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Rede von Außenminister Sigmar Gabriel beim 97. „Liebesmahl“ des Ostasiatischen Vereins im Rathaus der Freien und Hansestadt Hamburg

24.03.2017 - Rede

Lieber Herr Frey,
lieber Herr Horch,
meine Damen und Herren Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft und des Deutschen Bundestags,
Exzellenzen,
meine Damen und Herren,

Zunächst einmal herzlichen Dank, lieber Herr Frey, für die inzwischen zweite Einladung zum Ostasiatischen Liebesmahl!

Im Jahr 2009 war schon einmal zu Gast bei Ihnen – damals übrigens im Hafen. Der Hafen sieht natürlich heute ziemlich anders aus, als noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Ihr Verein gegründet wurde. Der Hamburger Hafen ist zu einem der modernsten Europas geworden. Aber heute wie damals war der Hafen, Hamburgs, ja sogar Deutschlands Tor zur Welt. Und diese Welt wird zunehmend von Asien geprägt.

Die Kaufleute im Ostasienverein wissen das schon seit 117 Jahren. Ihr Verein wurde ja auch deshalb gegründet, weil, ich zitiere aus der offiziellen Chronik: „die Bedeutung Ostasiens in den politischen und gesellschaftlich maßgeblichen Kreisen Deutschlands nach wie vor unterschätzt wird“.

Ich befürchte in dieser Analyse steckt leider auch heute noch eine Menge Wahrheit, auch wenn sich viel getan hat. Die Zukunft Europas, das transatlantische Verhältnis, die Krisen um uns herum, in der Ukraine, in Syrien – all diese Themen beschäftigen uns außenpolitisch und innenpolitisch enorm. Und zu Recht. Aber Asien, die Chancen der Kooperation mit Asien, darf deswegen nicht aus unserem Blickfeld geraten.

Ich bin überzeugt: Asien ist und bleibt eine Schlüsselregion für die Zukunft Deutschlands und Europas. Es geht nicht nur um unser Land. Es geht auch um die Perspektive Europas. Was allerdings dazu führt, dass Europa stärker werden muss. Denn – geben wir es ruhig zu – aus Asien, aus Washington, aus Moskau wird nicht so ganz stark auf Europa geschaut, viel stärker auf Deutschland. Aber wir werden in der Welt von morgen nur gehört werden, wenn wir eine gemeinsame europäische Stimme sind. Und selbst das starke Deutschland wird in der Welt von morgen, in der Asien, Lateinamerika, Afrika wachsen und wir schrumpfen, kein Gehör finden. Unsere Kinder werden darauf angewiesen sein, dass wir dieses Europa beieinander halten – ich glaube das ist auch eine wichtige Botschaft, wenn man den Blick nach Osten richtet.

Deshalb brauchen wir in Deutschland und auch in Europa eine Neuausrichtung unserer Asienpolitik. Wir wollen unsere Beziehungen zu Asien intensivieren. Und vor allem sie strategisch gestalten. Dabei können wir auch von anderen lernen. China, zum Beispiel, hat eine Strategie. Und wir sind natürlich Teil dieser Strategie. Das ist auch nichts Schlimmes. Gut wäre es nur, wenn Europa auch dabei wäre. Wir sollten auch unseren eigenen strategischen Blick entwickeln, nicht nur auf China, sondern auf den gesamten Kontinent. Das ist das, was wir jetzt machen müssen.

Meine Damen und Herren,

wenn wir nach Asien schauen, tut sich eine Welt der Superlative auf.

Asien ist die Heimat der weltgrößten Wirtschaften, der am schnellsten wachsenden Märkte.

In Asien leben 4½ Milliarden Menschen, sie ist damit die bevölkerungsreichste Region der Welt.

In Asien wird die Hälfte aller Güter, die weltweit verschifft werden, be- oder entladen. Neun der zehn größten Container-Häfen liegen in Asien. Erst in den TOP-20 tauchen europäische Häfen auf – Hamburg ist natürlich mit dabei!

Meine Damen und Herren,

diese Zahlen sind eindrücklich. Und sie sind Ausdruck dessen, dass wir Zeitzeugen sind einer Neuvermessung der Welt. Das wirtschaftliche Gravitätszentrum verlagert sich immer weiter nach Asien.

