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Grußwort von Staatsministerin Maria Böhmer anlässlich der Eröffnung des Deutsch-Spanischen Forums in Berlin

17.11.2015 - Rede

Sehr geehrte, liebe Frau Mohn,

Herr Rodríguez Inciarte,
Frau Navarro Aguilera,
Exzellenzen,
Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich freue mich sehr, dass ich das Deutsch-Spanische Forum für die Bundesregierung eröffnen darf.

Meine Damen und Herren,

in diesen Tagen bewegen uns die fürchterlichen Terroranschläge vom 13. November in Paris.

Die Nacht vom 13. November war eine der schrecklichsten Nächte, die Europa seit langer Zeit erlebt hat. Die Menschen in Paris mussten einen Alptraum von Gewalt, Terror und Angst durchleiden.

Unser tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer und den zahlreichen Verletzten. Wir stehen in diesem Moment des Leids, der Verzweiflung, aber auch des Eintretens für unsere gemeinsamen Werte, fest an der Seite unserer französischen Freunde und wünschen Ihnen Kraft in diesen schweren Stunden.

Dieser Angriff auf die Freiheit galt nicht nur Paris. Er meint uns alle und er trifft uns alle. In den Tagen und Wochen zuvor haben uns die Selbstmordattentate in Beirut oder das Schicksal der russischen Passagiere bei dem Absturz ihrer Maschine auf dem Sinai tief erschüttert.

In dieser so bedrückenden Situation trägt uns die Überzeugung, dass unsere Werte, Mitmenschlichkeit, Respekt vor dem Anderen, Demokratie und ein Leben in Freiheit stärker sind als der Terror. Dieses Wertefundament eint Europa. Darauf vertrauen wir. Das gibt uns Halt und Stärke,

Nicht Frankreich, auch Deutschland, die Europäische Union und die Weltgemeinschaft, wie soeben beim G20-Gipfel bekräftigt, werden gemeinsam alles unternehmen, um die Sicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten und den Kampf gegen ISIS erfolgreich zu führen.

Mit Terroranschlägen haben unsere spanischen Gäste bereits bittere Erfahrung machen müssen. Mir stehen die Terrorakte vom 11. März 2004 noch deutlich vor Augen, als Spanien von den Anschlägen der Al Quaida getroffen wurde. Kein Zweifel: Das war eine traumatische Erfahrung.

Die Kraft und Stärke, wie Spanien mit den Folgen umgegangen ist, kann uns heute Orientierung und Zuversicht geben: Wie es möglich ist, in Normalität weiterzuleben.

Wie es möglich ist, gerade angesichts der schrecklichen Terrorakte die eigenen Werte zu leben und mit aller Entschlossenheit zu verteidigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

im März bin ich nach Spanien gereist. Als Vorsitzende des Welterbekomitees der UNESCO war es mir ein Anliegen nicht nur Madrid, sondern auch Toledo zu besuchen – eine beindruckende Welterbestätte.

In Toledo, der „Stadt der drei Kulturen“, lebten über Jahrhunderte hinweg Christen, Juden und Muslime friedlich miteinander. Genau diese Zeit des friedlichen Miteinander und des kulturellen Austausches entwickelte sich zu der Blütezeit Toledos.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Damals war es für Künstler selbstverständlich, von Stadt zu Stadt und Land zu Land zu ziehen. Unsere heutige Freizügigkeit, die Europa auszeichnet, wurde in der damaligen Zeit gewissermaßen vorweggenommen.

Deutschland und Spanien – das ist nicht nur die Geschichte eines engen, freundschaftlichen und lebendigen Austauschs auf allen Ebenen von Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft,

Politik und Regierung. Es ist ebenso die Geschichte einer gelingenden Partnerschaft und intensiven Zusammenarbeit in Europa.

Spanien wird mit dem Jahreswechsel dreißig Jahre zur Europäischen Union gehören. Diese dreißig Jahre erzählen eine wirkliche Erfolgsgeschichte. Von der Wirtschafts- und Finanzkrise und ihren Auswirkungen war Spanien in besonderem Maße betroffen. Doch der oft schwere und mit vielen Härten verbundene Reformweg, mit dem Spanien darauf reagiert hat, verdient große Anerkennung und Respekt. Der Erfolg der Reformen spricht für sich: Dieses Jahr ist Spanien wieder an die Spitze des Wachstums in Europa gerückt.

Und wenn ich den Blick auf Deutschland richte: Wir haben im Oktober den 25. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung gefeiert. Die Friedliche Revolution in der ehemaligen DDR, der Fall der Mauer, die ersten freien Wahlen – noch heute stockt mir der Atem, wenn ich daran denke. Spanien hat uns auf dem Weg der Einheit von Anfang an unterstützt. Dafür sind wir dankbar.


Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Deutschland hat sich seitdem verändert. Eine der großen Herausforderungen ist die demographische Entwicklung. Auf die Kurzformel gebracht heißt das: Wir werden weniger, wir werden älter und wir sind vielfältiger. Ja, Deutschland ist ein Einwanderungsland und damit meine ich nicht nur die aktuelle Flüchtlingssituation.

Bevor ich als Staatsministerin ins Auswärtige Amt wechselte, war ich acht Jahre lang Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. In diesem (neu geschaffenen) Amt musste ich damals neue Weg beschreiten. Die zentrale Frage lautete: Wie kann Integration gelingen? Auf der Suche nach Antworten nahm ich früh den Kontakt mit spanischen Kolleginnen und Kollegen auf, von denen ich z.B. bei kommunalen Ansätzen oder dem Konzept der zirkulären Migration viel lernen konnte.

Spanien ist mit den Herausforderungen der Migration bereits seit vielen Jahren konfrontiert. Es hat viele interessante Ideen und Konzepte zum Umgang mit Migration und Flüchtlingen entwickelt.

Angesichts der neuen Herausforderungen durch Flüchtlingsbewegungen begrüße ich die spanischen Anstrengungen auf der Suche nach gemeinsamen solidarischen Lösungen. Wir brauchen eine europäische Lösung und in dieser Frage müssen wir zusammenstehen.

Das diesjährige deutsch-spanische Forum widmet sich großen und wichtigen Themen: Bildung, Beschäftigungsfähigkeit, die Herausforderungen des Digitalen Zeitalters.

Die Digitalisierung der Wirtschaft und der Arbeitswelt sind entscheidend für unsere Zukunftsfähigkeit. Gerade weil die industrielle Produktion ein Rückgrat unserer Wirtschaft bleibt, ist die Umsetzung von „Industrie 4.0“ entscheidend. IT, Biotechnologie und erneuerbare Energien werden für unsere Wettbewerbsfähigkeit maßgeblich sein. Das gilt genauso für kleine und mittlere Unternehmen. Die Zukunft des Standortes Deutschland, Spanien und Europa insgesamt hängt von Qualität, Nachhaltigkeit und unserer Innovationskraft ab.

Dabei spielt die Anwendung von wissenschaftlicher Forschung die Schlüsselrolle.

Ein anderes Thema, die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa, ist ein großes gesellschaftliches und ein wirtschaftspolitisches Problem.

Deutschland wird wegen der hier niedrigen Jugendarbeitslosigkeit oft beneidet. Gerne teilen wir unsere Erfahrungen mit der beruflichen Bildung, insbesondere der Dualen Ausbildung.

Ich weiß von meinem Besuch in Madrid, dass das Interesse in Spanien an unserer beruflichen Bildung (deutsch-spanische Berufsschule Fedar) groß ist. Aber ich habe auch immer wieder erfahren, dass wir bei den Jugendlichen selbst, deren Eltern und auch bei den Unternehmen für eine Duale Ausbildung werben müssen.

Wir müssen Überzeugungsarbeit leisten und auf eine stärkere gesellschaftliche Anerkennung drängen.

Vor allem aber müssen die Unternehmen eine zentrale Rolle in der beruflichen Ausbildung spielen. Ich habe mit der BASF in meinem Wahlkreis ein leuchtendes Beispiel vor Augen, das übrigens auch Ausbildungen zwischen Deutschland und Spanien anbietet, die eine Tätigkeit in beiden Ländern ermöglichen.

Liebe Frau Mohn, lieber Herr Rodríguez Inciarte, liebe Frau Navarro Aguilera:

Sie richten das 8. Deutsch-Spanische Forum mit großem persönlichem Engagement aus.

Dafür möchte ich Ihnen großen Dank aussprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

in diesen Tagen werden die Europäische Union, die europäischen Werte und die europäische Solidarität auf eine harte Probe gestellt. Finanz- und Wirtschaftskrise, die großen Flüchtlingszahlen, die Terroranschläge, Fliehkräften in Europa. Immer wieder wird die Frage nach der Vision der Europäischen Union gestellt. Für mich liegt sie auf der Hand:

Angesichts der Herausforderungen spüren wir Solidarität, leben wir unsere gemeinsamen Werte: die europäische Einigung als Garant für Frieden und Sicherheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Solidarität.

Ich wünsche Ihnen allen, dass Sie in diesem Geiste die Beziehungen zwischen Deutschland und Spanien voranbringen.

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