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„Jede Anstrengung lohnt“ - Außenminister Steinmeier im Bild-Interview

06.09.2014 - Pressemitteilung

In der Ausgabe der Bild-Zeitung vom 6. September 2014 erschien das folgende Interview mit Bundesaußenminister Steinmeier, in dem er Fragen zur aktuellen Entwicklung in der Ukraine-Krise beantwortet.

In der Ausgabe der Bild-Zeitung vom 6. September 2014 erschien das folgende Interview mit Bundesaußenminister Steinmeier, in dem er Fragen zur aktuellen Entwicklung in der Ukraine-Krise beantwortet.

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Herr Steinmeier, nach dem Nato-Gipfel sprechen viele Beobachter von einem neuen Kalten Krieg. Wird es wieder 40 Jahre dauern, bis sich die Lage beruhigt?

Das hoffe ich nicht, und das will ich auch nicht glauben. So schwierig und so mühsam das auch ist und sicher noch sein wird - jede Anstrengung für eine politische Lösung der Ukraine-Krise lohnt. Ein offener Krieg zwischen Russland und der Ukraine wäre eine europäische Katastrophe. Das müssen wir verhindern. Die europäische Friedensordnung ist ein Segen für uns alle. Das, was wir in Europa seit dem Fall der Mauer an Vertrauen, Austausch und Sicherheit aufgebaut haben, dürfen wir nicht einfach so untergehen lassen. Gerade wenn der Weg nach vorne schwierig ist, darf man Brücken nicht einfach so abbrechen!

Die Nato hat gestern beschlossen, die baltischen Staaten besser zu schützen. Und die Ukraine bekommt außer wohlklingenden Worten keine Hilfe. Warum?

Unsere östlichen Nachbarn fühlen sich bedroht. Wir nehmen die Sorgen unserer polnischen und baltischen Partner sehr ernst. Im NATO-Bündnis steht die unverbrüchliche Einstandspflicht füreinander heute – wie vor 65 Jahren bei seiner Gründung – wieder im Zentrum. Die Ukraine ist kein NATO-Mitglied, aber wir stärken Kiew politisch und wirtschaftlich klar den Rücken. Das EU-Assoziationsabkommen bringt wirtschaftliche Vorteile für die Ukraine, verlangt ihr aber auch etwas ab: innerstaatliche Reformen und Bekämpfung der Korruption. Dabei helfen wir; in der aktuellen Notsituation in der Ostukraine auch mit humanitärer Hilfe.

Bisher hat Russlands Präsident Putin in der Ukraine-Krise immer wieder sein Wort gebrochen. Auch wenn seit Freitag Mittag die Waffen schweigen: Was lässt sie glauben, dass es Putin diesmal ehrlich meint?

Es geht nicht um bloßes Glauben. Gerade wenn Vertrauen gestört ist, braucht man Vereinbarungen, die sich Punkt für Punkt überprüfen lassen. Beim gestern unterzeichneten Zwölf-Punkte-Plan werden wir genau verfolgen, ob die Versprechen eingehalten werden. Aber niemand soll sich täuschen, noch ist nichts gewonnen. Die gestern vereinbarte Feuerpause ist – wenn alles gut geht – allenfalls ein Anfang vom Ende der Krise. Ob die Waffen dauerhaft schweigen, hängt weiter vom Willen Moskaus und Kiews ab, die großen offenen Fragen politisch zu lösen. Entscheidend ist, dass die Politik das Heft des Handelns wieder in die Hand nimmt und die militärische Eskalationsspirale endlich durchbrochen wird.

In Deutschland wird schon über höhere Verteidigungsausgaben diskutiert – sogar eine Neuauflage der Wehrpflicht wäre möglich. Halten Sie das angesichts von Putins aggressivem Auftreten für möglich?

Ich war immer Befürworter der Wehrpflicht, aber die ist Geschichte; ihre Wiedereinführung sehe ich nicht. Bei der Anpassung der Wehretats stehen alle europäischen Länder vor ähnlichen Schwierigkeiten. Mehr Geld fällt nicht vom Himmel, gerade zurzeit haben viele Partner Probleme genug, ihre Staatsfinanzen in Ordnung zu halten. Im übrigen hat die NATO gezeigt, dass wir durchaus handlungsfähig sind. Wir sind bereit zur Erneuerung und zur Stärkung unserer Bündnispartner, wo sie sich bedroht fühlen. Wir bleiben ein politisches Bündnis, das gesprächsbereit ist, auch mit Nicht-Mitgliedern, das Wege aus Konflikten sucht, aber auch Grenzen aufzeigt, wo nötig.

Das heißt?

Wir sagen Russland deutlich: Wer an einem friedlichen Miteinander in Europa interessiert ist, darf nicht die Grenzen souveräner Staaten verletzen. Moskau muss die Unterstützung separatistischer Kräfte – ob heimlich oder offen – einstellen und darf die höchst gefährliche Lage in der Ostukraine nicht noch weiter anheizen. Falls doch, sind weitere Sanktionsrunden nicht unser Ziel, aber unvermeidlich. Lieber wäre mir, wir würden eine zügige Umsetzung der Poroschenko-Putin-Vereinbarung erleben und beschlossene Sanktionen wieder abbauen. Aber nach vielen Rückschlägen in den letzten Wochen bleibt Vorsicht geboten.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Bild.

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