Aber die Zahlen dürfen uns nicht dazu verleiten ein vereinfachtes Bild dieser Region zu zeichnen. Sie, meine Damen und Herren, als Asienkennerinnen und Asienkennern wissen es: Die asiatisch-pazifischen Region ist eben nicht homogen. Sondern voller Dynamik aber auch voller Diversität. Gerade das macht sie aus.

Asien ist der größte Investor in grüne Energie – und gleichzeitig weltweit der größte Kohlekonsument!

Asien hat die größte Zahl an Internetnutzern – aber nur 37 Prozent der Bevölkerung hat Zugang zum Internet, 77 Prozent sind es in Europa.

Während der letzten Dekaden sind in Asien mehr Menschen aus Armut befreit worden als jemals zuvor – und doch leben immer noch 60 Prozent der Armen der Welt in Asien.

Ähnliches gilt für Urbanisierung: die Mehrheit der städtischen Bevölkerung lebt in Asien – und die Mehrheit der Asiaten wiederum lebt nach wie vor auf dem Land.

Im Asien leben 60 Prozent der Weltbevölkerung – und sie wächst ständig, während Europa schrumpft. Das heißt aber zum Beispiel auch, dass Indien pro Jahr circa 10 Millionen Arbeitsplätze schaffen muss, um die auf den Arbeitsmarkt drängenden Generationen zu versorgen.

Meine Damen und Herren,

unser Blick auf Asien muss also geschärft und verfeinert werden, damit wir diese Komplexität und Vielfalt besser verstehen und daraus Schlüsse ziehen. Dafür müssen wir an einigen Stellen gründlich nachjustieren. Uns von einigen der vertrauten Asienbilder verabschieden.

Das gilt ganz sicher auf der wirtschaftlichen Ebene. Über Jahrzehnte hinweg haben wir Asien, allen voran China, als Absatzmarkt für unsere Waren verstanden, als preiswerte Produktionsstätten. Das ist nicht grundlegend verkehrt - Volkswagen verkauft zum Beispiel mittlerweile 40% seiner Autos allein in China. Aber China ist längst auf dem Weg zum Technologieexporteur. Und übrigens zu Recht: Das Land will ja nicht nur Marktplatz sein, sondern seiner Bevölkerung Wachstum, Wohlstand und wachsende soziale Sicherheit garantieren. Aber das geht nur, wenn das Land selbst seine Kräfte entwickelt. Andere asiatische Staaten gehen den gleichen Weg. Sie sind Partner und eben auch Wettbewerber.

Das gilt auch auf der politischen Ebene. Lange Zeit haben wir besonders stark auf China geschaut – ohne Frage ein zentraler Akteur. Aber auch hier gilt: Wir müssen uns der großen Bandbreite in Asien stärker bewusst werden und sie in unsere Politik einbinden. Denn in Asien liegt auch:

Die größte Demokratie der Welt, nämlich Indien;

die größte muslimische Demokratie der Welt – Indonesien;

in Asien-Pazifik werden wir Zeugen von Aufbrüchen in Richtung Demokratie, aber auch von fragilen Transformationsprozessen und manchmal auch Rückschritten.

Diese politische Unterschiedlichkeit spielt sich ab in einer Region voller sicherheitspolitischer Herausforderungen.

Die Lage auf der koreanischen Halbinsel sticht natürlich besonders ins Auge. Denn dort betreibt das nordkoreanische Regime verantwortungslose und menschenverachtende Politik und eskaliert die Auseinandersetzung.

Auch ein Blick auf die Rüstungsausgaben in der asiatisch-pazifischen Region spricht eine deutliche Sprache: Sie sind um 62 Prozent in den letzten zehn Jahren gestiegen. Das lässt sich sicherlich auch darauf zurückführen, dass Spannungen, unter anderem aufgrund von Territorialstreitigkeiten, zu wachsender Unsicherheit und Unbehagen in der Region führen.

Gleichzeitig baut Asien sein eigenes regionales Institutionengeflecht auf, allen voran ASEAN, der Verband Südostasiatischer Staaten.

