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Interview mit Außenminister Steinmeier in der kroatischen Zeitung Jutarnji List (30.04.2015)

30.04.2015 - Interview

Herr Bundesminister, Sie kommen nach Zagreb zu einem Zeitpunkt, in dem die Präsidentschaftswahlen hinter uns liegen und die Parlamentswahlkampagne bereits beginnt. In Zagreb wird offen darüber gesprochen, dass die kroatisch-deutschen Beziehungen negativ beeinträchtigt worden sind durch einige Maßnahmen Kroatiens (Fall Josip Perkovic) und es bedeutende Probleme im Bereich der wirtschaftlichen Geschäftstätigkeiten gibt. Stellt Ihr Besuch einen Versuch dar, die Beziehungen in die richtige Bahn zu lenken und was erwarten Sie vom Besuch?

Deutschland und Kroatien verbinden exzellente bilaterale Beziehungen. Unsere Länder sind füreinander verlässliche Partner in der Europäischen Union. Über ein breites Netz an Kontakten – auch über eine große kroatische Community in Deutschland – sind unsere beiden Länder eng miteinander verflochten – politisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich.

So floriert etwa der Handel zwischen Deutschland und Kroatien; deutsche Unternehmen arbeiten und investieren erfolgreich in Kroatien. Zugleich ist Kroatiens wunderbare Küste für viele Deutsche ein beliebtes Urlaubsziel. Eine weitere Verbesserung der Investitionsbedingungen in Kroatien, insbesondere im Bereich der Rechtssicherheit, könnte das Engagement der deutschen Wirtschaft sogar noch verstärken.

Bei meinem Besuch werden wir uns – neben bilateralen Themen – natürlich den drängenden Fragen der internationalen Politik wie der dramatischen Flüchtlingssituation im Mittelmeerraum widmen. Außerdem freue ich mich auf die Einschätzung meiner kroatischen Gesprächspartner zu den Entwicklungen in ihrer Nachbarschaft.

Bald jährt sich der EU-Beitritt Kroatiens zum zweiten Mal. Hierzulande wird die EU-Mitgliedschaft Kroatiens unterschiedlich gewertet. Wir bitten Sie, von Ihrer Position aus zu bewerten, in welchem Maße Kroatien der Aufnahme in die EU gerecht geworden ist, wo die größten Probleme liegen und was geändert werden sollte, um sie zu lösen (hierbei meinen wir ausschließlich Fragen in Zusammenhang mit der EU – es gab nämlich viel Kritik, dass Zagreb in der Formulierung/Darlegung eigener Positionen nicht aktiv genug war).

Kroatien hat sich innerhalb kürzester Zeit zu einem wertvollen und verlässlichen Partner in der Europäischen Union entwickelt. Bei den unterschiedlichsten Fragen vertreten Deutschland und Kroatien ähnliche Positionen. Zudem haben wir haben gemeinsame Werte, verfolgen gemeinsame Interessen. Die Zusammenarbeit in Brüssel ist ausgezeichnet. Dort, wo Kroatien eigene Akzente setzt, wie etwa in Fragen der Europäischen Energiepolitik, erfolgt dies konstruktiv, mit Umsicht, Sachkenntnis und Augenmaß.

Kroatien hat daran gearbeitet, dass die Problematik um Bosnien und Herzegowina wieder in die EU-Agenda aufgenommen wird. In Mazedonien dauern die Spannungen schon längere Zeit an, neulich kam es dort auch zu Ausschreitungen; Serbien sucht auch weiterhin seinen Weg zwischen der EU und Russland; Kosovo hat wiederum seine eigenen tiefgreifenden Probleme. Der Westbalkan ist also auch weiterhin ein europäisches Problem. In welchem Maße kann Kroatien hinsichtlich der Europäisierung der Region seinen eigenen Beitrag leisten und in wieweit kann dies dazu beitragen, dass das gewisse Chaos, das in dieser Region herrscht, überwunden wird?

Die Staaten des Westlichen Balkans sind Partner im Herzen Europas. Wir möchten sie als Mitglieder in die Europäische Union aufnehmen. Dafür liegt vor den einzelnen Ländern noch eine Wegstrecke, die je nach Reform-Fortschritt länger oder kürzer ausfallen wird. Kroatien kann mit seinen Erfahrungen im Beitrittsprozess einen wichtigen Beitrag für die Heranführung seiner Nachbarn an die EU leisten.

Kroatien hat auch maßgeblich an dem neuen EU-Ansatz für Bosnien und Herzegowina mitgewirkt. Gerade dort ist es von zentraler Bedeutung, dass alle bosnischen Politiker Führungsverantwortung übernehmen. Der dass der Streit um ethnische Fragen muss zugunsten einer Politik zurückgestellt wird, die allen Bürgern des Landes zugutekommt, wirtschaftliche Stabilität und rasch Fortschritte in Richtung Europa bringt. Mit Blick auf den Weg Serbiens Richtung Europa und auf die serbisch-kroatischen Beziehungen halte ich es für wichtig, dass Kroatien und Serbien den eingeschlagenen Weg der Aussöhnung und der verstärkten Kooperation entschlossen weitergehen.

Die Lage in der Ukraine stellt auch weiterhin die größte europäische Krise dar. Sie stehen in ständigem Kontakt mit Kiew und Moskau. Wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, dass es dort zu einer dauerhaften Stabilisierung kommt? Ist der russische Präsident Putin zur Beruhigung der Lage und zur Verbesserung der Beziehungen zur EU bereit?

Mit den Minsker Vereinbarungen konnten wir verhindern, dass der Konflikt in der Ostukraine völlig außer Kontrolle gerät. Seither ist es gelungen, einen Waffenstillstand herbeizuführen, der weitgehend trägt. Der Rückzug schwerer Waffen hat begonnen. Jetzt geht es vor allem darum, den Einstieg in den politischen Prozess voranzutreiben – so, wie es im Minsker Maßnahmenpaket vom 12. Februar vorgesehen ist.

Moskau hat sich auch bei den jüngsten Beratungen im Normandie-Format in Berlin erneut zu den Minsker Vereinbarungen bekannt, die ja im Kern einen Fahrplan zur Entschärfung der Krise in der Ostukraine vorzeichnen. Eine Garantie auf Erfolg gibt es dabei nicht. Aber angesichts der großen Gefahr, die vom Ukraine-Konflikt immer noch für Europa ausgeht, sollten wir alles in unserer Macht Stehende tun, um einen friedliche Ausweg möglich zu machen.

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