammenhalt. Das steht im Zentrum unserer Arbeit der nächsten Monate – dafür, dass Sie dabei mithelfen, bedanke ich mich jetzt schon und ich glaube wir werden das, auch mithilfe unseres Trios an der Spitze, gut hinbekommen.

Vielen Dank.

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