Meine Damen und Herren,

dies ist natürlich nur eine grobe Skizze der Entwicklungen, die wir in Asien beobachten.

Und wir können auch heute nicht genau sagen, welche Folgen die Wechselwirkungen von politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Region haben werden.

Noch können wir genau prognostizieren, welche weltpolitischen Auswirkungen der Aufstieg großer asiatischer Staaten wie Indien und China haben wird.

Bei allen Unwägbarkeiten ist eines jedoch sicher: Die gewaltigen Umbrüche, die zurzeit in Asien stattfinden, werden erhebliche Auswirkungen auf uns in Deutschland und in Europa haben.

Für uns bedeutet das: Asien ist eine Schlüsselregion für unsere Zukunft hier zu Hause. Denn die Wege zur Lösung unserer globalen Herausforderungen werden eben nicht mehr nur von den alten Strukturen aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg entwickelt werden können. Sondern die Wege zur Lösung internationaler Herausforderungen verlaufen durch Asien.

Deshalb, meine Damen und Herren, bin ich überzeugt: Wir brauchen eine strategische Neuorientierung unserer Asienpolitik.

Denn wir wollen und können den Entwicklungen dort nicht zusehen und uns einfach darauf verlassen, dass wir – wie schon so lange in der Vergangenheit – automatisch davon profitieren werden. Das jedenfalls ist keine Politik! Wir wollen uns einbringen, mitgestalten und es nicht den anderen überlassen, wie sich das beginnende asiatische Jahrhundert mit Blick auf uns entwickelt.

Diese notwendige Neuorientierung kann angesichts der eben skizzierten Dynamiken, Unwägbarkeiten und Vielschichtigkeiten Asiens kein starres Korsett sein. Sondern flexibel werden wir auf die Veränderungen reagieren müssen. Und dennoch entlang klarer Orientierungslinien - basierend auf unseren Werten und unseren Interessen.

Und dabei ist noch etwas klar: Kein europäischer Mitgliedsstaat – auch kein großer! – hat auf Dauer genug Macht und Einfluss, sich gegenüber den Akteuren in Asien und auf der Weltbühne zu behaupten.

Oder positiv gewendet: Wenn wir uns zusammenschließen, haben wir als Europäer die besten Chancen, unsere Interessen in Asien – und gemeinsam mit unseren asiatischen Partnern – zur Geltung zu bringen.

Natürlich: Gerade in unseren Handelsbeziehungen mit Asien gibt es viel Wettbewerb unter den Europäern. Es wäre naiv, das abzustreiten. Aber gleichzeitig gibt es mehr als genug Interessen, die uns in diesem Bereich einen: Das Streben nach einer Öffnung der Märkte zum Beispiel, nach Abschaffung von Handelsbarrieren, nach regelbasiertem freiem aber auch fairem Handel.

Ich sehe Asien daher auch nicht als einen Kontinent, der die Europäische Union in ihrer Kohärenz bedroht. Auch wenn es Entwicklungen gibt, die interessant sind. Es gibt eine Gruppe von 16 Staaten, zum Teil Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die zusammenarbeiten mit China. Diese Gruppe wird in Europa „16 plus 1“ genannt. In China heißt die Gruppe „1 plus 16“. Das macht ein bisschen deutlich, dass nicht nur wir Grund zu Selbstbewusstsein haben; andere haben das auch. Das zu erkennen ist übrigens die Voraussetzung dafür gemeinsame Interessen definieren zu können.

Gerade in Bezug auf Asien zeigt sich doch, dass wir als Europäer dann ernst genommen werden, wenn wir gemeinsam handeln. Dies sollte uns Ansporn sein, unser Handeln in Asien immer auch im europäischen Rahmen zu verankern. Denn wir werden in der Welt von morgen nur dann eine Stimme haben, wenn es eine gemeinsame europäische Stimme ist!

***

Meine Damen und Herren,

aus meiner Sicht sollten wir uns bei unserer Asienpolitik an folgenden Leitmotiven orientieren:

Wir wollen erstens verlässliche Regeln für freien Handel festigen. Für Sie als Handeltreibende liegt es auf der Hand: Ein verlässlicher und rechtlich verbindlicher Rahmen ist es, der Ihnen erlaubt das gewaltige Potential Asiens in Kooperation mit der Region zu erschließen. Die Verflechtungen unserer Wirtschaften sind schon heute enorm: In Deutschland hängen mehr als 2 Millionen Arbeitsplätze direkt vom Asienhandel ab.

Zugegeben: Eine Zeitlang sah es so aus, als seien wir Europäer in der handelspolitischen Diskussion mit Asien ein wenig abgehängt. Aber nun haben sich die USA entschlossen, das Transpazifische Partnerschaftsabkommen, TPP, ad acta zu legen. Und jetzt stattdessen nur „deals“ mit einzelnen Staaten abzuschließen. Das ist nicht unser Modell! Wir wollen vielmehr unsere handelspolitischen Beziehungen mit Asien auf eine verlässliche und nachhaltige Grundlage stellen. Es gilt auch: Wenn einer sich abwendet, dann gibt es eben andere, die sich zuwenden können. Und ich finde genau das müssen wir jetzt tun. Zuwenden und nicht Angst bekommen vor Freihandelsabkommen. Eigentlich sollten die europäischen Mitgliedsstaaten die EU-Wirtschaftskommissarin fragen, wieviel Personal sie braucht und es ihr zur Verfügung stellen, damit wir schneller als bisher mit dem Abschluss von Freihandelsabkommen mit asiatischen Staaten vorankommen.

Es gab ja in Deutschland eine intensive Diskussion über das Freihandelsabkommen mit Kanada. Man stelle sich vor, Deutschland hätte in dieser Situation das Abkommen aufgehalten, die Europäische Union hätte sich verabschiedet. Wir wären in der Weltwirtschaft blamiert und niemand würde uns für einen ernstzunehmenden Partner halten. Das zeigt wie wichtig es wardieses Abkommen mit Kanada zu schließen.

Trotzdem haben wir bislang nur mit Korea ein Freihandelsabkommen. Hier müssen wir Fortschritte machen, wir müssen deutlich schneller werden.

Mit Singapur, mit Vietnam hat die Europäische Union bereits zu Ende verhandelt. Mit Japan wollen wir rasch zu einem Abschluss kommen. Mit Indonesien und Indien stehen wir noch am Anfang, wollen aber auch dort Fortschritte machen.

Und schließlich brauchen wir schnell das Investitionsabkommen mit China, das den Unternehmen auf beiden Seiten faire Marktzugänge erlaubt. Denn darum geht es auch: Freier und fairer Handel! Wenn das gelingt, könnte das die Grundlage für Fortschritte bei einer großen gemeinsamen Freihandelsperspektive der Europäischen Union in dem Moment sein, in dem sich andere vom freien Handel abwenden.

Im Kern geht es bei unseren handelspolitischen Beziehungen mit Asien auch darum, der Globalisierung Regeln zu geben. Aber nicht zu Lasten der Umwelt, nicht zu Lasten von Arbeitnehmerrechten, nicht zu Lasten von sozialer Sicherheit und kultureller Vielfalt.

Meine Damen und Herren,

es ist ohnehin besser, selbst Standards zu setzen, als abzuwarten, dass man sich den Standards, die andere gesetzt haben, anschließen muss.

Aber nun ist es nicht so, dass wir als Europäer nur unsere Wünsche formulieren müssten, und dann klappt schon. Wir müssen auch bereit sein, für unsere Interessen, ich sage mal, mit „verstärkter Höflichkeit“ einzutreten. Eine klare Haltung mag kurzfristig Unbehagen bei den Gesprächspartnern hervorrufen. Aber Interessen zu formulieren ist die Voraussetzung dafür zu einem Interessensausgleich zu kommen.

Zweitens, meine Damen und Herren, sollte unsere Neuausrichtung die Friedlichen Methoden der Streitbeilegung in Asien fördern.

Denn gerade erleben wir doch in Europa, welch gewaltige Schockwellen der Versuch, Grenzen unilateral und gewaltsam neu zu ziehen über den ganzen Kontinent sendet.

Daher sollten wir uns als Europäer besonders auch in Asien dafür engagieren, dass durch Dialog Spannungen abgebaut, durch internationale Mechanismen, und rechtliche Instrumente wie Gerichtshöfe und Schiedsgerichte die heraufziehenden Konflikte rechtlich eingehegt werden.

Wir unterstützen deshalb alle Akteure in der Region nicht nur diese friedlichen Mittel zu nutzen. Sondern auch Entscheidungen unabhängiger internationaler Institutionen anzuerkennen.

Wir wollen uns auch einbringen, um die maritime Sicherheit in Asien zu stärken – das ist wichtig für die Schifffahrt, aber eben auch für die gesamte regionale Stabilität.

Gerade wir Europäer haben die Erfahrung gemacht, dass die Einbindung großer und kleiner Staaten in einen regionalen Staatenverbund ein Erfolgsrezept für Frieden und Wohlstand ist.

Deshalb wollen wir drittens die regionalen Institutionen in Asien stärken und gleichzeitig die asiatische Teilhabe an globalen Institutionen ausbauen.

Wir haben in Europa Jahrzehnte dafür gebraucht solche Institutionen aufzubauen – die Gründerväter der EU hatten zwar eine Vision für ein geeintes Europa, aber die Instrumentarien haben wir erst graduell entwickelt. Deutschland steht bereit, die asiatischen Bemühungen zu unterstützen und uns einzubringen, zum Beispiel als privilegierter Partner von ASEAN.

Wir brauchen aber auch eine feste Einbindung der asiatischen Staaten in unsere globalen Strukturen. Denn ohne Asien werden wir beim Kampf gegen Klimawandel, gegen Armut und Hunger und für globale Gerechtigkeit keine Fortschritte machen können.

Aber wir müssen doch feststellen: Die Weltordnung, wie sie nach 1945 aufgebaut wurde, wird nicht mehr von allen Staaten, gerade auch in Asien, als selbstverständlich angenommen. Da gibt es Teile, die aus meiner Sicht verständlich sind. Denn die Welt hat sich nun einmal verändert in den letzten Jahrzehnten. Deshalb ist es ganz normal, dass die Regionen, die wachsen, natürlich den Anspruch auf Mitwirkung und Mitbestimmung deutlich stärker artikulieren und auch das Recht dazu haben.

Wir haben das beim Außenministertreffen der G20 in Bonn im letzten Monat gesehen, wo allein sechs der 20 Teilnehmerstaaten aus der Region Asien/Pazifik kamen.

Ich glaube, dass dieser Anspruch etwas ist, dem wir uns stellen müssen. Wir müssen in den Vereinten Nationen, in formellen und informellen Foren dafür Sorge tragen, dass asiatische Staaten eingebunden sind – und auch bereit sind ihren Teil zur Lösung globaler Probleme beizutragen.

Es geht gleichzeitig darum, die neu entstehenden regionalen Institutionen zu unterstützen. Auch deshalb ist Deutschland, wie viele andere europäische Partner, Mitglied der Asiatischen Infrastrukturbank geworden.

4. sollten wir unsere Neuausrichtung an den universellen Werten, die wir fördern und verteidigen, orientieren. Angesichts der Neuvermessung der Welt erleben wir nicht nur Interessensgegensätze sondern auch konkurrierende Werte- und Ordnungsvorstellungen. Das geht so weit – das ist kein Geheimnis – dass einige den westlichen Wertekanon für obsolet erklären. Hinter „westlichen Werten“ vermuten manche, wohl nicht immer ganz zu Unrecht, doppelte Standards und verborgene Interessen.

Dem müssen wir entgegen arbeiten indem wir dies durch unsere eigene Politik glaubhaft widerlegen. Wir müssen deutlich machen, dass diese sogenannten „westlichen“ Werte keine Werte sind, die geographisch zu verorten wären. Manchmal vertreten Menschen, die eben nicht im Westen sondern in anderen Teilen der Welt für Demokratie und Freiheit kämpfen, diese Werte mehr als so mancher Staat im Westen. Und wir müssen klar machen, dass sie eben nicht in einem Gegensatz zu einer multipolaren Weltordnung stehen. Ganz im Gegenteil, dass sie Bestandteil sind unserer Zusammenarbeit mit der Welt. Ich glaube deshalb, dass wir in Deutschland, wir in Europa diese Universalität unserer Werte hochhalten müssen. Wir sollten sie keinem aufzwingen. Aber wir dürfen sie auch nicht verschweigen oder kleinreden. Einbringen müssen wir sie in unsere Partnerschaft mit Asien. Nicht aggressiv und schon gar nicht arrogant und oberlehrerhaft. Aber klug und beständig.

***

Meine Damen und Herren,

Regelbasierter Handel, friedlicher Interessensausgleich, Stärkung regionaler Integration, mehr asiatische globale Verantwortung und ein Eintreten für universelle Werte – das sind die Leitmotive für die neue Ausrichtung einer deutschen, einer europäischen Asienpolitik.

Richtig, nicht alles ist gänzlich „neu“. Und das ist auch gut so. Denn wir können bereits auf ein festes Fundament von Beziehungen zu Asien aufbauen.

Und richtig ist auch: mehr „Asien“ bedeutet nicht, dass wir uns weniger um andere Weltregionen, andere Partner bemühen werden. Oder dass gar das transatlantische Verhältnisse an Bedeutung verlieren würde – dem ist nicht so! Es ist auch kein „Pivot“, wie die USA zeitweilig ihre Hinwendung nach Asien beschrieben haben.

Wir wollen vielmehr unsere Politik strategischer ausrichten und unsere Beziehungen zu Asien intensivieren.

Wir werden dafür auch die strukturellen Voraussetzungen schaffen. Mit 38 Botschaften und Konsulaten haben wir in Asien bereits ein enges Netz gespannt. Nun wollen wir uns auch im Auswärtigen Amt in Berlin noch besser als bisher auf Asien einstellen: Sprachliche und kulturelle Kompetenz, Regionalwissen und Regionalerfahrungen sind im Umgang mit Asien von großer Bedeutung. Deshalb haben wir entschieden, diese Kompetenzen im Auswärtigen Amt zu stärken und in einer neuen Asien- und Pazifikabteilung zu bündeln.

Meine Damen und Herren,

unsere Asienpolitik wird dann erfolgreich sein, wenn es uns gelingt, unsere Partnerschaften auszubauen – in der Region Asien-Pazifik, in Deutschland und in Europa.

Wir brauchen eine Partnerschaft mit Ihnen, meine Damen und Herren, mit unserer Wirtschaft, mit unserer Asienwirtschaft. Denn letztlich sind Sie es, die ganz entscheidend die Beziehungen bestimmen. Sie haben Teil am immer noch rasanten Wirtschaftswachstum, spüren aber auch längst den Konkurrenzdruck. Und: Sie sind es, die die Chancen nutzen, die Asien bietet.

Und wir, die Bundesregierung, sind dabei hoffentlich ein guter Partner für Sie. Indem wir zum Beispiel strategisch wichtige Großprojekte der privaten Wirtschaft im Ausland, gerade in Asien, fördern - über die bekannten Hermes-Kredite hinaus. Wir haben insgesamt das außenwirtschaftspolitische Instrumentarium in den letzten Jahren deutlich ausgebaut.

Und wir brauchen eine engere Partnerschaft in Europa beim Thema Asien. Denn nur eine gemeinsame europäische Asienpolitik wird Gehör finden.

Für mich ist klar: Letztlich können wir nur gemeinsam mit unseren asiatischen Partnern diese Neuausrichtung erfolgreich voranbringen. Deshalb ist das, was ich gerade dargestellt habe, zu allererst ein Angebot zur Kooperation, zur Zusammenarbeit an unsere asiatischen Freunde und Partner.

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Meine Damen und Herren,

vor 117 Jahren waren die Hamburger Kaufleute nicht kleinmutig, als sie auf Asien geblickt haben. Es gibt auch heute keinen Grund dazu. Denn wir haben der Welt, wir haben Asien etwas zu bieten. Und Asien hat uns jede Menge zu bieten. Als Deutschland, aber vor allem als Europäer - lassen Sie uns dies gemeinsam angehen.

Vielen Dank.

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